Wallis | 63 Suizide im vergangenen Jahr
«Völlige Isolierung ist erstes Alarmzeichen»
Mehr als 1000 Menschen nehmen sich in der Schweiz jährlich das Leben. Auch im Wallis sind die Zahlen alarmierend: 63 Personen haben sich im vergangenen Jahr für den Freitod entschieden.
Im vergangenen Jahr entschieden sich laut Kantonspolizei Wallis 63 Menschen für den Freitod – vier mehr als im Jahr davor – darunter 15 im Oberwallis; elf Männer und vier Frauen. 140 versuchte Suizide wurden verzeichnet. Zum Vergleich: Im selben Jahr kamen 17 Menschen im Strassenverkehr ums Leben.
Was sich laut Statistik der Kantonspolizei abzeichnet: Es sind vor allem Männer, die sich das Leben nehmen. Im vergangenen Jahr waren es 43 Männer und 20 Frauen. Knapp ein Drittel der Suizide (22) wurden von Personen begangen, die 65 Jahre alt und älter sind. Sterbehilfefälle sind hier miteingeschlossen. Nur eine Person war hingegen 18 Jahre alt oder jünger.
«Man versteht die Welt nicht mehr»
«Gang nit» ist eine Walliser Vereinigung für Menschen, die sich in akuter Lebensnot befinden oder die mit Mitmenschen Kontakt haben, welche von einer solchen Situation betroffen sind. In St. Maurice, Sitten und Brig existieren denn auch Angehörigengruppen. Dort können sich Menschen, die jemanden verloren haben, mit Gleichgesinnten austauschen.
Denn dies ist meist nötig: «Jemanden durch Suizid zu verlieren ist ein Riesenschock. Man versteht die Welt nicht mehr. Ein derartiger Verlust lässt sich nicht mit Verlusten durch Unfälle oder Krankheiten vergleichen», erklärt Christelle Bregy von «Gang nit». «Die Schmerzen sind so stark und tief, dass man Betreuung braucht und nicht selten auch Medikamente.»
«Jemanden durch Suizid zu verlieren ist ein Riesenschock»
Im vergangenen Jahr führte «Gang nit» im Oberwallis sechs Angehörigengruppen mit je vier Mitgliedern. Auch dieses Jahr besteht das Angebot, Teilnehmer hätten sich allerdings noch keine gemeldet. Bregy dazu: «Es gibt eine Differenz in der Mentalität zwischen Ober- und Unterwallisern, das ist mein persönliches Gefühl. Der Welsche sucht eher Hilfe, während der Oberwalliser versucht, mit seinen Problemen alleine fertig zu werden.»
Was Bregy hier anspricht: «Gang nit» – oder auf französisch «pars pas» – ist im Unterwallis viel präsenter als im deutschsprachigen Kantonsteil. Ein Blick in die Statistik zeigt: Im Jahr 2014 verzeichnete «Gang nit» 243 Interventionen. Die meisten Kontaktaufnahmen kamen dabei mit 72 Prozent aus dem Zentralwallis. Es folgte das Unterwallis, andere Kantone und das Ausland. Aus dem Oberwallis gingen im besagten Jahr nur 2 Prozent der Kontaktaufnahmen ein.
Helfernetz für akute Lebenskrisen
Im oberen Kantonsteil ist das seit 2008 bestehende «Netzwerk Krise und Suizid» unter der Leitung des Psychiatriezentrums Oberwallis (PZO) in der Suizidprävention tätig. «Dieses Netzwerk hat ein Helfernetz aufgebaut mit dem Ziel, Menschen mit grossem Leidensdruck oder in einer existenziellen Notlage und in akuten Lebenskrisen (z.B. Suizidalität) rechtzeitig zu erkennen, diesen beizustehen und zu helfen», wie Samuel Bischoff, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, Abteilung ambulante Psychiatrie, vom Psychiatriezentrum Oberwallis (PZO), erklärt.
Seit der Gründung hätten sich viele Helferinnen und Helfer aus den Bereichen Schule, Arbeit, Industrie (Human Resources), Sozial- und Pflegebereich, Altersbereich, aus öffentlichen (Notruf 144, Polizei) und kirchlichen Diensten in Kursen und Seminarien zum Thema Krise und Suizid durch diese Projektgruppe informieren und weiterbilden lassen.
1815.ch: Samuel Bischoff, wie kann man einer gefährdeten Person helfen?
Samuel Bischoff: «Helfen kann man insbesondere dadurch, dass Signale ernst genommen werden: Ein grosser Teil der suizidgefährdeten Menschen kündigen ihr Vorhaben an. Die weit verbreitete Meinung, wer über Suizid spricht, vollzieht ihn nicht, ist falsch und gefährlich. Bei vielen Menschen geht dem eigentlichen Suizidversuch eine Phase des Abwägens voraus. Diese gilt es zu erkennen und anzusprechen. Das sollte nicht tadelnd, sondern auf unterstützende Art und Weise erfolgen. Dabei sollte auch auf mögliche professionelle Hilfe durch den Hausarzt, das PZO, Psychiater und Psychologen hingewiesen werden.»
Welche Signale sind besonders alarmierend?
«Wenn sich jemand zurückzieht und keine andere Person mehr an sich heran lässt, muss das Umfeld, das heisst Eltern, Familienangehörige, aber auch Kolleginnen und Kollegen, Lehrpersonen und Arbeitgeber, hellhörig werden. Eine völlige Isolierung und Abschottung nach aussen hin sind erste Alarmzeichen und meistens ein stummer Hilferuf.»
Das vollständige Interview lesen Sie in der heutigen Ausgabe des «Walliser Boten».
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Kommentare
Petsch - ↑0↓0
99% der Leute sagen auf ein gäits "Güet" immer JA - stimmen tut es in 90% der Fälle eh nicht. Allgemein könnte man auf der Strasse Tod umfallen, in unseren Hektischen Ego Gesellschaft würde man sicher erst ein paar Stunden wenn nicht Tage später merken.
In Genf gab es vor paar Jahren ein Fall:
Zweieinhalb Jahre lang lag Michel Christen auf dem Sofa seiner Einzimmerwohnung in Genf. Nachbarn und Bekannte glaubten, er sei im Urlaub oder in der Kur. Als sein Briefkasten überquoll, wurde seine Post an den jeweiligen Absender zurückgeschickt. Irgendwann drehte der Energieversorger ihm den Strom ab, und der Eigentümer seiner Wohnung war kurz davor, eine Zwangsräumung zu beantragen. Als die Polizei schließlich die Tür zu Michel Christens Apartment aufbrach, entdeckte sie überall Ungeziefer - und mitten darin die sterblichen Überreste des 53-jährigen Schweizers, von dem nur noch Knochen, Haare und Zähne erhalten waren.
In SF gab es dazu eine Doku!
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