Musikszene | Sopranistin Rachel Harnisch im Interview

«In der Heimat zu singen, macht mich nervös»

Rachel Harnisch bei ihrem Auftritt am Frauenstimmen Festival.
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Rachel Harnisch bei ihrem Auftritt am Frauenstimmen Festival.
Foto: Eugen Brigger

Quelle: RZ 0

Sopranistin Rachel Harnisch (44) verzauberte am Frauenstimmen Festival das Publikum mit einem Liederabend. Ein Interview über das Singen in der Heimat und den Umgang mit dem Wechselbad der Gefühle während eines Konzerts.

Rachel Harnisch, Sie sind ein seltener Gastin Ihrer Oberwalliser Heimat. Nun haben Sie in Glis anlässlich des Frauenstimmen Festivals ein Konzert gegeben. Wie ist es für Sie, in der Heimat aufzutreten?

In der Heimat zu singen, ist etwas Besonderes, spannend und macht mich auch immer etwas nervös. Wenn ich nach Hause komme, um hier aufzutreten, hab ich das Gefühl, dass ich in ­meine Kindheitserinnerungen zurückgeworfen werde. Es fällt mir schwerer als üblich, meine Konzentration zu finden. Die Herausforderung besteht dann darin, mich darauf zu konzentrieren, was ich geworden bin, und mich nicht davon ablenken zu lassen, wer ich einmal war. Das ist jedoch nicht so leicht, wenn man ins Publikum schaut, jedes zweite Gesicht kennt und dieses gleichzeitig mit Erinnerungen verknüpft.

Sie sind auf den grossen Opernbühnen dieser Welt zu Hause. Nun haben Sie im «kleinen» Zeughaus Kultur einen Liederabend gegeben. Welche Rolle spielt der Ort, an dem Sie singen, für Sie?

Der Ort spielt eine grosse Rolle und auch wieder nicht. Hier in Glis bestand die Schwierigkeit darin, dass der Saal doch recht trocken ist und sicher nicht ideal für diese Form der Performance, aber dennoch eine tolle Atmosphäre hat. Ich bin es gewohnt, mich mit den unterschiedlichsten Bedingungen anzufreunden, das Beste daraus zu machen und mein Bestes zu geben. So gesehen bin ich mit meiner Leistung hier in Glis zufrieden, obschon ich das nie ganz bin (lacht).

Ihr Liederabend mit dem Titel «frau.liebe» war eine Sammlung verschiedenster Liebes­lieder, die ein Kaleidoskop sämtlicher Aspekte dieses Gefühls umfasst hat. Einmal waren Sie die schwer verliebte Frau, dann wieder die von ­Rachegelüsten getriebene «Seeräuber-Jenny». Wie schaffen Sie es, diese unterschiedlichen Gefühle innerhalb kürzester Zeit abzurufen und in Ihre Kunst einfliessen zu lassen?

Einerseits ist es sicher eine Begabung, schnell Emotionen abrufen und transportieren zu können, andererseits ein Weg, eine Entwicklung, Erfahrung aus zahlreichen Aufführungen und Mut. Man muss versuchen, Gefühle unmittelbar zuzulassen, sie zu erleben und von einem Augenblick auf den anderen die Gefühlslage zu wechseln. Das Ganze immer in genauem und weisem Abwägen des technischen Könnens.

Was bedeutet das?

Ein Sänger muss mit seiner Technik immer über der Emotion stehen, ansonsten funktioniert es nicht. Dennoch ermutige ich meine Studierenden stets dahin gehend, tief in die Seele einzudringen, vielleicht auch einmal die Technik hintanzustellen und gewisse Risiken einzugehen. Es ist ein Weg, den man gehen muss, und Erfahrung spielt eine grosse Rolle. Im Laufe der Zeit bringen einen die zahl­reichen auf der Bühne interpretierten Rollen dazu, sein gesamtes Potenzial entfalten zu können. Eine absolute Konzentration ist natürlich Voraussetzung. Das Geheimnis ist ­vielleicht, dass man dem Publikum seine Seele schenken muss, was natürlich umso bes-
ser ­gelingt, je besser man sein Instrument ­beherrscht.

Eliane Amherd, Ihre Freundin aus Jugend­tagen und Mitorganisatorin des Frauen­stimmen Festivals hat Sie schon mehrfach ­angefragt, ob Sie nicht einmal am Festival auftreten möchten. Wie kam es dazu, dass
es dieses Jahr geklappt hat?

Dieses Jahr hat es einfach mit meinem Terminkalender zusammengepasst und ich bin sehr ­gerne ans Frauenstimmen Festival gekommen. Spannend fand ich dabei auch, dass das Festival Dinge zusammenbringt, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Die Organisatorinnen haben eine wunderbare Atmosphäre geschaffen, in der sich der Künstler wohlfühlt und verzaubern kann.

Martin Meul

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