Frontal | Patrizia Kummer

«Ich werde auch nach der WM nicht zurücktreten»

Patrizia Kummer: «Snowboardfahren bedeutet Spass und Leidenschaft.»
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Patrizia Kummer: «Snowboardfahren bedeutet Spass und Leidenschaft.»
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Patrizia Kummer bei einem Weltcuprennen.
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Patrizia Kummer bei einem Weltcuprennen.
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Sie ist Olympiasiegerin, dreifache Weltcup-Gesamtsiegerin und hat bisher sieben Kristallkugeln gewonnen. Patrizia Kummer (29) über ihre grosse Leidenschaft, die bevorstehende WM und das neu eröffnete Kaffeehaus.

Patrizia Kummer, wir sitzen in Ihrem Café «Hängebrigga» in Mühlebach. Wie viele Tassen Kaffee haben Sie heute schon getrunken?
Heute habe ich noch gar keinen Kaffee getrunken (lacht). Kaffee ist für mich ein Genussmittel, das ich nur gelegentlich trinke, aber dafür umso mehr geniesse. Momentan trinke ich mehr Tee.

Mit anderen Worten, Sie sind keine Kaffeetante?
Nein, nicht wirklich (grinst).

Obwohl Sie bei der Eröffnung Ihres Kaffeehauses betont haben, dass Sie guten Kaffee mögen und im Café «Hängebrigga» anbieten?
Wir haben auch guten Kaffee, auch wenn ich selber nicht regelmässig Kaffee trinke. Das war auch tatsächlich mit ein Grund, warum ich das Café «Hängebrigga» eröffnet habe. Und die Gäste schätzen den aromatischen Kaffee, den sie bei uns bekommen. Das zeigen auch die vielen Reaktionen.

«Ich mag es lieber, wenn das Gelände nicht steil ist»

Kommen wir zum sportlichen Aspekt. Der Saisonauftakt in Hochfügen und Carezza war sehr unterschiedlich. Wie sind Sie zufrieden mit dem Saisonauftakt?
Bei den Europacuprennen in Hochfügen habe ich gezeigt, dass ich schnell bin und mit der Spitze mithalten kann (2. und 3. Rang, Anm. d. Red.). Es waren auch gute Athletinnen am Start, auch wenn es kein Weltcuprennen war. In Carezza hingegen lief es nicht nach Wunsch (10. Platz). Bisher habe ich hier zweimal gewonnen. Ansonsten war ich immer weiter hinten klassiert. Aber ich mache mir da keinen Kopf. Es waren die ersten zwei Weltcuprennen und die Saison ist noch lang.

Die nächsten Rennen stehen in Bad Gastein, in Rogla und in Bansko an. Mit welchen Erwartungen gehen Sie an den Start?
Rangmässig will ich mich nicht festlegen. Ich konzentriere mich lieber auf meine Fahrweise und will mich in jedem Rennen technisch verbessern. Dann stellt sich der Erfolg von alleine ein.

Sie reden davon, sich technisch zu verbessern. In welchen Bereichen?
Es gibt immer Kleinigkeiten, die man noch verbessern kann. Dazu gehören unter anderem eine exakte Gewichtsverteilung oder die genaue Position auf dem Brett. Das nimmt der Zuschauer zwar nicht wahr. Aber für den Athleten selber ist es sehr wichtig, sich stetig weiterzuentwickeln, um möglichst schnell zu fahren.

Bevorzugen Sie eher ein steiles oder ebenmässiges Gelände?
Ich mag es lieber, wenn das Gelände nicht allzu steil ist, damit ich meine Technik ausspielen und carven kann. In Bad Gastein beispielsweise ist das Gelände sehr steil. Dadurch hat man fast keine Zeit, die technischen Finessen einzubringen. Trotzdem habe ich hier fünfmal gewonnen. Die Strecke in Rogla hingegen gefällt mir gut, aber ich schaffe es fast nie bis ins Ziel. Weil es ein relativ einfacher Hang ist, kann man hier volles Risiko nehmen. Das ist mir aber in den letzten Jahren immer wieder zum Verhängnis geworden und ich bin früher oder später ausgeschieden.

Vor zwei Jahren haben Sie sich von Ihrem Servicemann Luca Migliorini getrennt und ihren früheren Servicemann Tjesimir Peranic «Peru» in Ihr Team geholt. Warum haben Sie sich von Migliorini getrennt?
Das grosse Problem war die Verständigung. Luca Migliorini ist ein sehr netter Typ und ich habe mich sehr gut mit ihm verstanden. Leider war es aus sprachlichen Gründen nicht möglich, uns in technischen Angelegenheiten gut zu verständigen. Darum haben wir uns getrennt und ich habe «Peru» in mein Team geholt. Er begleitet mich schon seit vielen Jahren und macht eine hervorragende Arbeit.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, der Mannschaft den Rücken zu kehren und ein eigenes Team aufzubauen?
Ich habe schon vor den Olympischen Spielen in Sotschi viel alleine trainiert und «Peru» hat meine Bretter präpariert. Nach Olympia war ich müde und wollte nicht mehr alles alleine organisieren. Darum habe ich mich dazu entschlossen, ins Nationalteam zurückzukehren. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich dadurch nicht weiterkomme und dass dies ein Rückschritt ist. Darum habe ich mich dann entschieden, wieder selber die Verantwortung zu übernehmen und voll Gas zu geben. Daher habe ich mir «Peru», meinen langjährigen Betreuer aus der Nationalmannschaft, in mein Team geholt. Ich weiss, wie gut er arbeitet und was ich von ihm erwarten kann.

