Frontal | Damian Jerjen, Raumplaner

«Sanktionen durch den Bund hätten schwerwiegende Folgen»

Damian Jerjen: «Unsere Arbeit wird durch die Zweitwohnungsinitiative erleichtert.»
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Damian Jerjen: «Unsere Arbeit wird durch die Zweitwohnungsinitiative erleichtert.»
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Damian Jerjen: «Ich hoffe, dass es kein Referendum geben wird.»
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Damian Jerjen: «Ich hoffe, dass es kein Referendum geben wird.»
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Der oberste Raumplaner, Damian Jerjen, erklärt im Interview, was die neue Raumplanung für die Bodeneigentümer bedeutet, wer auf Entschädigungen hoffen kann und welche Herausforderungen auf die Gemeinden warten.

Damian Jerjen, bezüglich der neuen Raumplanung besteht einiges an Unsicherheit. Beginnen wir mit den Dimensionen, wie viel Bauland haben wir denn eigentlich zu viel?
Das Wallis weist rund 3000 Hektaren nicht bebautes Bauland für Wohnnutzung auf. Gemäss dem neuen Raumplanungsgesetz des Bundes dürfen die Bauzonenreserven den Bedarf der nächsten 15 Jahre nicht überschreiten. Überdimensionierte Bauzonen müssten reduziert werden. Dies wären im Kanton Wallis rund 2000 Hektaren.

Das heisst, wir werden diese 2000 Hektaren zurück­zonen müssen?
Nein. Unser Lösungsansatz sieht vor, dass die Baulandreserven für die nächsten 30 Jahre erhalten werden können. Es macht ja wenig Sinn, heute zurückzuzonen, was in 15 oder 20 Jahren wieder eingezont werden muss. Allerdings muss die Hälfte davon für 15 Jahre blockiert werden, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Das bedeutet, dass wir die Bauzonenreserven im Gesamtkanton effektiv um rund 1000 Hektaren reduzieren müssen.

Immer noch eine gewaltige Fläche. Wie gross werden die finanziellen Verluste durch die Rückzonungen sein? Oft hört man von Beträgen in Milliardenhöhe.
Aus meiner Sicht sind diese Beträge wesentlich zu hoch. Ein grosser Teil der Flächen, die zurückgezont werden müssen, liegt im Bereich von Naturgefahren oder es handelt sich um Chaletzonen, in denen aufgrund des Zweitwohnungsgesetzes keine Nachfrage mehr besteht. Diese Flächen haben wesentlich weniger Wert, als bebaubares Bauland durchschnittlich kostet.

In dem Fall müssen Sie als Chef der Dienststelle für Raumentwicklung ja froh sein, dass die Zweitwohnungsinitiative angenommen wurde.
Froh bin ich sicher nicht, da die Folgen für unseren Kanton sehr hart sind. Unsere Arbeit bei der Umsetzung der Raumplanungsgesetzes-Revision wird dadurch jedoch in der Tat erleichtert.

Wie viele Menschen werden denn direkt von Rück­zonungen betroffen sein?
In etwa 10 Prozent der Walliser Bevölkerung. Wobei es sich dabei um eine sehr grobe Schätzung handelt, da wir derzeit noch nicht genau wissen, welche Flächen dann effektiv zurückgezont werden.

Die Angst bei vielen Bodenbesitzern ist gross. Informiert man sich zu schlecht oder haben Sie Verständnis für die Besorgnis?
Ich verstehe die Ängste der Leute. Klar, viele Rück­zonungen werden nicht mehr überbaubare Flächen betreffen, es wird sicher auch schwierige Situationen geben. Diese versuchen wir aber mit unserem Ansatz möglichst zu vermeiden oder zu entschärfen. Es gibt aber noch ein anderes Problem.

Welches Problem wäre das?
Die demografische Entwicklung vieler Gemeinden. Es ist ja bekannt, dass die Bevölkerungsentwicklung vieler Gemeinden in den Randgebieten stagniert oder gar rückläufig ist. Auf der anderen Seite sind es oft genau diese Gemeinden, die überdimensionierte Baulandreserven aufweisen. Theoretisch wäre der Bedarf an Bauland für die nächsten 15 Jahre in diesen Gemeinden null. De facto hiesse dies, dass sämtliche Baulandreserven zurückgezont werden müssten.

