Region | Was für Spielräume lässt das Zweitwohnungsgesetz

«Für gebeutelte Bergdörfer ist die Möglichkeit zur Umnutzung von Ökonomiegebäuden sehr wichtig»

Aron Pfammatter mit dem Kommentarband zum Zweitwohnungsgesetz.
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Aron Pfammatter mit dem Kommentarband zum Zweitwohnungsgesetz.
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Die meisten Oberwalliser Gemeinden sind vom Zweitwohnungsgesetz betroffen. Was ist der Handlungsspielraum bei der Umnutzung von Ökonomiegebäuden? Jurist Aron Pfammatter gibt Auskunft.

Die Zweitwohnungsinitiative wurde vom Schweizer Stimmvolk am 11. März 2012 angenommen. Anfang 2016 sind nun das Bundesgesetz über Zweitwohnungen und die zugehörige Zweitwohnungsverordnung in Kraft getreten. Das Zweitwohnungsrecht hat gerade für zahlreiche Walliser Gemeinden eine enorme Bedeutung, haben doch 98 von 130 Walliser Gemeinden einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent. Die Juristen sind sich einig, dass das Gesetz nicht gut formuliert ist und weiterhin zahlreiche Unklarheiten bestehen. Um für mehr Klarheit zu sorgen, hat der Natischer Jurist Aron Pfammatter zusammen mit dem Berner Rechts­professor Stephan Wolf mit dem Kommentar «Zweitwohnungsgesetz unter Einbezug der Zweitwohnungsverordnung» (Stämpfli 2017) die erste umfassende Darstellung des schweizerischen Zweitwohnungsrechts herausgegeben.

Herr Pfammatter, wozu braucht es eigentlich einen Kommentar zum Zweitwohnungsgesetz?
Gesetzestexte können unterschiedlich ausgelegt werden. Gerade beim Zweitwohnungsgesetz bestehen noch zahlreiche Rechtsunsicherheiten. Der Kommentar will Leitlinien vorgeben, wie das Zweitwohnungsgesetz angewendet werden kann und konkrete Fragen aus der Praxis beantworten. Eine absolute Rechtssicherheit kann es aber nicht geben.

Gerade für das Wallis hat die Bestimmung über Wohnungen in geschützten oder ortsbildprägenden Bauten eine grosse Bedeutung.
Das ist richtig. Im Kanton Wallis soll es rund 40 000 alte Ökonomiegebäude wie Ställe, Stallscheunen, Stadel oder Speicher geben, für die eine Umnutzung zu Wohnzwecken grundsätzlich möglich wäre. Da neue Zweitwohnungen nicht mehr gebaut werden dürfen, steigt das Interesse an solchen Bauten. Bei der Umnutzung ist aber darauf zu achten, dass die Bauten in ihrem Schutzwert nicht beeinträchtigt werden und eine dauerhafte Erhaltung der Bauten nicht anders sichergestellt werden kann.

Wann darf etwa ein Stadel umgenutzt werden?
Nach dem Zweitwohnungsgesetz ist dies grundsätzlich möglich, wenn der Stadel geschützt oder ortsbildprägend ist. Während es bei der Schutzwürdigkeit um ein einzelnes Gebäude geht, so geht es bei der Ortsbildprägung eher um eine Gebäudegruppe. Für die Ortsbildprägung verlangt der Kanton Wallis ein vorgängig aufgenommenes Inventar. Das existierende Inventar der Schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) alleine reicht momentan nicht. Handelt es sich hingegen um ein spezielles Einzelobjekt, ist auch ohne Inventar eine Umnutzung möglich.

So ein Inventar existiert aber erst in wenigen Walliser Gemeinden, alle anderen stehen in der Pflicht.
Diese Inventarisierung dürfte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Für viele Gemeinden bedeutet dies einen Baustopp über Jahre, falls nicht im Einzelfall Umnutzungen möglich sind. Das Zweitwohnungsgesetz beschert vor allem den Gemeinden einen riesigen bürokratischen Aufwand. Denn es gibt noch weitere Inventare: Jede Schweizer Gemeinde ist verpflichtet, ein jährliches Wohnungsinventar aufzunehmen. Ausserdem wird gerade den Zweitwohnungsgemeinden ein ganzes Bündel an Melde-, Anzeige- und Überprüfungspflichten aufgebürdet.

Sollen denn möglichst viele Gebäude in dieses Inventar aufgenommen werden?
Das Dilemma ist Folgendes: Der Denkmalschutz hätte gerne ein durchdachtes Inventar. Unterschutzstellungen im Einzelfall können willkürlich erscheinen. Nehmen die Gemeinden ihr Inventar auf, sind sie grundsätzlich darauf bedacht, möglichst viele Gebäude einzubeziehen, damit Umnutzung und damit Erhaltung der Bausubstanz möglich werden. Es könnte aber auch sinnvoll sein, ein Gebäude gänzlich abzureissen. Figuriert dieses im Inventar, könnte dies schwierig werden.

Und wie liegen die Dinge, wenn einzelne Gebäude unter Schutz gestellt sind?
Im Zuge der Revision des kantonalen Baugesetzes konnte endlich klargestellt werden, dass die Gemeinden bei einem konkreten Baugesuch gleichzeitig ein Gebäude auch im Einzelfall unter Schutz stellen können, damit eine Umnutzung möglich wird. Die Gemeinden können also Bewilligungen erteilen, bevor die Inventare aufgenommen sind. Der Kanton Wallis tut sich damit aber noch etwas schwer, obwohl dieses Verfahren etwa im Kanton Graubünden schon gängige Praxis ist.

Sie verstehen die Haltung des Kantons nicht ganz?
Die Problematik von aussterbenden Dorfkernen und des Verfalls traditioneller Gebäude ist bekannt. Gerade für die von Abwanderung betroffenen und von der Zweitwohnungsinitiative gebeutelten Bergdörfer ist eine Umnutzungsmöglichkeit solcher Gebäude sehr wichtig. Nun besteht die Gefahr, dass diese Gemeinden durch eine kantonsinterne unnötige bürokratische Haltung abgestraft werden. Der Kanton würde damit ein Eigentor schiessen.

Es besteht aber auch ein Konflikt mit dem Bund.
Seit letztem Jahr müssen Bewilligungen für Umnutzungen von Ökonomiegebäuden dem Bundesamt für Raumentwicklung vorgelegt werden. Dieses hat mehrere Bewilligungen angefochten mit dem Argument, unsere Stallscheunen und Stadel seien nicht schutzwürdig. Schutzwürdig seien nur mittelalterliche Burgen und Schlösser. Aus meiner Sicht ein unglaublicher Eingriff in den eigentlich gerade im Baurecht geltenden Föderalismus. Wer darf beurteilen, welche Gebäude erhalten werden sollen? Der Bund oder der Kanton?

Frank O. Salzgeber

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