Interview | Morgen ist der Internationale Tag der Ergotherapie
«Wenn die Patienten die Therapie mit einem Lächeln verlassen können, dann bin ich zufrieden.»
Der in Brig praktizierende Ergotherapeut Frank Ortkemper gab in Hinbilck auf den morgigen Tag der Ergotherapie ein Interview. Und sprach dabei über die Herausforderungen, Schwierigkeiten und Highlights seines Berufes.
Frank, Ortkemper, inwiefern unterscheidet sich die Ergo- von der Physiotherapie?
«Die Physiotherapie mobilisiert kräftigt und massiert am Patienten. Die Ergotherapie arbeitet mit dem Patienten, vorrangig geht es darum, dass der Patient durch das Üben alltäglicher Bewegungsabläufe wieder in seinem häuslichen Umfeld und Arbeitsumfeld zurechtkommt. Aber generell nähern sich beide Berufsbilder einander immer mehr an und die Kommunikation während der Rehabilitation eines Patienten zwischen beiden Berufsgruppen wird für eine gute Therapie immer wichtiger.»
Sie bieten Hand- und Neurorehabilitation an. Was für Patienten kommen zu Ihnen?
«Zur Handtherapie kommen Patienten mit Verletzungen wie Knochenbrüchen, Qetschungen oder Sehnenrupturen und solche mit Erkrankungen wie Arthrose bzw. Arthritis oder komplexen regionalen Schmerzsyndromen (CRPS) wie MS- oder Schlaganfallpatienten die Probleme mit der Sensibilität oder Motorik haben.»
Wie sieht die Therapie eines Hirnschlag-Patienten aus?
«Das ist ganz unterschiedlich und individuell weil jeder Schlaganfall andere Spuren hinterlässt. Der eine Patient kommt aufrecht zu mir in die Praxis und benötigt nur leichte feinmotorische Übungen für seine rechte Hand, damit er das Geld aus der Geldbörse gezielt rausnehmen kann. Der zweite Patienten kommt mit dem Rollstuhl und benötigt viel Hilfe beim Transfer und Freisitzen auf der Therapiebank, der dritte Patient kann zwar laufen aber versteht nicht warum er links alles übersieht. Und es gibt noch viele andere Beispiele. Schwierig wird es, wenn der Patient motorische Probleme, beispielsweise eine Halbseitenlähmung und kognitive Probleme hat, zum Beispiel wenn er keine Orientierung, eine schlechte Merkfähigkeit, schlechte Konzentrationfähigkeit, Ausdauer-, Verständnis- und Sprachprobleme hat.»
Was tun Sie in solchen Fällen?
«Bei der Therapie ist dann zu beachten, dass ich den Patienten nicht überfordere und dass die Übungen für ihn Sinn machen und er sie eventuell auch zu Hause umsetzten kann, um bis zur nächsten Therapie eine Steigerung zu erreichen.»
Was für Fortschritte können bei einen Hirnschlag-Patient mit der Ergotherapie erzielt werden?
«Das ist je nach Schlaganfall unterschiedlich; der eine Patient geht selbständig wieder nach Hause, andere Patienten zeigen trotz Motivation kaum Verbesserungen und sind ständig auf Hilfe angewiesen. Aber man kann sagen: Je motivierter der Patient, umso eher kann man eine Verbesserung erwarten.»
Bei der Arbeit ist wohl sehr viel Fingerspitzengefühl nötig...
«Ja sehr. Wir müssen einerseits den Patienten so motivieren, dass er selbständig seine Übungen zu Hause macht und dementsprechend die Übungen nicht zu schwer und nicht zu leicht gestalten. Andererseits muss man manche Patienten auch schon mal etwas bremsen, weil sie zu motiviert sind und vielleicht zu viel kompensieren oder glauben, dass die Schmerzen dazugehören …»
Müssen Sie auch manchmal Patienten aufbauen, weil Sie besonders niedergeschlagen oder frustriert sind?
«Ja, das kommt leider auch vor. Dann muss man sich zusammensetzten und darüber reden, was das Problem ist. Die einen sind vielleicht Therapiemüde, benötigen mal eine Pause oder die Therapieziele müssen so gestaltet werden, dass der Patient wieder motiviert werden kann.»
Was sind Ihre persönlichen Highlights bei Ihrer Arbeit?
«Natürlich, wenn ich vom Patienten höre, dass er jetzt wieder mehr allein kann, weniger Schmerzen hat oder seine Finger, Hand oder den Arm besser bewegen kann. Aber bei MS- oder Parkinson-Patienten bin ich schon froh, wenn sie für mehrere Monate ihren Status halten können und es nicht schlechter wird. Wenn die Patienten die Therapie mit einem Lächeln verlassen können, dann bin ich zufrieden.»
Lesen Sie im Walliser Bote von heute, 26. Oktober, mehr über Ergotherapie und über das Schicksal von Cornelia Hagen. Sie erlitt vor acht Jahren einen schweren Hirnschlag und kämpfte sich mit unzähligen Therapiestunden zurück ins Leben.
Martin Schmidt
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