Das wäre für diese Gemeinden aber ein gravierender Einschnitt.
Ja, darum haben wir in unserem Modell vorgesehen, dass auch diese Gemeinden einen gewissen Handlungsspielraum behalten, um sich entwickeln zu können. Der Bund hat unser Modell bereits als konform beurteilt. Davon werden insbesondere diese Gemeinden profitieren.

Kommen wir auf die Entschädigungen zu sprechen. Wer kann damit rechnen, Geld zu erhalten, wenn sein Land zurückgezont wird?
Grundsätzlich ist es so, dass ein Bodeneigentümer entschädigt wird, wenn die Rückzonung eine materielle Enteignung darstellt. Allerdings ist nicht jede Rückzonung eine materielle Enteignung. Das Bundesgericht hat bereits erste diesbezügliche Urteile gefällt. In einer Gemeinde, die überdimensionierte Bauzonen aufweist, handelt es sich bei der Reduktion der Baulandreserven oft nicht um eine Rückzonung, sondern um eine Nichteinzonung. Diese Nichteinzonung stellt keine materielle Enteignung dar. Entsprechend wird in solchen Fällen nicht entschädigt. Ein grosser Teil der 1000 Hektaren, die zurückgezont werden müssen, wird vermutlich unter solche Nichteinzonungen fallen. Zum Teil gibt es auch Gemeinden, die noch keinen Zonenplan haben, der dem alten Raumplanungsgesetz von 1979 entspricht. In diesen Gemeinden wird es sich grundsätzlich um Nichteinzonungen handeln.

Wie viele solcher Gemeinden gibt es im Oberwallis?
Im Oberwallis haben wir noch zwölf, vor allem kleinere Gemeinden ohne RPG-konformen Zonennutzungsplan.

Was ist, wenn es sich um eine materielle Enteignung handelt?
Dann wird man entschädigt.

Woher soll das Geld dafür kommen?
Das kantonale Ausführungsgesetz, welches im September im Grossen Rat beraten wird, sieht eine sogenannte Mehrwertabgabe vor. Diese funktioniert folgendermassen: Wenn irgendwo Land neu eingezont wird, steigt dessen Wert. Wird dieses bebaut oder verkauft, so muss eine Abgabe, gemäss Vorschlag des Staatsrates sind dies 40 Prozent, auf die Wertsteigerung bezahlt werden. Steigt der Wert des Bodens zum Beispiel von 5 Franken pro Quadratmeter auf 200 Franken, so muss also etwas weniger als 80 Franken pro Quadratmeter abgegeben werden. Dieses Geld wird zu gleichen Teilen auf die Gemeinde und den Kanton aufgeteilt. Der Kanton seinerseits nutzt dieses Geld für die bei materiellen Enteignungen zu leistenden Entschädigungen. Die Gemeinden können ihren Teil auch für andere raumplanerische Massnahmen verwenden.

Alle reden von Rückzonungen, Sie bringen nun Neueinzonungen ins Spiel. Wie passt das zusammen?
Es sind natürlich nur wenige Gemeinden, die neu einzonen können. Hauptsächlich sind dies die Gemeinden mit hohem Bevölkerungswachstum in der Talebene. Das vorgeschlagene Modell der Mehrwertabgabe sieht eine gewisse Solidarität zwischen den Gemeinden vor. Jene Gemeinden, die noch einzonen können, helfen jenen, die zurückzonen und entschädigen müssen.

Trotz all dieser Massnahmen gehen Sie davon aus, dass es in einigen Gemeinden zu grossen Problemen kommen kann. Was könnte passieren?
Jede Rückzonung muss in der entsprechenden Gemeinde vor die Urversammlung. Das heisst, dass die Bevölkerung das letzte Wort haben wird. Für die Gemeinderäte wird es sicher eine Herausforderung, den Stimmbürgern zu erklären, dass eine Rückzonung angenommen werden sollte.

