Impfen | Debatte über Sinn und Unsinn

Soll man sein Kind impfen lassen?

Schaden oder nützen Impfungen? In der Diskussion stehen besonders Natürlichkeit und Nebenwirkungen im Fokus.
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Schaden oder nützen Impfungen? In der Diskussion stehen besonders Natürlichkeit und Nebenwirkungen im Fokus.
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Quelle: RZ 1

Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn von Impfungen wird von vielen Eltern intensiv diskutiert. Kinderarzt Simon Fluri und zwei Impfkritikerinnen legen ihre Argumente dar.

Die Diskussion, ob man sich und seine Kinder impfen lassen soll, hat in den letzten Monaten an Intensität zugenommen. Während die meisten Mediziner dringend dazu raten, seine Kinder impfen zu lassen, gibt es zunehmend mehr Menschen, die der künstlichen Immunisierung kritisch gegenüberstehen.

Erfolgsmodell Impfen?

Für Kinderarzt und Leiter der Pädiatrie im Spital Visp, Dr. Simon Fluri, ist klar – die Einführung des Impfens ist einer der Gründe dafür, dass die Menschen heute gesünder sind als früher, denn Kinderkrankheiten können auch heute noch zu schweren körperlichen und geistigen Behinderungen, sogar zum Tod führen. «Neben gewissen chirurgischen Eingriffen sind Impfungen sicher jenes medizinisches Mittel, das die Volksgesundheit am meisten verbessert hat», erklärt Fluri. «Andere Massnahmen, zum Beispiel onkologische Behandlungen oder Infektionstherapie mittels Antibiotika, sind längst nicht so erfolgreich.» Genau diese Aussage wird jedoch von vielen Impfgegnerinnen und Impfgegnern bezweifelt. Eve-Marie Biffiger, Mutter von drei nicht geimpften Kindern und Naturheilpraktikerin, hält Aussagen, dass Impfen massgeblich zur Verbesserung der Volksgesundheit beitrage, für zu kurz gegriffen. «Man spielt bei den Impfkampagnen mit den Ängsten der Eltern. Kinderkrankheiten bei gesunden Kindern heilen in der Regel komplikationslos aus, die verbesserte Volksgesundheit geht dabei hauptsächlich auf eine bessere Hygiene, bessere Lebensbedingungen und ausgewogenere Ernährung zurück», sagt sie. «Ich würde mir eine bessere Aufklärungsarbeit wünschen, denn wenn man sich mit diesen Krankheiten auseinandersetzt, so sieht man, dass diese gar nicht so gefährlich sind, wie immer behauptet wird.» Das Problem liege vielmehr darin, wie mit den Krankheiten umgegangen werde, findet die Naturheilpraktikerin. «Es findet keine ganzheitliche Behandlung der Krankheit statt», sagt Eve-Marie Biffiger. «Viel zu schnell wird beispielsweise auf fiebersenkende Mittel zurückgegriffen oder ein Ausschlag unterdrückt. Die Komplikationen entstehen dann oft durch diese falsche Behandlung der Krankheit.» Nach Biffigers Erfahrung führt dies dazu, dass gar ein gegenteiliger Effekt erreicht wird. «Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht, dass nicht geimpfte Kinder allgemein deutlich gesünder sind als geimpfte», sagt die Naturheilpraktikerin. «Betrachtet man dies, so muss man sich schon die Frage stellen, was die Impfungen bringen sollen.» Kinderarzt Simon Fluri sagt dazu: «Sicher überlebt die Menschheit auch ohne Impfungen. Mit der Impfung wird aber eine grössere Chancengleichheit hergestellt.» Das Argument, dass nicht geimpfte Kinder gesünder seien als geimpfte, kann der Kinderarzt dabei nicht gelten lassen. «Das ist eine Glücksache», sagt Fluri. «Die Fehleinschätzung liegt dabei oftmals darin, dass persönliche Erfahrungen verallgemeinert werden.»

Nicht natürlich?

