Frontalinterview | Bern

«Der Grimseltunnel hat grosses touristisches Potenzial»

Peter Teuscher.
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Quelle: RZ 3

Für die BLS leitete Peter Teuscher seinerzeit den Bau des Lötschberg-Basistunnels. Jetzt steht der Bauingenieur an der Spitze der Grimselbahn AG, die mit einem Eisenbahntunnel das Goms mit dem Berner Oberland verbinden möchte

Herr Teuscher, Sie waren an vorderster Front dabei bei der Erstellung des Lötschberg-Basistunnels. Wieso jetzt, mit 73 Jahren, dieses Engagement für ein neues Tunnelprojekt?
Ich bin immer noch als Berater tätig und betreue diverse Projekte, auch im Ausland. Als man mich anfragte, ob ich Interesse hätte, das Projekt Grimseltunnel zu leiten, war ich zuerst sehr skeptisch. Doch nachdem ich mich intensiv damit auseinandergesetzt hatte, sah ich, was für ein interessantes Projekt das ist. Gerne setze ich dafür meine Erfahrung ein. Sobald ich aber sehe, dass das Projekt finanziert und gesichert ist, werde ich mich zurückziehen und das Geschehen von Weitem verfolgen.

Was reizt Sie am Projekt?
Ich sehe den Nutzen. Eine ganzjährige Bahnverbindung würde das Berner Oberland mit dem Goms verbinden. Heute haben wir ja sieben Monate lang keine Verbindung zwischen diesen beiden Regionen.

Eine Ganzjahresverbindung würde handfeste Vorteile bringen?
Der Grimseltunnel würde die Lücke zwischen den beiden Schmalspurbahnnetzen der Matterhorn Gotthardbahn und der Zentralbahn schliessen und verbindet die Montreux Oberland Bahn mit der Rhätischen Bahn. Diese Vernetzung birgt grosses touristisches Potenzial. Eine Studie der Hochschule St. Gallen rechnet mit jährlich 400 000 Passagieren und einer zusätzlichen regionalen Wertschöpfung von circa fünf Millionen Franken. Also ein langfristiger Gewinn für die Innerschweiz und die Gotthardregion. Attraktive touristische Verbindungen lassen sich realisieren.

Schon im 19. Jahrhundert geisterten Ideen rum für einen Grimseltunnel. Wieso wurde das Projekt jetzt wieder aktuell?
Wir haben eine einzigartige Konstellation. Swissgrid muss ihr Übertragungsnetz modernisieren und spannungsmässig verstärken. Insgesamt könnten so 121 Strommasten und 22 Kilometer Stromleitung abgebaut werden. Das wäre ein grosser Gewinn für die Grimsellandschaft. Mit einem gemeinsamen Projekt von Swissgrid und der Grimselbahn könnten so Synergien genutzt werden. Swissgrid muss die Modernisierung ihrer Leitungen bis 2025 abgeschlossen haben. Das schafft einen gewissen Zeitdruck.

Wie konkret ist das Projekt «Grimseltunnel»?
Swissgrid muss prüfen, in welcher Form sie mitmachen kann. Bei der Bahn ist die Finanzierungsfrage noch nicht gesichert. Solange die Finanzierungsfrage nicht geklärt ist, bleibt das Projekt unsicher.

Wird der Eisenbahntunnel auch ohne Swissgrid gebaut?
Die Grimselbahn alleine ohne Swissgrid ist schwierig zu finanzieren.

Die Gesamtkosten sollen 580 Millionen Franken betragen. Wer finanziert das Projekt?
Die Kosten werden nach dem Verursacherprinzip anteilmässig aufgeteilt zwischen Swissgrid und der Grimselbahn AG. Wer wie viel bezahlen muss, können wir jetzt noch nicht sagen. Die Finanzierung der Bahnkosten soll zu 100 Prozent über den Bahninfrastrukturfonds (Fabi) erfolgen. Die Kantone Bern und Wallis haben das Projekt beim Bundesamt für Verkehr entsprechend eingereicht.

Wie sieht der genaue Zeitplan des Tunnelprojekts aus?
Wir erstellen jetzt ein Vor- und Bauprojekt, welches bis Ende 2018 vorliegen sollte. Gleichzeitig laufen die Konzessions- und Plangenehmigungsverfahren. Das Ziel ist, 2019 die Baubewilligung zu erhalten. Die eigentliche Bauzeit bis zur Inbetriebnahme wird dann rund sechs Jahre dauern. Wir hoffen, den Grimseltunnel 2025 in Betrieb nehmen zu können.

