Standpunkt | Region

Kleider als Provokation

RZ-Standpunkt
1/1

RZ-Standpunkt
Foto: RZ

Quelle: RZ 0

Mögen Sie Hemden? Genauer noch: Das Schweizer Edelweisshemd oder – salopper ausgedrückt – «z’Schwiizer Edelwishemmli»? Ganz ehrlich, mir gefällts nicht. ­Allein das Muster mit den aufgedruckten Alpenblumen ist nicht mein Stil. Aber ein Blickfang ists allemal. Zudem soll das blauweiss gemusterte Hemd das Schweizertum repräsentieren. Sagen die einen. Die anderen hingegen finden es ganz einfach schön und modisch.
Wie auch immer, das Edelweisshemd ist derzeit in aller Leute Munde. Eine Lehrerin an der Sekundarschule in Gossau hat nämlich zehn Schülern verboten, ein Edelweisshemd zu tragen. Der Grund für das Kleiderverbot: Diese Schwingerhemden seien rassistisch. Die betroffenen Schüler fühlen sich missverstanden und in die Extremistenecke gestellt. Ihr Einwand: Ein Kopftuch dürfe man in der Schule tragen, aber mit einem Edelweisshemd bekomme man einen Verweis.
Die hellblauen Edelweisshemden haben in der Schweiz Tradition und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Der Bauernverband nutzte das vor ein paar Jahren in einer Plakatkampagne mit namhaften Prominenten. Doch nicht nur Landwirte und Schwinger mögen das Hemd. Manch einer trägt es als Ausdruck seines Patriotismus.
Darum jetzt gleich alle Edelweisshemdenträger als Rassisten hinzustellen, wäre ebenso unsinnig wie blöd. Schliesslich ist nicht immer zu erkennen, ob der Träger eines bestimmten Kleidungsstücks seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene kundtun will oder ganz einfach mit der Mode geht. Nicht alle Trachtenträger sind Patrioten und nicht jeder Mann in einer Lederjacke ein Neonazi. Genauso wenig wie jeder Träger von Hochwasserhosen ein Islamist ist oder alle Birkenstock-Sandalenträger der linksautonomen Szene angehören.
Schliesslich traten auch Mannschaften in einem einheitlichen Dress auf und verkörpern damit ihren Verein oder ihr Herkunftsland. Dabei auf rassistische Hintergründe zu tendieren, wäre ebenso albern wie traditionelle Kleidung zu verunglimpfen. Schlimm genug, dass über die Kleiderordnung ein rassistischer Streit aufgebauscht wird. Eine liberalere Haltung würde darum manch einem gut anstehen.

Walter Bellwald

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31