«Jede Kristallkugel hat ihren eigenen Wert»

Sie haben in der vergangenen Saison mit der kleinen Kristallkugel im Slalom Ihre insgesamt siebte Kristallkugel gewonnen. Wie ordnen Sie diesen Sieg ein?
Jede Kristallkugel hat ihren eigenen Wert, weil ich für jede eine entsprechende Leistung erbringen musste. Auch wenn ich mittlerweile auf einen grossen Palmarès zurückblicken kann, muss jedes Rennen zuerst gefahren werden. Entsprechend steht hinter jedem Sieg und jeder Kristallkugel eine ganze Menge Arbeit. Das macht den Sport aus.

Sie sind Olympiasiegerin, dreifache Weltcup-Gesamtsiegerin und mehrfache Schweizer Meisterin. Worauf sind Sie am meisten stolz?
Ein Gesamt-Weltcupsieg ist schon etwas Besonderes, weil es die Leistung eines Athleten über die ganze Saison widerspiegelt. Aber auch ein Olympiasieg ist natürlich schön. Ein Olympiasieg oder Weltmeistertitel ist insofern speziell, weil man am Tag X dem Druck standhalten und seine Topform abrufen muss. Das ist eine grosse Herausforderung.

Woher holen Sie Ihre Motivation?
Ich fahre Snowboard und das bedeutet mir Spass und Leidenschaft. Der Erfolg steht dabei nicht im Vordergrund. Das tönt jetzt zwar ein bisschen banal, ist aber so. Ich habe Spass an dem, was ich tue, und dabei stellt sich der Erfolg von alleine ein.

Sie fahren schon lange im Snowboard-Zirkus mit. Wird es mit zunehmendem Rennalter schwieriger oder einfacher, sich ganz vorne zu positionieren?
Wenn man körperlich fit ist, dann fällt es einfacher, mit der Spitze mitzuhalten. Ganz einfach darum, weil man von der Erfahrung zehren kann. Die jungen Wilden hingegen haben nichts zu verlieren und können dementsprechend voll auf Angriff fahren. Das ist für die älteren Fahrerinnen schwierig. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man zur Gejagten wird und sich gegen die starke Konkurrenz beweisen muss. Diesem Druck standzuhalten, ist nicht immer ganz einfach.

Sie sind nicht nur sportlich erfolgreich unterwegs, sondern sind dabei, den Master in Psychologie zu absolvieren. Inwiefern helfen Ihnen diese Kenntnisse im Spitzensport?
Es gibt ein paar Sachen, die man anwenden kann. Ich denke an die Motivationstheorien oder wie man Erfolg oder Misserfolg attribuiert. Das ist aber eher die Ausnahme. Das Grundstudium der Psychologie ist nicht auf den Sport ausgerichtet. Aber ich mache im Frühling noch ein Praktikum in Sportpsychologie.

«Snowboardfahren bedeutet Spass und Leidenschaft»

Im März stehen die Weltmeisterschaften in der Sierra Nevada an. Hier haben Sie vor zwei Jahren den Parallel-Riesenslalom an der Winteruniversiade gewonnen. Ein gutes Omen?
Das wird sich zeigen. Natürlich ist es schön, dass ich hier schon mal gewonnen habe. Aber es ist ein zweischneidiges Schwert und kann auch zu einer Belastung führen. Im Grunde genommen ist es aber egal, ob ich in der Sierra Nevada schon einmal gewonnen habe oder nicht. Wichtig ist einfach, dass ich am Tag X meine Leistung abrufen kann und ein gutes Rennen fahre. Ich lasse es auf mich zukommen. Ich bin ein Mensch, der im Jetzt lebt und nicht darüber nachdenkt, was ich in der Vergangenheit erreicht habe.

Ein Weltmeistertitel ist der einzige fehlende Titel in Ihrem Palmarès. Setzt Sie das zusätzlich unter Druck?
Ich lasse mich nicht unnötig unter Druck setzen, fahre ein Rennen nach dem anderen und werde mein Bestes geben. Aber natürlich wäre es schön, wenn ich den WM-Titel gewinnen könnte.

Im Oktober feiern Sie Ihren 30. Geburtstag…
(lacht) Ich feiere nie Geburtstag. Das ist ein Tag wie jeder andere.

Wie lange bleiben Sie dem Snowboard-Zirkus noch erhalten?
Das ist interessant, dass mir so viele Leute diese Frage stellen. Ich fahre sehr gerne Snowboard und hole im Sport meine Motivation. Solange mir das Spass macht, mache ich auch weiter. Ich lasse es auf mich zukommen. Aber ich werde sicher nicht mit 30 Jahren aufhören.

Ganz unabhängig davon, wie Sie an der WM abschneiden?
Natürlich, schliesslich folgen 2018 die Olympischen Spiele in Pyeongchang

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Patrizia
Name Kummer
Geburtsdatum 16. Oktober 1987
Familie ledig
Beruf Psychologiestudentin
Funktion Snowboardfahrerin
Hobbies Sport, Musik, Lesen, Freunde
An der WM in der Sierra Nevada hole ich die Goldmedaille. Joker
Im Kaffeehaus «Hängebrigga» gibts den besten Kaffee. Ja
Ich werde einmal als Sportpsychologin arbeiten. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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