Wildtiere | Bauern in der Aletschregion klagen über Hirschplage
«Hirschbestand muss auf erträgliches Mass reduziert werden»
RIEDERALP | In keiner Region im Oberwallis gibt es so viel Rotwild wie in der Aletschregion. Aufgrund der Schäden, die sie auf ihren Wiesen anrichten, fordern Bauern der Region eine drastische Reduktion der Hirschbestände.
Reto Walker aus Ried-Mörel ist Vollerwerbsbauer. Auf seinem Milchwirtschaftsbetrieb in Ried-Mörel stehen 35 Milchkühe im Stall. In der kommenden Woche fällt für ihn der Startschuss zum Mähen seiner Wiesen unterhalb des angrenzenden Riederwalds.
Halbe Heuernte geht ans Rotwild
Obwohl die Heuernte im Oberwallis aufgrund der grossen Feuchtigkeit nach dem langen Winter so üppig ausfällt wie seit Jahren nicht mehr, wird das für Walker wie für eine ganze Reihe weiterer Bauern in der Region nicht der Fall sein. Der Grund sind die grossen Hirschbestände im Aletschgebiet. «Das Rotwild richtet in unseren Wiesen seit Jahren immer mehr Schäden an. Jährlich verlieren wir bis zur Hälfte der Heuernte an die Tiere.»
Das fange im Frühjahr an, wenn die Hirsche in Gruppen bis zu hundert Tieren von den Wintereinständen vom Tal heraufsteigen und sich am ersten Grün der besonnten Wiesen in Oberried sattfressen. Die Folge davon sei, dass zur Zeit der Heuernte die Wiesen nur noch mit dünnen Grashalmen bewachsen seien statt aus einer Vielzahl von Futterpflanzen und Blumen. Diese wachsen nach dem ersten Abäsen durch das Rotwild nicht mehr nach.
Hirsche äsen auf Sömmerungsalpen
«Für die Schäden wurden wir in der Vergangenheit nach Meldung bei den Wildhütern zwar entschädigt. Das aber macht die verbliebene Heuernte qualitativ nicht besser. Das Heu ist vom Rotwild verkotet, sodass es nicht mehr für Silofutter verwendet werden kann. Es eignet sich höchstens noch zur Fütterung von Galtvieh.» Die Milchkühe hingegen rührten das Futter nicht mehr an.
Aber nicht nur auf den Heuwiesen in Oberried sorgen die Hirsche für Ärger. Dasselbe gilt auch für die höherliegenden Sömmerungswiesen. «In der kommenden Woche wird unser Vieh auf die Alpe Fleschen-Riederalp hochgetrieben. Aufgrund des langen Winters steht dort das Gras allerdings noch nicht allzu hoch. Im Alpgebiet aber sind in der zurückliegenden Woche Hirschrudel mit über hundert Tieren beobachtet worden, die sich am zarten Grün sattfressen», sagt Walker. Dort, wo das Rotwild seinen Hunger gestillt habe, bleibe für die Nutztiere in Regel kaum mehr viel übrig, weiss der Bauer aus Erfahrung.
«Kein Gehör in Sitten»
Was Walker ärgert, ist, dass die Bauern der Region schon seit Jahren vom Kanton fordern, dass der Rotwildbestand sofort reduziert wird, um die jährlich wiederkehrenden Schäden abzuwenden. «Bei der kantonalen Jagdverwaltung fanden die Anliegen der Bergbauern bislang jedoch kein Gehör. Die Wildhüter der Region zeigen zwar Verständnis für unsere Forderungen, letztlich muss das Problem aber in Sitten angegangen werden.» Es mache den Anschein, als ob man dort mit der Situation bezüglich der Rotwildpopulation überfordert sei.
Peter Scheibler, Chef der Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere, lässt den Vorwurf der Untätigkeit so nicht gelten. «Dass in der Region Aletsch der Rotwildbestand zu hoch ist, ist uns bewusst. Deshalb haben wir in den zurückliegenden Jahren bei der Jagdplanung die Abschusszahlen stets erhöht, immer mit dem Ziel vor Augen, die Bestände nicht nur zu stabilisieren, sondern zu reduzieren.»
«Öffnung des Banngebiets kein Tabu mehr»
Gleichzeitig weist er auch darauf hin, dass der Kanton in den letzten Jahren mit einer zweimaligen Nachjagd zur offiziellen Hochjagd versuchte, die Hirschpopulation einzudämmen. Gleichzeitig hält er fest, dass den Bauern die Schäden – sofern sie überhaupt gemeldet würden – jeweils entschädigt wurden. Den Bestand an Rotwild im Aletschgebiet zu drücken, könnte in Zukunft wohl auch über eine Teilöffnung des eidgenössischen Banngebiets im Aletschgebiet während der Hochjagd führen, so wie das etwa im Turtmanntal oder im Lötschental der Fall ist. «Im Banngebiet fühlen sich die Hirsche während der Jagd sicher», erklärt Scheibler und deutet an, «dass eine Teilöffnung in Zukunft wohl kein Tabu mehr sein wird.»
Norbert Zengaffinen
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