Justiz | Strafanzeige von SVP-Grossrat Paul Biffiger abgelehnt – dieser empört sich über den Schriftverkehr der Justiz
Juristenfutter nur «en français»?
Fehlt der Walliser Justiz das Gespür für die Zweisprachigkeit im Kanton? SVP-Grossrat Paul Biffiger meint «Ja». «Nein» entgegnet die Staatsanwaltschaft und verweist auf die Strafprozessordnung.
Die Einheit des Kantons – sie steht in diesem Jubiläumsjahr nicht selten im Mittelpunkt der politischen und gesellschaftlichen Debatten, ja gar auf dem Prüfstand. Im Verlauf des Abstimmungskampfes zur Verfassungsreform mit dem umstrittenen Minderheitenschutz fürs Oberwallis schieden sich die Geister darüber, ob die vorgesehenen 35 Grossratssitze fürs Oberwallis den Kanton nun einen oder spalten wird. Es gab auch Stimmen im Oberwallis, denen eine Sitzgarantie in der Verfassung zwar zu weit ging, aber dafür plädierten, dass die hiesige Zweisprachigkeit vorgelebt werden müsse: Also in der Verwaltung, im Gesundheitswesen oder eben in der Justiz.
Staatsanwaltschaft: «Kein Amtsmissbrauch»
Geht es nach Paul Biffiger, wird «der Grundsatz der Gleichbehandlung beider Sprachen» – so steht es in der Kantonsverfassung (Art. 12) – mit Füssen getreten. «Ich fühle mich als Bürger des Kantons nicht ernst genommen», meint der SVP-Grossrat. Der Hintergrund für Biffigers Empörung?
Ende Mai reichte er Strafanzeige gegen den Staatsrat ein – wegen Amtsmissbrauch. Die Walliser Regierung habe, im Abstimmungsbüchlein zur Vorlage über die Rhonekorrektion den Stimmbürger in die Irre geführt, indem sie die Exponenten des Referendumskomitee, darunter auch Biffiger, mit einer tabellarischen Falsch-Richtig-Darstellung quasi als Lügner dargestellt habe. Die Staatsanwaltschaft hat die Anzeige abgelehnt. Der Tatbestand des Amtsmissbrauch sei nicht gegeben, erklärt der stellvertretende Generalstaatsanwalt Jean-Pierre Greter auf Anfrage.
Biffiger hat Begründung in Deutsch verlangt
Nach eigenen Angaben will sich Biffiger mit seiner Klage ans Kantonsgericht wenden – aber nicht nur das. Der SVP-Nationalratskandidat beanstandet zudem den Schriftverkehr der Walliser Justiz. Denn obwohl er die Strafanzeige damals bei der Oberwalliser Staatsanwaltschaft und auf Deutsch eingereicht habe, sei ihm die Erklärung für die Abweisung nur auf Französisch zugeschickt worden. Biffiger intervenierte in Sitten und verlangte die Verfügung umgehend in seiner Muttersprache. Vergebens. «Es ist sicher nicht im Interesse des Gesetzgebers», so Biffiger, «dass man Schreiben und Urteile der Justiz in einer Fremdsprache und nicht in seiner Muttersprache erhält». Zumal beide Kantonssprachen in der Verfassung ja gleichgestellt seien. Auch mit diesem Anliegen will sich Biffiger nun ans Kantonsgericht wenden.
Beschuldigte haben Vorrang
«Nein», der Walliser Justiz fehle es nicht am Gespühr für die Zweisprachigkeit, meint Jean-Pierre Greter. Bei einem Verfahren gebe es aber klare Regeln, auch was die Verfahrenspsrache betrifft. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt erwähnt den Grundsatz, wonach ein Verfahren in der Sprache des Beschuldigten geführt werde. Folglich wurden bei der Anzeige Biffigers drei der fünf Regierungsmitglieder – darunter auch Oskar Freysinger – als französischsprechend betrachtet und die Regierung sitze in Sitten, so Greter, wo die Amtssprache vor allem Französisch sei. Kommt dazu, dass gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung nur die beschuldigte Person Anspruch auf eine Übersetzung hat – zumindest was den wesentlichen Inhalt der wichtigsten Verfahrenshandlungen betrifft (Art. 68). «Wenn zum Beispiel ein Unterwalliser einen Oberwalliser beschuldigen würde, wäre die Verfahrenssprache Deutsch», erklärt Greter und verweist zudem auf den administrativen Aufwand. Jedes Dokument zu übersetzten, käme dem Kanton teuer zu stehen. Und schliesslich sei es nicht selten die SVP, die sich im Grossrat mit dem Fordern nach Sparmassnahmen nicht unbedint zurück halte, wundert sich der Staatsanwalt.
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Kommentare
Franz - ↑6↓6
Hört doch auf zu jammern. Wir sind in der Minderheit. Wenn wir das Wallis voranbringen wollen, müssen wir mit dem Kleinkrieg Unter- gegen Oberwallis aufhören. Ein Grossrat sollte auch Französisch verstehen. Typisch SVP: Immer sparen und alles zusammenstreichen, dann aber jammern wenn der Staat dann Leistungen. Der Herr Biffiger soll sich jetzt damit abfinden, dass er die Abstimmung verloren hat.
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et_cetera - ↑4↓7
danke Franz
auch in dieser, manchmal nicht gerade höchst erfreulichen Zeit gibt es immer wieder Leute, die mich zum Lachen bringen können. Danke!
rollover - ↑10↓4
Typisch welsche Arroganz. Die sind doch nur zu faul um Deutsch zu lernen. Von den Oberwallisern wird immer Zweisprachigkeit verlangt. Aber bei den welschen ist das anscheinend nicht so. Die bringen da unten eh nichts auf die Reihe. wären wir Oberwalliser einen eigenen Kanton hätten wir die Probleme nicht.
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Einfacheiner - ↑10↓3
Erlebe das leider oft im Alltag: Ruft ein "Romand" an, wird ganz selbstverständlich vorausgesetzt, dass das Gegenüber französisch spricht (!) und zwar so schnell und perfekt, als wärs die eigene Muttersprache. Im umgekehrten Fall wird es geradezu als Affront und Frechheit empfunden, wenn man im Welschland telefoniert und (Hoch)deutsch spricht...
PS: Rund 70 bis 75% der Leute in der Schweiz Sprechen Deutsch... nur gerade 18 bis 20% Franz... Also bitte die Kirche im Dorf lassen!
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Andres - ↑15↓6
Diese Arroganz der Staatsanwaltschaft ist wohl nicht zu überbieten. PFUI
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Markus W. - ↑25↓13
Das ist die pure Französischsprachige Arroganz, wehe das würde man hier im Oberwallis oder Allgemein in der Deutschschweiz mit einem Romand machen, der Skandal wäre perfekt. Wir Oberwalliser und Allgemein Deutschschschweizer sind viel zu liebe und nachsichtig, es spricht kaum einer wirklich Deutsch, aber wir sollen gleich 3 oder 4 Sprachen perfekt beherrschen! Skandalös!
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