Ski alpin | Elia Zurbriggen über Ramon Zenhäusern, den Hang in Sölden, seine Heirat und seine neue Rolle in der Skifirma Völkl
«Chance, aber auch Herausforderung»

Elia Zurbriggen vor dem Saisonstart.
Foto: Walliser Bote
Elia Zurbriggen, was sagen Sie zur Leistungsexplosion von Ramon Zenhäusern?
«Nun, man hat schon länger gewusst, dass Ramon schnell Skifahren kann. In den Trainings war er zum Teil brutal schnell. Nur ist es ihm nicht gelungen, das im Rennen umzusetzen. Dass ihm nun ausgerechnet an Olympia alles aufgegangen ist, ist schon der Wahnsinn, eine tolle Geschichte.»
Resultatmässig stehen Sie in etwa dort, wo Ramon Zenhäu-sern vor einem Jahr stand. Macht sein Beispiel Mut?
«Ich kenne Ramon von klein auf. Wir waren lange in der gleichen Trainingsgruppe, bevor sich unsere Wege mit der Spezialisierung getrennt haben. Er hat von klein auf immer konstant kleine Schritte vorwärts gemacht, ist stetig immer etwas besser geworden, bei mir wars eher ‹sprunghaft›. Jetzt hat er mal einen Sprung gemacht und dann gleich einen Riesensprung.»
Bei Ihnen verliefs zuletzt gerade umgekehrt. Sie haben in der letzten Saison zur Konstanz gefunden, sind fünfmal in die Weltcup-Punkte gefahren.
«Es war ganz klar das Ziel, eine gewisse Konstanz hineinzubringen, das ist mir recht gut gelungen.»
Fünf Resultate zwischen 17 und 23, das ist mehr als ordentlich. Die Öffentlichkeit aber nimmt kaum Notiz davon.
«Das ist so. Du bist dabei, stehst aber nicht im Mittelpunkt.»
Das muss schon frustrierend sein?
«Klar, aber es ist halt so, das muss man akzeptieren. Die Öffentlichkeit sieht halt nur die Resultate und nicht, was alles dahintersteckt, wie viel Schweiss es braucht, um solche Resultate herauszufahren. Ich kann immerhin sagen, dass ich zu den besten Skifahrern der Welt gehöre, das ist nicht schlecht, oder?»
Klar, aber dennoch wäre es Zeit für einen weiteren Sprung vorwärts.
«Als Sportler ist man ambitioniert, man will immer mehr. Irgendwann ist Top 30 nicht mehr gut genug. Man nimmt nicht den ganzen Aufwand auf sich, um am Schluss einen Rang zwischen 20 und 25 herauszufahren. Es gibt immer Sachen, die man verbessern kann. Und wenn das mal aufgeht, kanns einen Schritt weitergehen.»
Dieses Tüfteln nach Verbesserungen, die Ungewissheit, obs dann auch aufgeht, wie man es sich vorstellt: Das macht auch ein gutes Stück den Reiz aus?
«Ganz klar, es ist die Motivation, ich will immer besser werden, will im technischen Bereich noch Fortschritte erzielen, tüftle am Material herum, mit dem Ziel, die beste Abstimmung zu finden. Kann ich bei der Linienwahl noch etwas herausholen, was funktioniert, was nicht? Und eines ist natürlich entscheidend.»
Was?
Die Freude am Skifahren, die ist immer noch gleich wie damals, als ich ein kleiner Junge war. Am Morgen die Skis anschnallen und ein paar Schwünge in den Schnee ziehen: Das ist einfach toll und ich sehe es als Riesenprivileg, das Skifahren als Beruf betreiben zu können. Die Begeisterung fürs Skifahren muss da sein, man muss es mit aller Leidenschaft machen, ohne das macht man so einen Job nicht. Und wenn die Resultate auch noch stimmen, dann gibts wirklich keinen schöneren Sport.»
Aber übers Band gesehen gibts mehr Niederlagen als Erfolge.
«Wenn man nur die nackten Resultate sieht, ist das wohl schon so. Und Sie können mir glauben: Ich war mehrfach ganz nahe dran, den Bettel hinzuschmeissen.»
Was hat in diesen schwierigen Situationen geholfen?
«Manchmal braucht es einen Neuanfang. Etwa einen Materialwechsel, oder die Rückversetzung in den Europacup. In der Saison 2017/18 etwa war ich an einem Punkt, wo ich schon fast abgeschlossen hatte mit dem Skisport. Da habe ich mich schon gefragt: ‹Warum tust du dir das an?› Ich habe dann beschlossen, den Rest der Saison nur noch aus Spass zu fahren, habe zur Lockerheit gefunden und plötzlich kamen die Resultate. Ich habe gelernt: Man muss mit Freude dabei sein, dann kommt man schneller vorwärts. Rückblickend betrachtet haben diese Phasen sogar geholfen, sie haben mich weitergebracht, ich habe daraus gelernt.»
Sie haben mit dem Riesenslalom nur eine Disziplin und somit relativ wenig Rennen. Das erhöht den Druck.
«Ich würde auch gern mehrere Disziplinen fahren. Aber ich bin am Kämpfen, um im Riesenslalom in die Top 30 zu kommen (momentan belegt er in der FIS-Liste Platz 27 – Red.). Darum bleibt halt wenig Zeit für eine zweite Disziplin.»
Die Spezialisierung geht immer weiter?
«Das ist so. Auch auf internationaler Ebene schaffen es nur die allergrössten Talente, in mehreren Disziplinen vorne dabei zu sein. Der Skisport hat sich extrem spezialisiert und man ist fast gezwungen, da mitzugehen. Auf der anderen Seite versteht man als Athlet auch den Rennkalender nicht immer.»
