Lawinen
Experten kritisieren Leichtsinn der Varianten-Abfahrer
Die Lawinengefahr ist in einigen Gebieten der Schweiz gross. Allein am Wochenende kamen in der Schweiz acht Menschen ums Leben. Experten beklagen vor allem den Leichtsinn von Skifahrern und Snowboardern, die sich auf Variantenabfahrten abseits der Pisten begeben.
Fünf Menschen starben, nachdem am Piz Vilan im bündnerischen Prättigau eine Lawine eine Gruppe des SAC verschüttet hatte. Drei weitere Tote gab es im Berner Oberland und im Toggenburg.
Gegen den Führer der SAC-Gruppe wurde ein Verfahren wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung eingeleitet. Das sagte Claudio Riedi, Sprecher der Bündner Staatsanwaltschaft, am Montag zu Medienberichten.
Touren mit Einschränkungen möglich
Ueli Mosimann von der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) sprach von einer statistisch ungewöhnlichen Häufung von Unfällen. Alle Unglücke vom Wochenende hätten sich bei der Gefahrenstufe 3 "Erheblich" ereignet, sagte er auf Anfrage.
"In dieser Situation sind Skitouren mit gewissen Einschränkungen möglich, etwa wenn man steile Hänge meidet", sagte er. Tourengänger müssten zudem die Gefahrenlage vor Ort beurteilen können, und das sei nicht immer einfach. Wegen des verspäteten Winteranfangs sei die Schneedecke vor allem im Wallis und in Graubünden schlecht aufgebaut.
Auf die Frage, ob Skifahrer abseits der Pisten leichtsinniger sind als früher, forderte Mosimann eine Differenzierung: SAC-Gruppen wie jene, die am Samstag am Piz Vilan im Prättigau verunglückte, seien gut ausgebildet. Die SAC-Tourenleiter würden sich mit dem Einschätzen der Lage bei der Warnstufe 3 gut auskennen.
Die Zahl der Skitourengänger habe sich in den letzten 30 Jahren vervierfacht, fuhr Mosimann fort. Die Zahl der tödlichen Lawinenunglücke sei dagegen in etwa stabil geblieben. "Man kann also nicht bestätigen, dass die Menschen unvorsichtiger sind." Für den SAC gebe es keinen Grund, die Direktiven für Skitouren anzupassen.
"Völlig unvorbereitet"
Anders beurteilt Mosimann das Vorgehen von Freeridern. "Sie fahren mit einer Bahn hinauf in hochalpines Gelände und dann völlig ohne Vorbereitung, ohne den Hang beim Aufstieg beurteilt zu haben, wieder hinunter."
Lawinenexperte Werner Munter ist nicht erstaunt über die Opferbilanz des Wochenendes, wie er der Zeitung "Le Matin" in einem Interview sagte. Skifahrer würden in Unkenntnis der Lawinensituation zu hohe Risiken eingehen. Und gerade in der "Generation Selfie" sei die Einstellung verbreitet, immer alles zu wollen, sofort.
Hilfsmittel wie Lawinenverschüttetensuchgeräte (LVS) oder Airbags vermittelten Skifahrern den Eindruck des "Null-Risikos". Heutige Skimodelle erlaubten auch weniger Geübten Abfahrten, die früher nur ausgezeichnete Techniker gemeistert hätten. Er plädiert deshalb für mehr Prävention. Denn: "Der Schnee macht gewisse Skifahrer verrückt."
Im laufenden Winter sind bisher 18 Menschen ums Leben gekommen, davon acht bei vier Unfällen am Samstag. Sieben der insgesamt 18 Getöteten verunglückten auf einer Variantenabfahrt, wie der Statistik des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zu entnehmen ist.
Grosse Lawinengefahr
In einigen Gebieten der Schweiz war die Lawinengefahr am Montag so gross wie noch nie in den vergangenen Tagen: Nördlich der Alpen zwischen der Innerschweiz und dem Waadtland herrscht oberhalb von 1800 Metern grosse Lawinengefahr. Es ist dies die zweithöchste von fünf Gefahrenstufen.
Touren in diesen Gebieten erforderten grosse Vorsicht und Zurückhaltung, warnte das SLF in seinem Lawinenbulletin vom Montagmorgen. Experte Munter sagte dazu, dass bei dieser Stufe die Gefahren nicht mehr korrekt festgestellt werden könnten. Unter diesen Bedingungen gelte: "An der Wärme oder auf der Piste bleiben."
Für den östlichen Alpennordkamm, Graubünden und das Wallis gilt nach wie vor die Gefahrenstufe 3, was erhebliche Lawinengefahr bedeutet. In solchen Gebieten können einzelne Wintersportler sehr leicht Lawinen auslösen, auch solche mittlerer Grösse. Nur mässig ist die Lawinengefahr im Tessin und in der Region Südbünden.
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Kommentare
Louise Aufdenblatten - ↑0↓0
Das Verlassen der markierten Pisten sollte bei erhöhter Lawinengefahr hart bestraft werden.
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Barry - ↑0↓0
Einen Teil der Schuld liegt beim Vetrauen in die Technik. Go Pro auf dem Helm, das neueste LVS auf dem Leib, das neueste iPhone zur Alarmierung im Notfall, der angesagtestes Freerideski an den Füssen und eine Tourenjacke mit den neuesten Features und am Vorabend im Internet das neueste Lawinenbulletin studiert. Was kann da einem schon passieren....Der Natur bzw. der Lawine ist dies alles egal.
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