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Zermatter Quartier-Misere

Nathalie Biner: «Unserem Quartier muss viel mehr Beachtung geschenkt werden.»
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Nathalie Biner: «Unserem Quartier muss viel mehr Beachtung geschenkt werden.»
Foto: RZ

Quelle: RZ 5

Im Zermatter «Hinterdorf» beklagen sich Bewohner über den schlechten Zustand des Quartiers. «Es ist traurig, dass wir von der Gemeinde nicht unterstützt werden», ist zu hören. Diese wehrt sich.

«Es ist für Zermatt unwürdig, wie unser Quartier behandelt wird», klagt die Bewohnerin Nathalie Biner. Das «Hinterdorf» sei der letzte verbleibende authentische und historische Ortsteil von Zermatt, der von den Gästen rege besucht und fotografiert werde. «Es ist schade und traurig, dass die Gemeinde die Anliegen von uns Quartierbewohnern nicht ernst nimmt», so Biner.

Baugesuch als Auslöser

Zur Vorgeschichte: Im «Hinterdorf», im Zentrum Zermatts, nördlich der Kirche, befinden sich zahlreiche historische Gebäude aus früheren Jahrhunderten. Im letzten Jahr wurde dort ein Baugesuch für den Umbau eines historischen Stalls zu einem Gastronomiebetrieb hinterlegt. «Die Gemeinde hat dieses trotz sechs Einsprachen gutgeheissen», sagt Biner. Der Entscheid wird an den Staatsrat weitergezogen. Die Walliser Regierung muss nun über das Baugesuch befinden. Ein Entscheid steht bis dato noch aus. Die Einsprecher gehen einen Schritt weiter: «Wir wollen das ‹Hinterdorf› nun zu einer Art Schutzzone mit Museumscharakter erklären lassen», so Biner. Sie gründen ein Initiativkomitee. Ein entsprechendes vierseitiges Begehren wird bei der Gemeinde hinterlegt.

Wertvolles Kulturgut

Was verlangen die Initianten? Dem Schriftstück ist unter anderem zu entnehmen, dass im Quartier die Wurzeln der Tourismusdestination Zermatt verankert sind. Darum solle das «Hinterdorf» ein «Museum» werden. Wie Biner anfügt, wolle man damit einen Mehrwert für die Touristen und die nächsten Generationen schaffen. Dazu sind konkrete Ideen vorhanden. Unter anderem soll dabei ein Brunnen wieder originalgetreu als Waschtrog nachempfunden werden. Weiter müssten die alten Bauteile der Scheunen und Ställe wieder originalgetreu instand gesetzt werden. Zudem dürften die bestehenden Gebäude nur als Erstwohnungen umgenutzt werden. «Zusammenfassend gesagt, muss das Quartier einfach als das bewahrt und erhalten werden, was es ist. Ein historischer und geschichtsträchtiger Ortsteil, welcher für die Nachwelt erhalten werden soll», erklärt Biner. Das könne nur mit folgenden Punkten erreicht werden: Klare Nutzungsvorschriften als Wohnquartier, umfassender Schutz und besserer Unterhalt. «Völlig verwahrlost sieht es hier aus. Von Graffitis über herumliegendes Sperrgut gibt es hier alles. Eine Zumutung für die Bewohner.»

Gemeinde wehrt sich

Der Zermatter Gemeindepräsident Christoph Bürgin hat für die Bedenken der Anwohner bezüglich Gastronomiebetrieb Verständnis, sagt aber: «Ein Gastrobetrieb bringt zwangsläufig Lärm mit sich, jedoch wird damit ein Quartier auch belebt und stirbt so nicht aus.» Da das Baugesuch dem Baureglement entsprochen habe und der Gemeinderat Privateigentum hoch werte, sei dafür grünes Licht erteilt worden. «Und dennoch nehmen wir die Anliegen der Bewohner ernst», kontert Bürgin. Zahlreiche Ideen der Initianten seien sehr gut und würden entsprechend weiterverfolgt. Wie Bürgin weiter sagt, werde dem Antrag einer Schutzzone aber nicht stattgegeben. «Das kommt einer Enteignung von Privateigentum gleich. Das will der Gemeinderat nicht.» In der Vergangenheit sei im Quartier bereits vieles zum Guten verändert worden. «Interessanterweise wird seitens der Anwohner beim «Sprayen» oder Entsorgen von Sperrgut nie jemand beobachtet», erklärt Bürgin. Es sei auch noch nie Anzeige erstattet worden. Danach werde die Gemeinde immer aufgefordert, etwas dagegen zu unternehmen. Nichtsdestotrotz sei man sich den «Schmierereien» bewusst und diese würden regelmässig entfernt.

Peter Abgottspon

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Kommentare

  • Anja Moser - 99

    In Zermatt wurde verbaut, was nur möglich war. Es sieht scheusslich aus. Wenn ich denke, wie schön es früher war...zB. hinterm Mont Cervin, der schöne Park und seine Gärtnerei. Es hat keine Wiesen mehr, Hotel an Hotel, die Bahnhofstrasse ist nur noch ein kitschiger Markt, überall wird gebaut. Habe auch mal im Hinterdorf gewohnt, das Haus steht nicht mehr, es wurde ein Neues gebaut. War letztes Jahr zum letzten Mal in Zermatt. Es ist ein Horror und wenn das Matterhorn und die Berge nicht wären, käme kein Mensch mehr dahin. Da helfen auch die Bernardiner auf dem Gornergrat nicht - wo sie nicht hingehören!

  • cina - 219

    sicher ist es schade ,wenn ein quartier verschandet.viele Dörfer haben dasselbe problem unsere Bauvorschriften erschweren die Ausführungen. aber ich bedaure die Zermatter nicht.die wissen wie man mit baureglement umgeht.sie sind schliesslich die Weltmeister beim nehmen.

  • christian - 1312

    und wer soll den den unterhalt dieses museums finanzieren? in einer schutzzone kann mitunter bausubstanz nicht einfach umgenutzt werden, oder saniert... auf kosten der gemeinde wohl kaum... man kann nicht einerseits ein weltkurort sein und auf wachstum bauen und andererseits quartiere aus der realität ausschliessen... oder macht man es richtig konsequent, dann stellt man aber auch wasser, strom, etc. ab, gab es ja bei den ursprüngen des tourismus auch nicht, und man will ja authentisch sein...;)

    • Claudia Zumtaugwald - 107

      Ob Zermatt noch die Klasse hat denn je ist mehr als fraglich. Wachstum ist ohnehin ein Trugschluss und die Zermatter werden es bald merken. Eine Schutzzone wird klare Leitplanken vorgeben. Der Hinweis, dass man Wasser und Strom auch noch abstellen soll, geht an der Sache vorbei.

  • Ursula Biner - 1913

    Der Bürgin kann Bernhardiner verbieten, aber Auflagen erarbeiten für den Erhalt der historischen Substanz des Hinterdorfes scheint seine Fähigkeiten zu übersteigen. Wann das Hinterdorf in ein paar Jahren verhundzt ist, dann wird dies bedauert... aber dann ist es zu spät...

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