Portrait | Jean-Noël Loretan hat den Himmel im Blick

Traumberuf Fluglotse

Jean-Noël Loretan an seinem Arbeitsplatz im Flugsicherungszentrum von Dübendorf.
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Jean-Noël Loretan an seinem Arbeitsplatz im Flugsicherungszentrum von Dübendorf.
Foto: RZ

Blick aus dem Flughafen-Tower in Zürich-Kloten.
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Blick aus dem Flughafen-Tower in Zürich-Kloten.
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Quelle: RZ 0

Jean-Noël Loretan entgeht kein Flugzeug, das in der Schweiz landet oder sie auch nur überfliegt. Trotzdem sieht er die Sonne bei seinem alltäglichen Blick in den Himmel nur selten.

Sein Job sei wenig kreativ, dafür aber sehr dynamisch, erzählt der 44-jährige Leuker Jean-Noël Loretan. «Es ist wie bei einem Strategiespiel. Man muss weit vorausdenken. In Notsituationen braucht es aber oft noch ein paar Gedanken mehr», betont er. Der Schreck vom Abend des 1. Juli 2002, als über dem deutschen Überlingen zwei Flugzeuge kollidierten, veranschaulicht das nachdrücklich. Diesen Tag vergisst Loretan nie mehr. «Ich spürte die Betroffenheit und die getrübte Stimmung überdeutlich, als ich an jenem Morgen nichts ahnend zur Arbeit kam», erinnert er sich.

20-Jahr-Dienstjubiläum

Grundsätzlich darf den Fluglotsen von Skyguide kein Flugzeug, das über der Schweiz fliegt, ent­gehen. Weder Flugzeuge, welche die Schweiz lediglich überfliegen, noch diejenigen, die in Zürich, Genf, Bern oder Basel, aber auch im deutschen Friedrichshafen starten und landen. Der Luftraum über dem Genfer Flughafen wird allerdings von Genf aus überwacht. Nächstes Jahr wird Loretan bereits sein 20-Jahr-Dienstjubi­läum feiern. Nach einer einjährigen Ausbildung arbeitete er erst als Fluglotsen-Assistent. Dabei musste er einige Tests überstehen und sowohl sein dreidimensionales Vorstellungsvermögen unter Beweis stellen als auch unter Stress richtig funktionieren. Dann erst wurde er für die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Fluglotsen zugelassen. Schon nach dem ersten Jahr galt es, erneut Weichen zu stellen. Als «Tower-­Approach» wäre sein Arbeitsplatz der auffällige Turm am Flughafen geworden, Loretan aber entschied sich für eine Ausbildung, die ihn ins Area-Control-Center von Dübendorf geführt hat. Trotzdem arbeitet er etwa drei- bis viermal pro Monat im Flughafen-Tower von Zürich-Kloten, von wo aus er Piloten mit ihren Flugzeugen auf die Startpisten schickt und seine Kollegen Start- und Landefreigaben erteilen. Hier gilt es vorausschauend zu denken. Wenn etwa ein schweres Flugzeug in Richtung Süden startet, darf kein anderes von Norden her landen. «Es kann immer mal vorkommen, dass ein Pilot durchstarten muss, was dann zu einem Konflikt in der Luft führen könnte», erklärt Loretan. Im Allgemeinen empfindet Loretan die Arbeit im Tower weniger abwechslungsreich als die Arbeit im Flugsicherungszentrum von Dübendorf. Die Fluglotsen im Tower hätten oft nur wenig Spielraum, in dem sie sich bewegen dürfen, was namentlich mit politischen Restriktionen rund um den Fluglärmstreit am Zürichsee zusammenhängt.

Viel Verkehr in der Luft

Im Area-Control-Center begegnen Loretan dagegen auch Flugzeuge, die von regionalen Flugplätzen aus starten oder Fluggesellschaften, welche die Schweiz lediglich queren, planmässig aber nie landen. Dafür erfolgt der alltägliche Blick in den Himmel sieben Stunden lang täglich von einem fensterlosen Raum aus mit vielen Bildschirmen. Grundsätzlich bewegen sich Flugzeuge auf fest vorgegebenen Luftstrassen. Eng wird es über dem Gotthard – der praktisch einzigen Nord-Süd-Route. In einem 25 Kilometer schmalen Korridor fliegen Flugzeuge von Norden nach Süden oder umgekehrt, dazwischen bewegen sich aber auch noch diejenigen, die sich bereits im Landeanflug auf Zürich befinden. «Grund für die Enge ist der Luftraum über Graubünden im Osten und dem Wallis im Westen, der zu Bürozeiten fast ausschliesslich vom Militär beansprucht wird», erklärt Loretan. Das hat zur Folge, dass etwa Linienflugzeuge, die von Genf nach Lugano verkehren, einen Umweg über das Mittelland fliegen müssen. Nur an Wochenenden oder wenn das Militär mal den Luftraum freigibt, darf Loretan ein solches direkt am Walliser Himmel fliegen lassen. Auch Passagierflugzeuge, die in Sitten landen sollen, dürfen nur direkt fliegen, wenn das Militär den Luftraum über den vorgeschriebenen imaginären Anflugpunkten im Aletschgebiet und über Crans-Montana nicht braucht.

Nur noch selten im Wallis

Weil bei Skyguide während 24 Stunden im Schichtbetrieb gearbeitet wird, dazu auch an Wochenenden, kann Loretan nur selten ins Wallis zurückkehren – meist nur in den Ferien. «Dank meiner Frau, die aus Lalden stammt, bleibt mir aber wenigstens mein Dialekt erhalten», schmunzelt er. Weil die Arbeit als Fluglotse sehr anspruchsvoll, geistig fordernd und stressig ist, dürfen Fluglotsen aber schon mit 55 Jahren in Pension – und vielleicht nach Hause zurückkehren.

Christian Zufferey

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