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«Ich bin die richtige Person für eine neue Fifa-Ära»

Gianni Infantino.
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Gianni Infantino.
Foto: zvg

Gianni Infantino.
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Gianni Infantino.
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Quelle: RZ 0

Er will Nachfolger von Joseph S. Blatter werden. Der Briger Gianni Infantino (45) spricht über zwingende Änderungen in der Fifa, eine WM mit 40 Teams, Korruption im Wahlkampf und über die Chancen, morgen neuer Fifa-Präsident zu werden.

Gianni Infantino, morgen Freitag steht die Wahl zum Fifa-Präsidenten an. Wie stressig waren die letzten Tage und Wochen für Sie?
Ich bin in viele Länder gereist, um mich mit Verbandspräsidenten zu treffen. Dank dieser Gespräche hat meine Vision für die Zukunft der Fifa und des Fussballs konkretere Formen angenommen. Die Mitgliedsverbände sind das Fundament des Sports und jeder Verband hat seine besonderen Bedürfnisse. Wir müssen alle zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass diese Bedürfnisse berücksichtigt werden. Verbandsvertreter in ihrem Land zu treffen, ist der beste Weg, sie einzeln kennenzulernen und zu erfahren, wie sie vor Ort – unter schwierigen Umständen – versuchen, den Fussball weiterzuentwickeln.


Sie sind dazu rund um die Welt gereist. Innert zehn Tagen haben Sie 35 Flughäfen gesehen.
Es war eine anstrengende Zeit, doch fühle ich mich der Sache verpflichtet. Der Fussball hatte für mich stets oberste Priorität, und ich werde mich auch weiterhin unermüdlich dafür einsetzen, Veränderungen herbeizuführen, die Governance zu verbessern und eine neue Ära der Transparenz und Offenheit bei der Fifa einzuleiten. Ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, Menschen in ihrem eigenen Land zu treffen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie sie im Alltag leben und arbeiten.

Welche Ereignisse haben Sie während dieser Begegnungen am meisten beeindruckt?
Es ist wunderbar, die Begeisterung für den Fussball auf der ganzen Welt zu sehen, insbesondere in Regionen mit geringen Ressourcen und wenig Infrastruktur wie in Teilen Afrikas und der Karibik. Es ist berührend, die Fussballbegeisterung von Kindern und das Engagement jener zu sehen, die sich für das Wachstum und die Entwicklung dieses Sports einsetzen. Dies alles lässt meine Motivation, die erforderlichen Veränderungen bei der Fifa herbeizuführen, und das Leben dieser Menschen auf der ganzen Welt, ob Jung oder Alt, wirklich zu verändern, weiter wachsen.

«Der Fussball hatte für mich stets oberste Priorität»

Haben Sie auch Korruption in den Gesprächen mit den Mitgliedsverbänden gespürt?
Nein, diesbezüglich habe ich während meines Besuchs in den verschiedenen Ländern nichts gehört.

Warum wollen Sie eigentlich Fifa-Präsident werden?
Wir müssen den Fussball zurück zur Fifa und die ­Fifa zurück zum Fussball bringen. Ich habe mich für diese Kandidatur entschieden, um wirklich etwas zu verändern. Die letzten 15 Jahre habe ich bei der Uefa verbracht, sieben Jahre war ich Generalsekretär. In dieser Zeit habe ich dem Fussball stets oberste Priorität eingeräumt. Ich habe immer für unseren Sport gekämpft und mich für die Verbesserung der Wettbewerbe, die Steigerung der Einnahmen, die Bekämpfung von Diskriminierung oder dafür, dass die Uefa-Governance für alle Mitgliedsverbände – ob Gross oder Klein – gerechter wird, eingesetzt. Diesen Ansatz würde ich in die Fifa mitbringen, um eine funktionierende partizipative Demokratie mit Beteiligung sämtlicher Mitgliedsverbände am Entscheidungsfindungsprozess einzuführen. Die Wiederherstellung des Vertrauens in die Fifa ist zentral und dafür ist es unerlässlich, dass die Organisation und alle Beteiligten sich Reformen unterziehen, um zu gewährleisten, dass die Organisation ein moderner, glaubwürdiger und transparenter Weltdachverband wird. Diese Reformen müssen struktureller und kultureller Art sein und wir benötigen eine viel grössere Transparenz in Sachen Finanzmanagement.