Wie meinen Sie das?
«Wir haben relativ wenig Rennen, die Super-G-Fahrer noch weniger, Slaloms gibts dafür deutlich mehr. Keine Ahnung warum. Aber wir Fahrer können da nicht viel machen. Es bleibt nichts anderes übrig, als alles zu geben und an den Rennen das Beste herauszuholen.»
Wenn eine zweite Disziplin dazukäme, wäre das der Slalom oder doch eher Super-G oder Abfahrt?
«Ich fahre beides gerne. Für die Speed-Disziplinen fehlt mir wohl das eine oder andere Kilogramm an Gewicht, beim Slalom müsste ich sehr viele Tore fahren. Nein, im Moment liegt das nicht drin.»
Wie war der Sommer?
«Wir sind durchwegs in Zermatt und Saas-Fee geblieben, die Trainingscamps waren gut, wir sind gut vorbereitet.»
Und wie ist das Gefühl?
«Vor dem ersten Rennen ist immer eine gewisse Anspannung vorhanden. Man weiss nicht ganz, wo man steht. Teamintern hat man die Vergleiche, aber wir haben relativ wenig mit anderen Nationen trainiert.»
Sölden ist nicht gerade Ihr Lieblingshang?
«Bisher war das leider so (lacht). Aber in der letzten Saison bin ich mehrfach an Orten schnell gefahren, wo mir das vorher nie gelungen ist. Dank meiner Erfahrung gehe ich es in der Zwischenzeit anders an und lasse ich mich da nicht mehr so verunsichern.»
Was macht es schwierig in Sölden?
«Es ist schon ein spezieller Hang, zuerst ist es extrem steil, dann folgt ein schier ewig langes Flachstück. Wenn man es nicht richtig ‹tüpft›, kann man da sehr viel Zeit verlieren. Man muss riskieren und doch mit Kopf fahren. Alles in allem ist es schon ein cooler Anlass und ich kann es kaum erwarten, bis es endlich losgeht.»
Wie sieht die Rolle von Vater Pirmin aus? Ich denke, er ist eine wichtige Ansprechperson?
«In den letzten Jahren war er nicht oft bei den Rennen dabei. Natürlich, ich konnte mit ihm über den Sport reden und er konnte mir wichtige Tipps geben, aber er hat sich bewusst zurückgehalten. Ich hatte mein Team, meine Betreuer, und da wollte er nicht dreinreden. Auf diese Saison hin sieht das aber etwas anders aus.»
Inwiefern?
«Ich werde bei meiner Skifirma Völkl stärker in die Entwicklung miteinbezogen. Justin Murisier und Riccardo Tonetti haben gewechselt, ich bin der einzige Top-30-Fahrer von Völkl. Das gibt mir eine andere Stellung, meine Meinung ist gefragt, ich habe einen eigenen Servicemann. Das ist eine Riesenchance, aber auch eine Herausforderung. Es gibt verschiedene Skis, Platten, Schuhe, insgesamt also schier unendlich viele Möglichkeiten. Du kannst dich schnell verlieren, wenn du nur noch ans Material denkst. Da kann mir mein Vater wertvolle Tipps geben und ich bin froh, dass er mir da hilft.»
Die Abstimmung aber ist ein spannender Prozess?
«Ja klar. Warum funktioniert etwas oder warum nicht? Mit anderem Material bin ich wie ein anderer Skifahrer. Da liegt sehr viel verborgen, was man von aussen gar nicht sieht. Aber klar: Eine gewisse Grundtechnik und Fahrweise müssen natürlich vorhanden sein, sonst nützt alles Material auch nichts.»
Am 12. Mai haben Sie Loredana Kaufmann geheiratet. Was hat sich verändert?
«Hmmm, wir haben zuvor zwei Jahre in Luzern gelebt, nach der Hochzeit sind wir nun nach Zermatt gezogen, das hat sich geändert. Sonst eigentlich nicht sehr viel. Es ist nicht immer einfach für meine Frau, weil ich oft weg bin. Wir versuchen halt, so gut als möglich zu planen.»
Planung ist nicht immer einfach für einen Skifahrer.
«Es gibt relativ viele Faktoren, die die Planung durcheinanderwirbeln können. Die Akzeptanz meiner Frau für das, was ich mache, muss sicher da sein, sonst geht es nicht. Aber ich war schon Skifahrer, als wir uns kennengelernt haben, von dem her ist die Situation ja auch nicht neu.»
Und bleibt noch Zeit für die Musik?
«Nein, das reicht definitiv nicht mehr. Sie (die Band ‹Wintershome› – Red.) gehen in eine extrem professionelle Richtung. Für die Plattenaufnahmen waren sie sechs, sieben Wochen in den USA, in diesem Jahr haben sie jede Woche zwei, drei Gigs gespielt, das ist für mich nicht mehr zu machen.»
Schade.
«Ja, die Musik war mich eine Superabwechslung und ich habe das immer sehr gerne gemacht. Aber es bringt für beide Seiten nichts, wenn ich versuche, mich da noch reinzuzwängen. Aber es ist cool zu sehen, wie sich das Projekt entwickelt, wie sie überall unterwegs sind. Auf der einen Seite reut es mich, da nicht mehr dabei sein zu können. Aber man kann nicht alles haben und das Skifahren ist für mich immer noch eine zu grosse Leidenschaft, als dass ich die aufgeben könnte.»
Alban Albrecht
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