Politik | Von der Totalrevision des Polizeigesetzes profitieren die Behörden
Mehr Polizeimacht?
Wallis. Die Vernehmlassungsfrist für die Totalrevision des Walliser Polizeigesetzes ist abgelaufen. Der Gesetzesentwurf sieht für die Polizei unter anderem zusätzliche Kompetenzen im Bereich der verdeckten Überwachung vor.
In einem Punkt sind sich alle einig. Das kantonale Polizeigesetz, welches seit 1955 besteht, ist in die Jahre gekommen und muss erneuert werden. Eine Totalrevision des Gesetzes ist der richtige Weg. Doch an der Umsetzung scheiden sich die Geister. Die Verpflichtung zur Schaffung von Gemeindepolizeien sorgt insbesondere in den Bergdörfern für Unmut (siehe «Walliser Bote» vom 1. Juli 2015).
Doch nicht nur die auferlegte Schaffung von Gemeindepolizeien stösst auf Widerstand, sondern auch die Gesetzesartikel über die verdeckten Überwachungsmassnahmen, welche unter anderem den Einsatz von verdeckten Ermittlungen regeln und vorschreiben, wann und wo die Gesetzeshüter Bild- und Tonaufnahmen machen können. Der Widerstand gegen das neue Polizeigesetz kommt insbesondere von der Walliser Piratenpartei. Sie begrüsst zwar eine Totalrevision des Polizeigesetzes und schreibt auch, dass «einige Punkte dieser revidierten Fassung sehr gut gelungen sind».
«Willkürliche Polizeirepressionen»
Besonders sauer stösst den Walliser Piraten der Artikel 39 Präventive Observation auf. Darin steht unter anderem Folgendes: «Zur Verhinderung von Verbrechen oder Vergehen kann die Polizei vor Eröffnung eines Strafverfahrens Personen und Sachen an allgemein zugänglichen Orten verdeckt beobachten, Bild- und Tonaufzeichnungen machen und technische Mittel zur Lokalisation einsetzen (…) Hat eine Observation einen Monat gedauert, so bedarf ihre Fortsetzung der Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft.»
Der Co-Präsident der Walliser Piratenpartei, Christian Schnidrig, spricht Klartext: «Solche Kompetenzen stellen unbescholtene Bürger unter unnötigen Verdacht und öffnen Tür und Tor für willkürliche Polizeirepressionen.» Ausserdem sei es sehr problematisch, dass solche Massnahmen auch erst nach Monatsfrist überhaupt durch die Staatsanwaltschaft oder ein Zwangsmassnahmengericht legitimiert werden müssen.
Die Polizei darf filmen, der Bürger nicht
Ein weiterer strittiger Artikel im Gesetzesentwurf ist der Artikel 55 Bild- und Tonaufnahmen, welcher der Polizei erlaubt, Personen oder Personengruppen zu filmen oder zu fotografieren und deren Gespräche aufzunehmen. Solche Aufnahmen sind möglich bei Demonstrationen (um Ausschreitungen zuvorzukommen und die Beweismittel zu sichern), für die Regelung des Strassenverkehrs, zur Fahndung von Personen, zu statistischen Zwecken oder bei Situationen, wo die öffentliche Sicherheit nicht mit anderen Mitteln gewährleistet werden kann. Die Walliser Regierung erlässt bei solchen Massnahmen die Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg. Gemäss dem Entwurf bleiben das kantonale Gesetz und die Gemeindereglemente über die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Räume bestehen. Die Gemeinden werden dazu verpflichtet, ihre Videoaufnahmen der Polizei kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Die ganze Sache ist pikant, weil im neuen Polizeigesetz unter Art. 30 Wegweisung- und Betretungsverbot den Bürgern explizit verboten wird, Polizeieinsätze zu filmen oder zu fotografieren. «Das Filmen, das Fotografieren oder die Tonaufnahmen beziehungsweise das Verbreiten von derartigen Informationen gelten namentlich als Behinderung.» Kurz zusammengefasst: Die Polizei darf bei ihren Einsätzen filmen, der Bürger nicht. Damit ist Christian Schnidrig nicht einverstanden: «Ein solches Verbot von Foto-, Ton- und Videoaufnahmen bei Polizeieinsätzen darf aus unserer Sicht nicht eingeführt werden.» Dies darum, weil gemäss Schnidrig in der Vergangenheit Polizeiverfehlungen in Deutschland und Amerika nur dank solchen Aufnahmen von Drittpersonen aufgedeckt werden konnten.
Wird das Referendum ergriffen?
Der vorliegende Gesetzesentwurf muss vom Walliser Parlament noch beraten werden. Falls der Entwurf durchkommt, könnte es zu einem Referendum kommen. Schnidrig wollte sich gestern diesbezüglich noch nicht in die Karten blicken lassen. Fakt ist, dass die Piratenpartei Allianzen schmieden müsste, um die nötigen 3000 Unterschriften innerhalb der gesetzlichen Frist zusammenzubringen. Das dürfte keine einfache Aufgabe werden, wie die erstkürzlich gescheiterte Unterschriftensammlungfür das Referendum gegen das Hooligankonkordat gezeigt hat.
Michel Venetz
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