Friedensrichter | Mehr Ausbildung und einheitliche Entlöhnung als Ziel
Von der Schlichtungssitzung zur Testamentseröffnung
In Visp landen jährlich zwischen 25 und 30 Schlichtungsfälle auf dem Tisch des Friedensrichters. Schlichtungsverfahren sind aber nur ein Teil der Aufgaben eines Walliser Gemeinderichters, erklärt der Visper Kastlan Christophe Müller.
Schlichtungsverhandlungen, Wohnungsversieglungen und Testamentseröffnungen sind nur einige der zahlreichen Aufgaben, mit denen Walliser Friedensrichter im Alltag konfrontiert werden. «Es ist ein abwechslungsreiches und interessantes Amt, das auch viel Zwischenmenschliches mit sich bringt», sagt Christophe Müller, Friedensrichter in Visp und zugleich Präsident beim Oberwalliser Verband der Gemeinderichter und Gemeinderichterinnen (OVGR). Seit drei Jahren ist der Geschäftsführer von Procap Oberwallis inzwischen nebenamtlich als Gemeinderichter tätig. Ein Amt, das in Visp seit jeher mit der altehrwürdigen Bezeichnung Kastlan betitelt wird und, wie in anderen Gemeinden auch, alle vier Jahre bei den Gemeinderatswahlen neu besetzt wird.
Ausbildung und Entschädigung im Visier
Im Gegensatz zu anderen Regionen der Schweiz stehen im Oberwallis ausschliesslich nebenamtliche Friedensrichter im Einsatz – rund ein Drittel davon sind Frauen. «Während in anderen Kantonen Vollprofis angestellt sind, verfügen nur die wenigsten hiesigen Friedensrichter über eine juristische Ausbildung. Das muss aber nicht unbedingt negativ sein, da ja die Schlichtung im Vordergrund steht.» Der Verband, betont Müller, habe sich deshalb seit seiner Gründung im Jahr 2012 zum Ziel gesetzt, die Ausbildung zu verbessern und das Entschädigungswesen zu vereinheitlichen. Zwar liege die Ausbildung im Aufgabenbereich des zuständigen Bezirksgerichts. Der Verband wolle als Ergänzung aber künftig vermehrt den Erfahrungsaustausch fördern und zugleich Anlaufstelle für Richter und Bevölkerung sein.
«In einigen Gemeinden wird die Arbeit praktisch zum Gotteslohn ausgeführt, während in anderen nach Stundenansatz und wiederum in anderen pauschal abgerechnet wird», spricht der Visper Friedensrichter die unterschiedlichen Entschädigungsregeln im Oberwallis an. So oder so, reich wird man im Friedensrichteramt nicht. «Wegen des Geldes übernimmt man diese Aufgabe nicht. Mit dem Entgelt kann der Zeitaufwand kaum gedeckt werden», betont Müller, der für sein Amt ein Pensum von rund 20 Prozent und weitere 10 Prozent für den Einsitz in der KESB aufwendet. Gerade in grösseren Gemeinden mit mehr Fällen sei es künftig wohl unausweichlich, Teilpensen einzurichten, während in kleineren Orten mit weiteren regionalen Zusammenschlüssen wie im Goms gerechnet werden müsse, ist er überzeugt.
Schlichtungsquote bei einem Sechstel
Einen Teil der richterlichen Aufgaben machen die Schlichtungsverhandlungen aus, an denen jeweils auch ein Jurist als Schreiber anwesend ist. Die Verhandlungen betreffen ausschliesslich das Zivilrecht: etwa bei Vertragsbrüchen, Erbschaftsklagen, Haftpflichtfällen, in den meisten Fällen laut Müller jedoch bei offenen Forderungen. Eher selten seien hingegen Nachbarschaftsstreitigkeiten. Zumindest in Visp, wo in den letzten drei Jahren nur gerade ein Streit unter Nachbarn auf Müllers Tisch landete. Seit Einführung der neuen Zivilprozessordnung im Jahr 2011 nicht mehr vor dem Gemeinderichter landen Ehrverletzungen, die früher einen wesentlichen Teil der Schlichtungsfälle ausmachten. Diese fallen seither unter das Strafrecht.
Die Anzahl der Fälle in den letzten Jahren habe nicht wesentlich zu- oder abgenommen. «In Visp haben wir jährlich zwischen 25 bis 30 Fälle, was Schlichtungsgesuche anbelangt. Die Schlichtungsquote liegt dabei bei rund einem Sechstel.» Wie ein Blick in den Jahresbericht des Walliser Kantonsgericht zeigt, gelangten im Kanton im letzten Jahr 416 Fälle mit einer Forderungssumme bis 5’000 Franken vor die Friedensrichter, davon 113 im Oberwallis. Von 103 erledigten Fällen im oberen Kantonsteil endeten 28 durch eine Schlichtung, in 32 Verhandlungen wurde eine Klagebewilligung erteilt. Bei den höheren Forderungssummen kam es im Wallis zu 816 Schlichtungsverfahren. Von 124 Verfahren im Oberwallis wurden dabei 24 mit einer Schlichtung abgeschlossen.
Die Suche nach den Erben
Schlichtungsverhandlungen sind, wie Müller weiter erklärt, aber nur ein Teil der friedensrichterlichen Aufgaben. Ein weiterer zeitintensiver Aufgabenbereich umfasst etwa den Einsitz in der jeweiligen Kinder und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Hinzu kommen erbrechtliche Aufgaben, etwa durch Ausstellen von Erbbescheinigungen, Wohnungsversiegelungen oder Testamentseröffnungen. «Es wird heute immer schwieriger Bescheinigungen auszustellen, da die Namen häufig wechseln oder im Telefonbuch keine Nummern mehr auffindbar sind. Das ist dann teils wie Detektivarbeit.» So konnte Müller in einem besonders kniffligen Fall einen Erben nach längerer Suche gar erst via Facebook ausfindig machen.
pmo
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