Tourismus | Ein Leitbetrieb im Oberwalliser Tourismus steht vor einem Neustart
Eine «gute Fee» für Saas-Fee
Die Saastal Bergbahnen erhalten durch das Engagement der Schröcksnadel-Gruppe eine neue Perspektive. Was ist davon zu halten? Ein Nachzug.
Die Reaktionen auf den Einstieg der Familie Schröcksnadel waren gestern rundum positiv. Dies auch mangels ernsthafter Alternativen. Ein branchennaher, langfristiger Investor dient neben der grössten Arbeitgeberin im Tal auch allen anderen touristischen Betrieben.
Branchennähe
Betreffend Österreicher Folgendes: Sie haben im Seilbahn-Geschäft grosse Erfahrung. Und sind erfolgreich unterwegs. Ihre Referenzliste als massgebliche Aktionäre umfasst neun Skigebiete: Hochkössen, Grossglockner, Hochficht, Hinterstoder, Wurzeralm, Ötscher, Kasberg, Hochkar und Savognin mit total 101 Transportanlagen. Seniorchef Peter Schröcksnadel, seit 1990 (!) Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), wird in Österreich nicht umsonst Lift-Kaiser genannt. Seine Verdienste wurden landesweit gewürdigt bis hin zum Profes-
sorentitel, vergeben durch das Bundesministerium für Wissenschaft.
Synergien nutzen
Neben dem Betrieb von Seilbahn-Unternehmungen hat die Schröcksnadel-Gruppe weitere Kompetenzen anzubieten. Sie stellt Panorama- und Pistenmarkierungstafeln her und ist weltweit führend bei digitalisierten Pistenleitsystemen; also Informations-Displays, die dem Kunden schon an der Talstation einen Überblick verschaffen, welche Pisten und Anlagen denn aktuell zur Verfügung stehen. Saas-Fee wird von solchen Synergien profitieren können, etwa beim Einkauf oder auch auf den Vermarktungsplattformen.
Preise durchleuchten
Bezüglich Vermarktung, darf man besonders gespannt sein. Junior-Chef Markus Schröcksnadel schäumte am Mittwoch bei der Medienorientierung in Bern nicht gerade vor Begeisterung, als er auf den «Hammerdeal» bei der WinterCard angesprochen wurde. Mit anderen Worten: Die Zukunft des heutigen Pricings wird kritisch durchleuchtet werden. Sicher ist, dass die Marketing-Aktion auch hohe Kosten verursacht. Mit «Erfinder» Gilberto Loacker sollen langfristige (Millionen-)Verträge bestehen, in die als Medienpartner auch Ringier mit einbezogen ist. Was daraus werden soll, ist offen. Schröcksnadel vorsorglich: «Wir halten bestehende Verträge ein.»
42 000 Karten reserviert
Für Saas-Fee gilt derweil, die Aktion im Winter 2018/19 zum dritten Male durchzuziehen. Laut Simon Bumann, Vorsitzender «Ausschuss erweiterter Verwaltungsrat der Saastal Bergbahnen AG», ist man im Vergleich zum Vorjahr auf Kurs. «42 000 Saisonkarten sind bereits reserviert. Unser Ziel sind 66 000 verkaufte Karten. Das müsste zu schaffen sein, zumal die Marketingwelle jetzt erst anläuft.»
Mit Skifahrerherzen
Auf der emotionalen Ebene hilft zudem, dass die Familie Schröcksnadel als begeisterte Skifahrer an den Schneesport glaubt. Im mittlerweile bald gletscherfreien Österreich (Ausnahme Hintertux) wird Saas-Fee mit seinen 20 km Gletscherpisten als absolut schneesicher wahrgenommen. Die langen und anspruchsvollen Abfahrten zurück ins Dorf lassen laut Markus Schröcksnadel jedes Skifahrerherz höherschlagen. Das will genutzt sein. Es klingt glaubhaft, wenn es aus Innsbruck heisst, «dass wir zusammen mit den Saas-Feern diesen einzigartigen Ort weiterentwickeln wollen».
Wenn zwei das Gleiche wollen…
Das tönt anders als die datenbasierten Analysen des Naturwissenschafters Edmond Offermann, wogegen ja nichts einzuwenden ist. Kein Investor gibt sein Geld her, ohne dafür einen Gegenwert zu erkennen. Offermann fehlte für die Branche aber offenbar der lange Atem. Und zuletzt auch der Glaube. Am Mittwoch sagte er über eine Videoschaltung aus Sarajevo, «dass ich jetzt acht Jahre lang versucht habe, meine Ideen umzusetzen». Letztlich ging an der GV vom 13. April 2018 sein Plan der Mehrheitsübernahme schief («Wenn ich nicht 51 Prozent kriege, ziehe ich mich zurück» | WB vom 12. April 2018). Daraus zog er Konsequenzen. Und bezeichnet heute die Schröcksnadels als Glücksfall für Saas-Fee. Auch wenn die Tiroler finanztechnisch nichts anderes vorhaben als der holländisch-amerikanische Doppelbürger selbst: das alleinige Sagen nämlich. In Saas-Fee wuchs seither offensichtlich der Druck, fremde Mehrheiten zuzulassen. Die Kompetenzen der Tiroler in Sachen Bergbahnen, Pisten, Marketing und branchennahen IT-Lösungen seien für Saas-Fee «die perfekte Hochzeit», sagt Offermann. Da hat einer die Nase voll. Umso erstaunlicher, dass er den Verkaufserlös aus seinen mit dem neuen Investor vereinbarten Aktienanteilen in den Ausbau der Destination investieren will.
