Analyse | Vorlagen zur Rentenreform

AHV 2020 – Solidarität der Jungen auf dem Prüfstand

Die künftige Finanzierung der Renten steht zur Abstimmung.
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Die künftige Finanzierung der Renten steht zur Abstimmung.
Foto: Jeff Sheldon/Unsplash.com

Quelle: RZ 0

Die anstehende Abstimmung zur Revision der AHV wird vor allem eines zeigen – wie solidarisch die junge Generation mit der älteren ist. Eine Analyse.

Wer nach 1973 geboren ist, für den hält die geplante Revision der AHV nicht viel Positives bereit. Man kann es drehen und wenden wie man will, schlussendlich läuft es für die Jungen darauf hinaus, dass sie mehr bezahlen müssen und weniger bekommen. Darum ist die Revison der AHV vor allem ein Prüfstein für die Solidarität der jungen Generation mit der älteren.

Knacknuss berufliche Vorsorge

Auch wenn die Revision vor allem mit der AHV in Verbindung gebracht wird, so sind die Veränderungen in der beruflichen Vorsorge (2. Säule) die, die junge Menschen am stärksten betreffen. Um die Schieflage der 2. Säule zu korrigieren, sieht die Vorlage nämlich vor, dass der Umwandlungssatz von heute 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden soll. Gleichzeitig sollen die meisten Menschen, zusammen mit den Arbeitgebern, künftig ein Prozent mehr in die 2. Säule bezahlen. Betroffen vom tieferen Umwandlungssatz sind aber nur Leute, die nach 1973 geboren sind. Allen anderen garantiert die Vorlage weiterhin gleich hohe Renten aus der 2. Säule wie bis anhin. Bei einem Guthaben in der 2. Säule von 100 000 Franken in der Pensionskasse heisst das für einen heute 30-Jährigen, dass er pro Jahr 800 Franken weniger erhält.

Mogelpackung 70 Franken

Kompensiert werden soll dieser Ausfall durch eine Erhöhung der Bezüge aus der AHV (1. Säule). Neurentner sollen künftig 70 Franken mehr pro Monat erhalten. Renten für Ehepaare sollen um maximal 226 Franken steigen. Was zunächst gut tönt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch nur als schöner Schein. Um nämlich wirklich 70 Franken pro Monat mehr zu erhalten, muss der Versicherte Anspruch auf eine Vollrente haben. Dazu ist ein Durchschnittslohn von über 84 000 Franken über 44 Jahre hinweg nötig (Stand 2017). Ansonsten sinkt, gleich wie die AHV-Renten allgemein, auch die Erhöhung. De facto hat nur ein geringer Teil der Schweizer Bevölkerung Anspruch auf eine Vollrente, folglich kommt der Grossteil auch nicht in den Genuss einer Erhöhung um 70 Franken pro Monat. In der Konsequenz heisst das für die Jungen, dass die Erhöhung der AHV in den wenigsten Fällen die Ausfälle in der 2. Säule kompensieren wird, wobei gleichzeitig mehr für AHV und Pensionskasse bezahlt werden muss.

Mehrwertsteuer rauf

Um die zusätzlichen Ausgaben bei der AHV bezahlen zu können, sollen einerseits die Abgaben für die AHV um 0,3 Prozent (hälftig geteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) steigen und andererseits die Mehrwertsteuer angehoben werden (+0,3 Prozentpunkte). Auch hier sind es vor allem die Jungen, die zur Kasse gebeten werden. Zwar betrifft die Erhöhung alle, da die Jungen aber länger als Konsumenten zur Verfügung stehen, sind sie es, die am meisten zahlen werden. Zudem sind sie viel stärker gezwungen zu konsumieren als ältere Menschen. Als Beispiel kann nur schon die Gründung einer Familie herangezogen werden.

Unsolidarische Belastung?

Dass die Rentensysteme einer Reform bedürfen, scheint unumgänglich. Ebenfalls nötig scheint es, dass Leistungen gekürzt und Abgaben erhöht werden müssen, um die Systeme zu stabilisieren. Allerdings muss bei dieser Vorlage vor allem die junge Generation in den sauren Apfel beissen. Immer wieder wurde und wird bei Diskussionen um die AHV der solidarische Gedanke dieser Einrichtung beschworen. Das ist gut und recht, heisst aber, dass auch schmerzhafte Revisionen solidarisch getragen werden müssen. Doch dies geschieht in diesem Fall nicht. Für jene, die bereits Rentner sind, ändert sich nichts.

Jene, die kurz vor der Rente stehen, erhalten gar mehr Geld, ohne mehr Abgaben zu zahlen und eine gewaltige Masse an Menschen, jene der Übergangsgeneration (Jahrgänge 1973 bis 1953), muss lediglich etwas höhere Abgaben in Kauf nehmen, erhält dafür aber höhere Bezüge aus der AHV und muss keine Einbussen in der 2. Säule verkraften. Die Zeche zahlen die, die jung sind. Der gerne proklamierte Spruch «Die Jungen sind unsere Zukunft» wird hier sehr wörtlich genommen. Sollte sich die Mehrheit der jüngeren Stimmbevölkerung am 24. September also für eine Revision der Rentensysteme entscheiden, so wäre dies der ultimative Beweis, dass die junge Generation solidarischer ist als die alte.

*Der Autor wurde 1984 geboren

Martin Meul

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