Ist auch ein Autoverlad eine Option?
Nein, es ist ausschliesslich ein Tunnel für den Personenverkehr.

Wieso sah man vom Autoverlad ab, im Furkatunnel gibt es den auch?
Wir haben geprüft, ob auch ein Autoverlad oder Güterverkehr sinnvoll ist. Aus Sicherheitsgründen ist ein Autoverladebetrieb in einem einspurigen Tunnel heute nicht mehr möglich. Es ist übrigens auch kein Güterverkehr vorgesehen. Heute gelten viel strengere Sicherheitsanforderungen in Tunneln als früher. Wir wären verpflichtet, parallel neben dem Tunnel noch einen durchgehenden Evakuierungstunnel zu bauen. Dies würde die Investitionskosten derart verteuern, dass das Projekt nicht mehr finanzierbar wäre.

Was für Sicherheitsmassnahmen sind geplant?
Den 22,26 Kilometer langen Grimseltunnel haben wir in drei Teilstücke aufgeteilt. In Guttannen und in Handegg haben wir von der Seite her einen Zugang, das heisst eine Fluchtmöglichkeit. Insgesamt sind neun sogenannte Personenschutzräume in einem ungefähren Abstand von zwei Kilometern verbaut. In diesem Wartebereich können sich die Passagiere, geschützt vor Rauch und Hitze, bis zur Evakuierung sicher aufhalten.

Apropos Sicherheit. Um Synergien zu nutzen, will Swissgrid ihre Stromleitungen im Tunnel neben der Bahnlinie verlegen. Birgt das kein zusätzliches Gefahrenpotenzial?
Hochspannungsleitungen von 380 Kilovolt in einem so langen Tunnel neben der Bahnlinie zu verlegen ist eine Pioniertat. Gewisse Auflagen müssen berücksichtigt werden. Wir sind überzeugt, dass wir diese Schwierigkeiten lösen können. Bündelung von Infrastrukturen ist eine intelligente Sache!

Woher kommt eigentlich Ihre Begeisterung für den Tunnelbau?
Ich hatte von Beginn meiner beruflichen Tätigkeit an mit dem Tunnelbau zu tun. Es ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Mich faszinieren die Geologie, die Umweltfragen, die bei jedem Projekt wieder anders sind. Ich arbeite mit vielen verschiedenen Leuten zusammen wie Ingenieuren, Mineuren, Umweltspezialisten. Das macht das Ganze so spannend. Wenn gesprengt worden ist und man im Tunnelinnern steht, so ist man immer der erste Mensch, der sich an diesem Ort befindet. Man sieht den Fels, die Geschichte, wie er entstanden ist. Es ist eine Faszination.

Sie sind also immer auch im Tunnel drin, während der Arbeiten?
Natürlich. Nur dort lernt man und bekommt das Gefühl für die Interpretation der weiteren Projekte.

Im Gotthard-Basistunnel gab es zum Teil sehr schwierigen Fels. Wie sehen die Verhältnisse auf der Grimsel aus?
Der Vorteil des Grimseltunnels ist, dass er sich vollständig im Grimselgranit befindet. Wir haben darüber sehr viele Informationen. Es ist ein sehr gutes, hartes Gestein. Jeder Tunnelbau birgt zwar Risiken, aber das geologische Risiko beim Grimseltunnel ist gering.

Sie gehören auch zur Expertengruppe für den Weiterausbau des Lötschberg-Basistunnels. Bisher wurde ja nur eine Spur ausgebaut, obwohl eigentlich der Platz für eine zweite Spur da wäre. Wie geht es weiter?
Auch wenn der Lötschberg-Basistunnel nicht durchgehend zweispurig befahrbar ist, ist aus Gründen der Sicherheit neben der Betriebsröhre immer eine zweite Röhre als Fluchtröhre vorhanden. Auch wenn diese noch über keine bahntechnische Ausrüstung verfügt. Im Moment starten die Projektierungsarbeiten für den Weiterausbau. Es gibt zwei Varianten: Die eine ist, im Abschnitt von Ferden nach Mitholz, wo beide Röhren ausgebrochen, aber nur eine ausgerüstet ist, die andere auch bahntechnisch auszurüsten. Die zweite Variante, die studiert wird, ist, den gesamten Tunnel fertig zu machen. Dass man also auch zwischen Mitholz und Frutigen die Röhre noch heraussprengt. Das Parlament entscheidet 2018 im Rahmen des Fabi-Kredits, welche Variante zum Ausbau kommt. 2019/20 sollte mit dem Weiterausbau des Löschberg-Basistunnels gestartet werden.