Ein Grund, warum Eve-Marie Biffiger Impfungen ablehnt, sind die in den Impfpräparaten enthaltenen Zusatzstoffe, wie zum Beispiel Aluminium. «Dass man Kindern solche Stoffe absichtlich zuführt, ist für den Organismus der Kinder eine grosse Belastung, weshalb ich Impfungen sehr kritisch gegenüberstehe», erklärt die Naturheilpraktikerin. Dass Impfungen nicht natürlich sind, sehe man auch an einem anderen Beispiel, ergänzt dazu Homöopathin Oliva Kuonen. «Im Normalfall sind Kinder während der Stillzeit durch die Aufnahme der Muttermilch vor Kinderkrankheiten geschützt», sagt sie. «Wurde die Mutter aber als Kind selbst geimpft, so fällt dieser ‹Nestschutz› weg. Daran sieht man, dass man mit Impfungen stark in ein natürliches System eingreift und dieses sogar aushebeln kann.» Kinderarzt Simon Fluri hält zum Punkt Natürlichkeit fest, dass es sich bei einer Impfung in der Tat nicht um einen natürlichen Vorgang handelt, es gehe dabei allerdings auch um ein Training des Immunsystems. «Klar ist auch, dass solche Eingriffe mit Nebenwirkungen verbunden sind», sagt der Kinderarzt. Allerdings müsse man sich immer die Frage nach Risiken und Nutzen stellen und da sei wissenschaftlich belegt, dass der Nutzen von Impfungen die Risiken deutlich übersteige. «Grundsätzlich bin ich aber der Überzeugung, dass es gut ist, wenn sich Eltern kritisch mit Impfungen auseinandersetzen», sagt Simon Fluri. «Schlussendlich muss es eine freie Entscheidung sein, ob man sein Kind impfen lässt oder nicht.» Von einem Impfzwang wie in Frankreich, wo beispielsweise nur geimpfte Kinder einen Kita-Platz erhalten, hält der Pädiater darum nichts.

Streitpunkt Nebenwirkungen

In der Diskussion um das Impfen der Kinder werden immer wieder Argumente ins Feld geführt, dass Impfen teilweise starke Nebenwirkungen zur Folge haben kann. Dass Impfen Nebenwirkungen hat, steht für Kinderarzt Fluri ausser Frage. «Die Hauptnebenwirkung ist sicher der Schmerz, der durch den Einstich entsteht», sagt der Mediziner. «Dann kann es aber unter anderem auch zu lokalen Rötungen, Fieberschüben oder in sehr seltenen Fällen auch zu einem allergischen Schock kommen.» Darum würden Impfungen aber auch in der Praxis und nicht zu Hause vorgenommen. «Kommt es tatsächlich zu einem solchen Extremfall, so kann in der Praxis adäquat darauf reagiert werden», sagt Fluri. Homöopathin Oliva Kuonen verweist aber auch noch auf viel gravierendere Impffolgen. «In letzter Zeit wurde viel darüber berichtet, dass Impfungen Asthma, multiple Sklerose, Autismus oder andere neurologische Schäden auslösen könnten», sagt sie. Kinderarzt Fluri hält dagegen. «Medizinisch konnte bis jetzt kein Beweis erbracht werden, dass Impfen in direktem Zusammenhang mit solch schwerwiegenden Erkrankungen steht», sagt er. «Diese Krankheiten treten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf. Gleichzeitig ist die Durchimpfrate recht hoch.» Daher werde dann der fälschliche Schluss gezogen, dass Impfen diese Krankheiten auslösen könne. Oliva Kuonen sieht in dieser Aussage jedoch ein Problem. «Bis anhin fehlt es an gross angelegten Studien, die sich mit solchen Impfschäden befassen, da weder die Medizin noch die Pharmaindustrie ein Interesse daran haben, diese Zusammenhänge zu untersuchen.» Dem entgegnet der Kinderarzt jedoch, dass Komplikationen im Zusammenhang mit Impfen den Behörden jeweils gemeldet und auch ausgewertet würden, eine grössere Feldstudie sei aufgrund der Menge an erhobenen Daten jedoch nicht vorstellbar. Das stösst bei Naturheilpraktikerin Eve-Marie Biffiger auf Kritik. «Viele dieser Impfschäden treten aber erst nach Jahren auf», sagt Naturheilpraktikerin Eve-Marie Biffiger. «Die Meldung eines Fieberschubs direkt nach der Impfung hilft da wenig, um die langfristigen Auswirkungen des Impfens zu untersuchen.»

Wie gross sind die Konsequenzen?