Nennen Sie uns ein konkretes Beispiel.
Ich habe verschiedene Reformmassnahmen aufgezeigt, darunter die Bildung eines neuen Fifa-Rates; Amtszeitbegrenzungen für Fifa-Funktionäre, einschliesslich des Präsidenten; die Ernennung unabhängiger Vertreter in wichtige Fifa-Kommissionen; Transparenz bei der Vergütung der Fifa-Spitze; die Ernennung eines Chief Compliance Officers und die Einführung eines vollständig transparenten Ausschreibungsverfahrens für kommerzielle und operative Verträge. All diese Veränderungen werden die ­Fifa meines Erachtens auf den richtigen Weg bringen, um Glaubwürdigkeit und Integrität wiederherzustellen. Ich bin der Ansicht, die richtige Person zu sein, um die Fifa in eine neue Ära der Glaubwürdigkeit und Entwicklung zu führen.

Sind die 209 Mitgliedsverbände nach der «Causa Blatter» denn bereit, wieder einen Schweizer zu wählen?
Bei dieser Wahl muss der Fussball und nicht meine Herkunft im Mittelpunkt stehen. Deshalb konzentriere ich mich auch darauf, den Fussball wieder in den Vordergrund zu rücken und bei der Fifa Veränderungen herbeizuführen. Ich werde alle Fifa-Mitglieder, von den grössten bis zu den kleinsten, mit demselben Respekt behandeln. Dies gilt für meine Arbeit bei der Uefa und wird für meine Arbeit bei der Fifa gelten, sollte ich morgen Freitag gewählt werden. Ich hoffe aber schon, dass «Wallisertiitsch» auch in Zukunft die erste Amtssprache bleiben wird.

Sie kandidieren für die Uefa, hätten die Kandidatur jedoch aus Loyalität zurückgezogen, wäre Michel Platini doch noch angetreten. Wie war Ihr Kontakt zu ihm während des «Wahlkampfes»?
Meine Beziehung zu Michel Platini war stets sehr gut und wir sprechen auch jetzt noch über zahlreiche Dinge. Bei der Uefa haben wir deutliche Fortschritte erzielt hinsichtlich des Profils und des Erfolgs unserer Hauptwettbewerbe, der Steigerung der Einnahmen, die wir an die Verbände und Klubs ausschütten, wie auch wichtiger Reformen in verschiedenen zentralen Bereichen. Ich denke, dass alle europäischen Verbände mit den Errungenschaften der Uefa der vergangenen Jahre zufrieden sind und hoffe, dass ich in Zukunft dasselbe sagen kann, wenn ich auf die ersten Jahre als Fifa-Präsident zurückblicke.

«Wir müssen den Fussball zurück zur Fifa bringen»


Haben Michel Platini oder Joseph S. Blatter Ihnen Tipps für die «Wahlkampagne» gegeben?
Bei einer solchen Kampagne erhält man zahlreiche «Tipps» von verschiedenen Leuten, doch für mich ist es wichtig, mich auf meine Stärken und den Fussball zu konzentrieren.

Sie geniessen den Support von südamerikanischen Verbänden (10), jenen in Zentralamerika (7) und mehreren in Europa. Wie gross schätzen Sie Ihre Chancen ein, morgen gewählt zu werden?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf der Kampagne und bin den Konföderationen und einzelnen Verbänden aus zahlreichen Regionen der Welt, die ihre Unterstützung für mich bereits öffentlich bekannt­gegeben haben, sehr dankbar. Meine Kampagne hat eine positive Dynamik entwickelt.

Das Zünglein an der Waage bei der Fifa-Wahl morgen könnten die 54 Verbände in Afrika spielen. Diese dürften grösstenteils Scheich Salman bin Ebrahim Al Khalifa unterstützen. Was erhoffen Sie sich von den Verbänden Afrikas?
Ich hatte sehr positive Treffen mit Verbänden in Afrika und Asien und bin zuversichtlich, auch aus diesen Ländern bedeutende Unterstützung zu erhalten.

