Region | Wird der Grimseltunnel letztlich zugunsten eines Vollausbaus des Lötschbergtunnels geopfert?

Wird die Grimsel zum taktischen Bauernopfer?

Fahren ab Oberwald schon bald Züge oder sich selbst steuernde Elektroautos durch die Grimsel?
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Fahren ab Oberwald schon bald Züge oder sich selbst steuernde Elektroautos durch die Grimsel?
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Walliser, Berner und sogar Innerschweizer Politiker wollen einen Eisenbahntunnel durch die Grimsel bauen. Nur einen Monat, nachdem Doris Leuthard den Vollausbau des Lötschbergtunnels aufs Abstellgleis gestellt hat.

Die Idee eines Alpenkreuzes, wodurch Meiringen und Airolo mit dem Schienennetz der Matterhorn Gotthard Bahn verbunden würden, ist nicht neu. Ein 5,2 Kilometer langes Überbleibsel dieser Idee ist in Form des Bedretto-Fensters sogar noch vorhanden. Dieses diente beim Bau des Furkatunnels noch dem Materialtransport, kann heute aber weder als Rettungsstollen noch für den Unterhalt genutzt werden.

Grimsel-Manifest

Nun aber wollen namhafte Politiker auch wieder die fast schon tot geglaubte Idee eines Eisenbahntunnels durch die Grimsel vorantreiben. Ende Oktober haben die beiden Co-Präsidenten Barbara Egger-Jenzer, SP-Regierungsrätin vom Kanton Bern, und alt Staatsrat Jean-Michel Cina sowie die Nationalräte Viola Amherd und Thomas Egger, Ständerat Beat Rieder und alt Ständerat René Imoberdorf sogar ein Unterstützungskomitee gegründet und ein Manifest unterzeichnet, um das Grimselprojekt in den Eisenbahn-Ausbauschritt 2030/35 aufzunehmen.

Nur einen Monat zuvor hat Bundespräsidentin Doris Leuthard jedoch schon ihre Vorstellung zum Ausbau der Schweizer Eisenbahninfrastruktur bekannt gegeben, bei dem einmal mehr vor allem Zürich profitiert und der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels (LBT) ebenso auf der Strecke bleibt, wie der zwei Milliarden Franken teure Durchgangsbahnhof in Luzern.

Umso mehr mag es erstaunen, dass sich selbst Politiker aus Ob- und Nidwalden für das Projekt Grimselbahn einsetzen. Welches Interesse hat Obwalden an einer umsteigefreien Eisenbahnverbindung ins Goms? Der Obwaldner CVP-Nationalrat Karl Vogler und Mitunterzeichner des Grimsel-Manifests antwortet: «Primär ist wichtig, was der Schweiz gesamthaft am meisten nützt, das heisst konkret asiatische und amerikanische Touristen erst mal in die Schweiz zu holen, dann haben auch die Regionen etwas davon.»

Taktisches Bauernopfer?

Sawiris-Gäste dürften jedoch die einzigen sein, die dank eines Grimseltunnels schneller von Andermatt in die Jungfrau-Region gelangen, wobei sie das Oberwallis ebenso wie Obwalden links liegen lassen. Allerdings, so der Visper Nationalrat Thomas Egger, «würde die Grimselbahn auch neue Rundreisen durch das Herz der Schweiz ermöglichen». Gleichzeitig betont er aber, dass der LBT-Ausbau Priorität habe.

Dass die Grimsel so gesehen nur als taktisches Bauernopfer herhalten muss, das man opfern kann, um am Ende Projekte am Lötschberg und in Luzern zu realisieren, glaubt Egger nicht, wohl aber der Briger Hotelier Peter Bodenmann. Allerdings sieht er sogar zwei Tote, nämlich auch den Lötschberg-Ast. Zumal «ein Halbstundentakt zwischen Brig und Bern heute schon möglich wäre, würde man die Güterzüge über die Gotthard- und Luino-Linie zurück auf die Simplon-Linie leiten.»

Lobbyieren für zwei Projekte

Co-Präsident Jean-Michel Cina hält es gleichwohl für angebracht, gleichzeitig für das Grimselprojekt als auch für den LBT zu lobbyieren. «Beim Lötschberg geht es darum, Kapazitätsprobleme zu beheben, die Grimsel bringt vor allem touristischen Mehrwert, weil mehrere Schmalspur-Eisenbahnnetze miteinander verknüpft würden», begründet Cina seine Haltung.

Da an der Grimsel ohnehin gebohrt werden müsse, um eine unterirdische Stromleitung zu bauen, sei die Realisierung der Grimselbahn eine einmalige Chance. Bei grob geschätzten Kosten von 490 Millionen Franken, die allein ein 22 Kilometer langer Kabelstollen durch die Grimsel kosten würde, wäre der Eisenbahntunnel so gesehen sogar noch für «läppische» 90 weitere Millionen zu haben. «Die verschiedenen Projekte zu priorisieren und Mehrheiten zu finden, ist jetzt aber Gegenstand der politischen Diskussion», meint Cina.

Bodenmann fordert von den Oberwalliser Politikern derweil «endlich etwas durchzusetzen, was aber nur geht, wenn man beweglich und innovativ ist, denn sonst hätten wir auch den LBT nie durchsetzen können.» Er selbst meint sogar: «Wir brauchen einen Tunnel zwischen dem Haslital und dem Goms, aber nicht unbedingt einen teuren Eisenbahntunnel, sondern einen smarten, einspurigen Tunnel für sich selbst steuernde Elektroautos, die bis zu einer frühestmöglichen Inbetriebnahme überwiegend auf den Schweizer Strassen verkehren werden – ohne Tunnelgebühren oder andere Strafzölle.»

Christian Zufferey

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