Ende Februar entscheidet das Volk über den Bau einer zweiten Gotthardröhre. Was denken Sie darüber?
Die zweite Röhre muss gebaut werden, das ist gar keine Frage. Es war ein Fehler, dass man nicht schon beim Bau des Gotthard-Strassentunnels 1980 zwei Röhren erstellt hat. Man hat vier Fahrspuren von allen Seiten, vom Tessin, von Uri und zuoberst baut man ein Nadelöhr mit nur einer Röhre. Diese Fehlplanung muss man jetzt korrigieren.Wenn man heute einen Gotthard-Strassentunnel bauen möchte, könnte man ihn gar nicht mehr nur mit einer Röhre bauen. Man bekäme gar keine Baubewilligung mehr.

Die Gegner einer zweiten Röhre befürchten viel zusätzlichen Verkehr, wenn die Kapazitäten erhöht werden.
Man müsste zuerst die Verfassung ändern, denn diese erlaubt keinen vierspurigen Verkehr. Dann haben wir das Tropfenzählersystem, welches die Durchfahrt auf maximal 3000 bis 3500 Lastwagen pro Tag beschränkt, früher waren es bis zu 5000. Dazu muss der ganze Verkehr vom Norden bei Luzern durch den Sonnenbergtunnel. Dieser ist jetzt schon sehr stark ausgelastet. Da geht nicht mehr durch. Es existieren schon auf den Zufahrtsstrassen zum Gotthard natürliche Grenzen für das Verkehrsvolumen.

Durch den Bau von Verladestationen soll der Verkehr auf die Schiene verlegt werden, so die Gegner einer zweiten Röhre. Ist dies keine gute Idee?
Für mich wäre das falsch investiertes Geld. Man muss jetzt einfach den Mut haben, eine zweite Röhre zu bauen. Dies ist auch langfristig die sinnvollste Lösung.

Frank O. Salzgeber

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Infos

Zur Person

Vorname Peter
Name Teuscher
Geburtsdatum 22. Dezember 1943
Familie Verheiratet, zwei Söhne
Beruf Bauingenieur
Funktion Berater, Verwaltungsratspräsident Grimselbahn AG, Geschäftsführer Einfache Gesellschaft Grimseltunnel
Hobbies Sport, kochen, Arbeiten im Rebberg

Nachgehakt

Der Grimseltunnel wird pünktlich 2025 in Betrieb genommen. Ja
Der Lötschberg-Basistunnel sollte durchgehend zweispurig befahrbar sein. Ja
Das angrenzende Ausland hat im Verhältnis zur Schweiz seine verkehrspolitischen Hausaufgaben nicht gemacht. Joker
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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Kommentare

  • Baer - 131

    Ich finde die Idee super. Das ist nachhaltige Entwicklung. Der Bau würde dem Schweizer Tourismus auf globaler Ebene zusätzliche Möglichkeiten eröffnen. Die GANZE Schweiz braucht das dringend.

    Leider habe ich aber grosse Bedenken, wie es weiter geht. Da wird sicher wieder alles Mögliche und Unmögliche gegeneinander ausgespielt.
    Es hat bereits damit begonnen, dass der Grimseltunnel gegen den Bau des zweiten Gotthardstrassentunnels gestellt wird.
    Warten wir ab, bis die ersten Stimmen lauthals verkünden, der Ausbau des Lötschbergs hätte dann aber schon den Vorrang.
    Dann wird sich natürlich die NZZ gegen den Tunnel stellen, genau so wie sie gegen den Furkatunnel und jetzt gegen den 2. Tunnel am Gotthard stellt. (NB: WIe kann es sich eigentlich eine "internationale" Zeitung leisten, mit dem Geld der Abonenten gegen ein schweizer Projekt Propaganda zu betreiben?)

    Auf jeden Fall: Hochachtung vor dem Engagement von Herrn Teuscher.

  • Walker U. - 1811

    Endlich ein spannendes und nachhaltiges Projekt. Zweite Röhre am Lötschberg JA und Grimseltunnel JA. Dafür kann man auch gerne die Gotthard-Autobahn-4-Spuren-Röhren sich ersparen.

    • Baer - 126

      Warum muss jetzt wieder ein Projekt gegen das andere ausgespielt werden? Da schlägt einmal mehr der lokale Egoismus durch.
      Abgesehen davon, der Grimseltunnel soll aus dem FABI-Topf mitfinanziert werden. Der zweite Gotthardstrassentunnel aus dem Nationalstrassentopf. Wenn der Gotthardtunnel nicht gebaut würde, hätte das kenerlei Einfluss auf den Grimseltunnel.

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