Was würde denn passieren, wenn die Urversammlung Nein zu einer solchen Rückzonung sagen würde?
Dann müsste der Gemeinderat das Projekt nochmals überarbeiten und der Urversammlung erneut vorlegen. Würde die Urversammlung ein zweites Mal Nein sagen, so würde die Gemeinde die Hoheit über ihre Zonennutzungspläne verlieren und der Kanton müsste an ihrer Stelle entscheiden.

Und hinter allem steht der Bund mit erhobenem Zeigefinger …
Ja, wenn wir die Vorgaben des Bundesgesetzes zur Raumplanung im Wallis nicht einhalten und fristgerecht umsetzen, dann drohen Sanktionen. Diese Sanktionen hätten schwerwiegende Folgen für unseren Kanton. Zudem wäre die Unsicherheit sehr gross, wie dies bereits bei der Zweitwohnungsinitiative der Fall war. Dies gilt es zu vermeiden.

Was würde denn passieren?
Der Bund würde uns nach Ablauf der Übergangsfrist ab 2019 jegliche Neueinzonungen untersagen. Das wäre insofern hochproblematisch, weil es die Entwicklung im Kanton massiv einschränken würde. Setzen wir das Raumplanungsgesetz gemäss den Anforderungen des Bundes und fristgerecht um, können weiterhin Flächen eingezont werden, sofern diese kompensiert werden. Erfüllt der Kanton die Anforderungen nicht, wäre das nicht mehr möglich. Eine Gemeinde, die beispielsweise ein Stück Land für den Bau eines Sportplatzes oder eine Schulhaus­erweiterung einzonen möchte, könnte dies nicht mehr tun. Die Konsequenzen wären wie gesagt gravierend. Und die Signale aus Bern gehen klar in die Richtung, dass der Bund sehr genau hinschaut und auch bereit ist, diese Sanktionen auszusprechen.

In dem Fall dürfte Ihnen auch ein mögliches Referendum zum Gesetz, das der Grosse Rat im September berät, einige Bauchschmerzen bereiten.
Natürlich hoffe ich, dass es kein Referendum geben wird. Das Walliser Stimmvolk hat das Bundesgesetz ja mit 80 Prozent abgelehnt. Dass es ein paar Jahre später Ja zu einem entsprechenden kantonalen Gesetz sagen wird, ist eher unwahrscheinlich. Aber, betone nochmals, das Wallis muss sich dem Bundesgesetz anpassen, sonst kommen die Sanktionen aus Bern. Und da die Zeit drängt, wäre jede Verzögerung, ob nun durch ein Referendum oder eine Aufweichung des Gesetzes im Grossen Rat, sehr problematisch.

Sie sagen, die neue Raumplanung ist weniger schlimm für das Wallis als die Zweitwohnunginitiative. Warum?
Die Zweitwohnungsinitiative hat, mit einem faktischen Bauverbot für Zweitwohnungen, die Entwicklung praktisch blockiert. Die Folgen sind ja bereits spürbar. Das neue Raumplanungsgesetz hingegen lässt uns Handlungsspielraum, um die Entwicklung des Kantons voranzutreiben, sofern wir unsere ­Arbeit hier im Wallis richtig und termingerecht erledigen. Die Entwicklung wird durch das Raumplanungsgesetz nicht blockiert, sondern nach innen gelenkt. Das übergeordnete Ziel des Raumplanungsgesetzes ist es eigentlich, die Zersiedlung zu vermeiden und einen sparsamen Umgang mit dem Boden zu gewährleisten. Und das ist ja auch im Interesse eines Tourismuskantons, wo eine intakte Landschaft ein wichtiges Kapital darstellt.

Martin Meul

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Infos

Vorname Jerjen
Name Damian
Geburtsdatum 7. März 1973
Familie verheiratet, vier Kinder
Funktion Chef der Dienststelle für Raumentwicklung
Hobbies Lesen, Sport
Ich besitze persönlich auch Baulandreserven. Nein
Manchmal wünsche ich mir, ich wäre Chef einer anderen Dienststelle. Nein
Die neue Raumplanung ist für das Wallis schlimmer als die Zweitwohnungsinitiative. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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