Sie sind für eine WM mit 40 Teams. Rütteln Sie damit nicht an einem bestehenden Fifa-Erfolgsmodell mit derzeit 32 Teams aus gleich vielen Nationen?
Die Fussball-Weltmeisterschaft ist eine einzigartige Veranstaltung, welche die ganze Welt alle vier Jahre einen Monat lang in ihren Bann zieht. Gleichzeitig ist sie das wirkungsvollste Instrument, um weltweit den Fussball zu fördern. Durch die Erweiterung um acht Teams würden wir acht zusätzlichen Ländern die Gelegenheit geben, das WM-Fieber noch direkter zu erleben, und das Teilnehmerfeld wäre noch vielfältiger. Natürlich müsste dies mit allen beteiligten Akteuren eingehend besprochen werden. Ich bin jedoch mehr als bereit, diese Diskussionen auf kons­truktive Art mit all jenen zu führen, denen der Fussball am Herzen liegt. Bei der Uefa war ich intensiv an der Erweiterung der EM-Endrunde von 16 auf 24 Teams beteiligt. Diese hat sich aus sportlicher, werbetechnischer und kommerzieller Sicht als grosser Erfolg erwiesen und ich bin überzeugt, dass wir etwas Ähnliches auch für die Fifa-Weltmeisterschaft erreichen können.

Sie sind ein Befürworter, eine WM nicht mehr nur in einem Land, sondern in Regionen auszuführen. Wie kam diese Idee bei den Mitgliedsverbänden an?
Ich denke, dass wir eine offene Debatte über die Möglichkeit führen sollten, die WM nicht nur in einem oder zwei Ländern, sondern in einer ganzen Region durchzuführen, um es verschiedenen Ländern zu ermöglichen, Spiele auszurichten und von den damit verbundenen Vorteilen zu profitieren. Zudem könnten Länder, die nicht über die Ressourcen verfügen, das weltweit grösste Turnier alleine auszurichten, sich ebenfalls als Gastgeber profilieren. Als wir beschlossen, die Euro 2020 in ganz Europa auszurichten, war das Interesse sehr gross und es bewarben sich 19 Mitgliedsverbände für 19 Städte um die Ausrichtung von Spielen.

«Ich hoffe, dass ‹Walliser­­tiitsch› die erste Fifa-Amtssprache bleibt»


Gianni Infantino, es wird über einen möglichen Deal zwischen Ihnen und Scheich Salman gemunkelt, der wohl Ihr schärfster Konkurrent sein wird. Schafft der Scheich die Wahl zum Fifa-Präsidenten, macht er Sie zum Fifa-Generalsekretär. Was steckt dahinter?
Ich habe bereits verschiedentlich bekräftigt, dass es keinen Deal gibt. Dies ist und muss ein demokratisches Wahlverfahren sein. Ich kandidiere um das Amt des Fifa-Präsidenten und glaube fest daran, dass ich die Fifa in eine deutlich bessere Zukunft führen kann.

Morgen Freitag findet in Zürich die Wahl zum neuen ­Fifa-Präsidenten statt. Es geht um die Nachfolge des Oberwallisers Joseph S. Blatter. Organisieren Sie, wie es Herr Blatter getan hat, auch ein Turnier in der Region, falls Sie Fifa-Präsident werden?
An meinem ersten Tag als Fifa-Präsident werde ich auf den Fussballfeldern beim Fifa-Sitz ein Turnier mit Vertretern der Mitgliedsverbände, Spielern, Kindern aus lokalen Vereinen sowie Medienvertretern organisieren. Ich setze mich mit aller Kraft dafür ein, den Fussball zurück zur Fifa und die Fifa zurück zum Fussball zu bringen, wobei dieses Turnier sinnbildlich für die neue Ausrichtung der Fifa stehen soll. Im Anschluss daran wird die harte Arbeit beginnen. Und dann schauen wir auch noch, was man in der Region machen kann, aber ich hab da schon ein paar Ideen.

(Das Interview wurde per E-Mail geführt)

Simon Kalbermatten

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Infos

Vorname Gianni
Name Infantino
Geburtsdatum 23. März 1970
Familie Verheiratet, vier Kinder
Beruf Rechtsanwalt
Funktion Uefa-Generalsekretär
Joseph S. Blatter ist mein Vorbild. Joker
Werde ich Fifa-Präsident, werden die Gehälter der Fifa-Spitze transparent. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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