Ganz grundsätzlich weist Simon Fluri in der ganzen Debatte darauf hin, dass das Nichtimpfen der Kinder teilweise weitreichende Konsequenzen haben kann. «Wird zum Beispiel nicht gegen Keuchhusten geimpft und es kommt zu einer Ansteckung, so hat das Auswirkungen auf die ganze Familie», erklärt der Kinderarzt. «Vermutlich wird ein zweijähriges Kind nicht an Keuchhusten sterben, es ist allerdings über Wochen ansteckend und kann deshalb nicht in die Kita. Das kann dann schon einmal zu einer Belastungsprobe für die Familie werden, vor allem wenn dadurch auch berufliche Interessen zurückgestellt werden müssen.» Zudem gelte es auch immer zu berücksichtigen, dass man mit einer Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschen schütze. «Kinder, deren Immunsystem angeschlagen ist oder die eine Chemotherapie machen müssen, können nicht geimpft werden», sagt der Kinderarzt. «Daher ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen geimpft sind, damit diese Kinder durch den ‹Herdenschutz› geschützt sind.» Dieses Argument kann Homöopathin Oliva Kuonen nur bedingt gelten lassen. «Ein Kind, dessen Immunsystem dermassen angeschlagen ist, wird wohl kaum einfach so einer Umgebung ausgesetzt, in der die Gefahr einer Ansteckung mit den gängigen Kinderkrankheiten besteht», sagt sie. Dem widerspricht jedoch Simon Fluri. «Eine solche Isolation von gefährdeten Personen ist in der Realität schlicht unmöglich. Schwer kranke Menschen sind auf den Herdenschutz angewiesen. Anderenfalls, was wir leider schon erleben mussten, können solche angeschlagenen Patienten durch die Infektion mit einer Kinderkrankheit sterben.»

Wie lebt es sich als Impfgegnerin?

Bei einer Durchimpfrate von fast 90 Prozent im Oberwallis stellen Menschen wie Eve-Marie Biffiger und Oliva Kuonen eher die Ausnahme dar. Entsprechend sind die Reaktionen auf ihre Ablehnung des Impfens recht unterschiedlich. «Es gibt viele Leute, die erst einmal sehr skeptisch darauf reagieren, dass meine Kinder nicht geimpft sind», sagt Biffiger. «Viele sind aber durchaus bereit, sich meine Argumente anzuhören, und sind anschliessend doch etwas offener.» Schwieriger sei es im Umgang mit medizinischem Personal. «Wenn ich mit meinem Kind wegen einer Verletzung ins Spital muss und mich gegen eine Tetanusimpfung wehre, bin ich ganz schnell das schwarze Schaf und werde auch richtig angegriffen», berichtet die Naturheilpraktikerin. In diesen Erfahrungen ortet Biffiger auch einen Grund, warum viele Leute ihre Kinder trotz Bedenken impfen lassen würden. «In solchen Momenten braucht man ein dickes Fell und einiges an Selbstbewusstsein, um zu seinen Überzeugungen zu stehen», sagt Biffiger. Wie gross der Druck auf Impfkritiker sein kann, weiss auch Oliva Kuonen zu berichten. «Wir vom Impfkreis Oberwallis wollten im Kino den impfkritischen Film ‹Vaxxed – die schockierende Wahrheit› zeigen», sagt sie. «Die Verleihfirma riet dem Kino von einer öffentlichen Vorführung ab, da man sonst mit vielen negativen Reaktionen rechnen müsste. Solche Gegebenheiten machen schon nachdenklich.» Der Impfkreis Oberwallis will den Film in nächster Zeit aber dennoch zeigen. «Allerdings im privaten Rahmen für alle Interessierten», sagt Oliva ­Kuonen

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Kommentare

  • Arthur Heinzmann, Visp - 296

    Ob Eltern ihre Kinder impfen lassen wollen oder nicht, liegt in derer Verantwortung und Entscheidung. Egal wofür sie sich entscheiden, sie tragen die Konsequenzen.
    Allerdings finde ich es etwas arrogant und überheblich, davon ausgehen zu wollen, dass Eltern, die ihre Kinder - nach genauerer Abklärung von Pro und Contra - impfen lassen, als Eltern darzustellen, denen jegliches Selbstwertgefühl abhanden gekommen ist.

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