Weniger zu sagen
Saas-Fee mag sich mit den Bedenken arrangieren, künftig weniger zu sagen zu haben beim grössten Unternehmen vor Ort. Gemeindepräsident Roger Kalbermatten will da nichts vormachen. Letztlich gilt auch hier: wer zahlt, befiehlt. In den letzten Jahren habe sich gezeigt, «dass im Dorf die Finanzen fehlen, den Betrieb aus eigener Kraft auf Kurs zu halten». Man sei deshalb sehr froh, einen Interessenten gefunden zu haben, «der unsere Sprache spricht und die Bedürfnisse der Destination versteht». Schröcksnadel dazu: «Wir sind alles Bergler. Die Mentalitäten der Tiroler und der Walliser liegen nicht weit auseinander.» Dass die Einheimischen zuletzt von der in Schräglage geratenen Bahn lieber profitierten, als sich selbst finanziell zu engagieren, ist damit nicht vom Tisch.
Die Trümpfe spielen
Kaum einer weiss das besser als Simon Bumann. Der vormalige Tourismusdirektor hat zur Finanzierung der Spielbodenbahn eine Bettelaktion von Tür zu Tür durchgezogen, die sich so nicht mehr wiederholen liesse. Für ihn ist aber klar, «dass Saas-Fee nach wie vor das Potenzial einer Topdestination hat und mit Unterstützung des neuen Investors wieder fähig wird, ganz vorne mitzuspielen». Die Trümpfe lägen dabei mit Schneekompetenz, Höhenlage, Gletscher und Begeisterung für den Schneesport auf der Hand.
Investitionsbedarf
Eine Überschlagsrechnung ergibt für Beschneiung, Hannigbahn, Felskinnbahn, Metro-Alpin und Alpin-Express einen Investitionsbedarf von 50 Millionen Franken. Schröcksnadel lässt sich davon nicht beeindrucken. Ausser der Verbesserung der Schneeanlage sieht er keine akuten Grossinvestitionen anstehen. Selbst für den (möglichen) Ersatz der Hannigbahn habe man Zeit, «eine technisch und kaufmännisch gute Lösung zu finden».
Finanzen im Argen
Unbestritten ist für den Neustart eine Sanierung der Finanzen. «Andernfalls könnten schon im kommenden Winter Liquiditätsengpässe drohen», sagt Bumann. Mit anderen Worten liegt da einiges im Argen. An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 29. Oktober 2018 sollen dagegen Pflöcke eingeschlagen werden.
Das heutige Aktienkapital von 28,4 Millionen Franken wird in einem Schnitt auf 50 Prozent, also 14,2 Millionen Franken, reduziert. Anschliessend erfolgt mittels 6,2 Millionen Franken neuen Geldes die Aufstockung des AK auf 20,4 Millionen Franken. Die Gruppe Schröcksnadel wird daran mit einer Einlage von sechs Millionen Franken teilnehmen. Weitere sechs Millionen Franken gibt sie in Form eines Darlehens, um den Verlustvortrag auf der neuen Rechnung auszugleichen. Hier haben sich per 31. Juli 2018 8,2 Millionen Franken angesammelt. Um sie zu decken, werden gesetzliche Reserven von sechs Millionen Franken aufgelöst. Die Fremdmittel werden um elf Millionen Franken aus liquiden Mitteln zurückgebaut, was die Fremdmittelquote auf 56 Prozent (34,27 Millionen Franken) reduzieren lässt. Die sanierte Bilanz wird mit Aktiven/Passiven von 60,6 Millionen Franken zu Buche stehen.
Vier grosse Blöcke
Die neuen Eigentümerverhältnisse werden sich auf vier grosse Blöcke aufteilen. Die Familie Schröcksnadel kommt auf 29,4 Prozent, Edmond Offermann auf 22,7 Prozent, die Gemeinde und Tourismusorganisation Saas-Fee auf 21,5 Prozent und Übrige auf 26,3 Prozent (siehe auch WB von gestern). In einer Statutenänderung soll vereinbart werden, dass kein Einzelaktionär mehr als 55 Prozent besitzen darf. Zudem werden die Stimmrechtsvertretungen ausgeweitet, und für künftige Statutenänderungen wird eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein.
Für Flaig wird es eng
Auf den sozialen Medien war nach Bekanntgabe des Engagements der Gruppe Schröcksnadel von einer guten «Tiroler Fee für Saas-Fee» die Rede. «Passt schon», dürften die Innsbrucker darauf antworten. Und Hubert Bumann, der langjährige visionäre Pionier der Saaser Bergbahnen, wird sich im Altersheim in Saas-Grund zufrieden zurücklehnen.
Für CEO Rainer Flaig dürfte es derweil eng und enger werden. Die Saastal Bergbahnen werden wohl auch auf der operativen Ebene zum Neustart blasen. Das mit den neuen Besen ist nun mal so. Nimmt das Karussell einmal Schwung auf, verliert Vergangenes rasch an Wert.
Thomas Rieder
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