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«Zermatt ist wie ein Virus»

Paul Schmidt vor dem Grand Hotel Zermatterhof, wo er mehr als 40 Jahre lang gearbeitet hat.
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Paul Schmidt vor dem Grand Hotel Zermatterhof, wo er mehr als 40 Jahre lang gearbeitet hat.
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44 Jahre lang sorgte Paul Schmidt dafür, dass sich im Grand Hotel Zermatterhof jeder Gast fast wie zu Hause fühlte. Für seine Verdienste ist der 66-Jährige jetzt geehrt worden.

Die Delegiertenversammlung der Hotel & Gastro Union ernannte Paul Schmidt letzte Woche zum Ehrenmitglied. Zuvor schon hatte die Delegiertenversammlung des Berufsverbands Restauration den langjährige Maître d’hôtel im Grand Hotel Zermatterhof, das heisst der Chef der gesamten Service­brigade von bis zu 30 Mitarbeitern, zu ihrem Ehrenpräsidenten gewählt. Die Ehrungen sind eine Anerkennung für Schmidts Engagement, den Stellenwert des Restaurations- und Serviceberufs zu fördern.

Lehr- und Wanderjahre

Der 1949 in Marburg im deutschen Bundesland Hessen geborene Schmidt arbeitete nach seiner Lehre in einem Hotel in Garmisch-Partenkirchen. Dessen international erfahrener Direktor riet dem jungen Kellner damals: «Wenn du im Gastgewerbe Karriere machen willst, so musst du in die Schweiz gehen.» Als 19-Jähriger bewarb sich Schmidt daraufhin im Hotel Du Rhône in Genf. Ein Fünfsternehaus mit 400 Betten und 300 Angestellten, einer davon Paul Schmidt, der anfangs kein Wort Französisch sprach: «Das war ein Kulturschock. Nach drei Wochen wollte ich den Bettel hinschmeissen.» Nur die zu erwartenden blöden Sprüche seiner Kumpels, die ihn bei einer frühzeitigen Rückkehr zu Hause erwartet hätten, hinderten ihn daran. Schmidt nahm auf eigene Kosten private Französischlektionen und biss sich durch. Im Hotel lernte er einen Rezeptionisten aus Zermatt kennen. «Ich wollte schon immer auch in einem Winterkurort arbeiten», so Schmidt. Also bewarb er sich für die Wintersaison 1969/70 im Grand Hotel Zermatterhof. «Ferien in Zermatt waren damals ein gesellschaftliches Ereignis», erinnert sich Schmidt zurück. Die Gäste reisten mit Überseekoffern an und blieben nicht selten drei Wochen und länger. Mehrmals täglich wurde die Garderobe gewechselt. Skifahren war eher Nebensache. Nach einer Abfahrt am Morgen traf man sich wieder zum gemeinsamen Mittagessen im Hotel. Die meisten Gäste hatten Vollpension. Nach einem kurzen Abstecher auf die Skipiste spielte am späteren Nachmittag Livemusik zum «Thé dansant». Auch nach dem Nachtessen wurde im Dancing mit Liveorchester wieder getanzt. Ein Kontrast zur heutigen Zeit, wo die Gäste nach dem Frühstück das Hotel meistens am Morgen verlassen und erst gegen Abend von den Skipisten wieder zurückkehren. «Dafür gibt es heutzutage gerade in Zermatt eine qualitativ hochstehende Berggastronomie», sagt Schmidt schmunzelnd. In der Sommersaison vertiefte Schmidt seine Französischkenntnisse, etwa im Hotel Beau Rivage Palace in Lausanne, lernte Englisch in einem Hotel in Devon oder sammelte Erfahrungen im Steigenberger Parkhotel in der Messestadt Düsseldorf. In der Wintersaison zog es ihn immer wieder zurück in den Zermatterhof. «Zermatt ist wie ein ­Virus. Mir gefällt die Atmosphäre, diese Mischung von ländlichem Dorfcharakter und Internationalität.»

Unmöglich gibt es nicht

Ab 1975 bis zu seiner Pensionierung 2013 blieb Schmidt im Zermatterhof. Als Maître d’hotel war er immer als Ansprechsperson für seine Gäste da, begrüsste jeden Einzelnen mit Namen. Sein Tag begann um 7.00 Uhr morgens und endete abends, nachdem der letzte Gast den Speisesaal verlassen hatte. Seine Arbeit war für ihn aber immer mehr als bloss ein Job: «Beruf kommt von Berufung», betont er. Diese Begeisterung für den Beruf, aber auch viel Fachkompetenz, vermittelte Schmidt lange Jahre als Ausbildner den Lernenden. Nicht ohne Stolz erzählt er, dass seine Schützlinge regelmässig die schweizweit besten Lehrabschlüsse erzielten. Diskretion, Freundlichkeit und vor allem Professionalität seien die wichtigsten Eigenschaften eines Mitarbeiters im Gastgewerbe, so Schmidt, der Wert darauf legt, von «Mitarbeitern» zu sprechen und nicht von «Personal» oder «Angestellten». Respekt ist denn auch ein wichtiger Wert für Schmidt. Etwas, dass er nicht nur von seinen Mitarbeitern, sondern auch von den Gästen erwartet: «Ein guter Gast verhält sich respektvoll gegenüber den Hotelmitarbeitern und anerkennt deren Leistungen.» So erzählt er vom spanischen König Juan Carlos, der mehrmals im Zermatterhof zu Gast war. Als dieser am ersten Abend ohne Krawatte zum Essen wollte, wies Schmidt den König höflich darauf hin, dass ohne Krawatte niemand Zutritt zum Speisesaal hätte. Der König schaute ihn überrascht an, drehte sich um und ging wortlos davon. Nach einiger Zeit kehrte er mit Krawatte zurück und fragte: «Ça va comme ca, Monsieur?» Diese Frage wiederholte der König dann jedes Mal, wenn er in den folgenden Jahren zu Besuch war. Das Credo des Maître d’hôtel war: «Das Wort unmöglich gibt es nicht. Wir versuchen, das Mögliche zu machen.» Und er erzählt von einem russischen Gast, der für eine Familienfeier partout ­frischen Kapaun wollte, koste es was es wolle. Da in Zermatt kein derartiger ­frischer Masthahn aufzutreiben war, ­organisierte Schmidt frischen Kapaun aus einem Traiteurladen in Gstaad, der per Taxi nach Zermatt transportiert wurde. Während seiner 44 Jahre in Zermatt erlebte Schmidt mitunter mehrere Generationen derselben Gästefamilie. Bei einigen Stammgästen war Schmidt sogar an deren Beerdigung dabei.

Frank O. Salzgeber

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