Rhonekorrektion | Drei Jahre ohne Strategie – was läuft da in der Dienststelle für Landwirtschaft?
Keine Eile beim Jahrhundertprojekt
Wallis | Wird die Rhone verbreitert, verlieren Landwirte Boden. Vor drei Jahren hat die Regierung deshalb die Dienststelle für Landwirtschaft damit beauftragt, eine Strategie für die mit 200 Mio. Franken veranschlagten landwirtschaftlichen Begleitmassnahmen zu erarbeiten. Passiert ist bis heute nichts.
Es ist das dritte Mal, dass der Mensch in gröberen Zügen in den Lauf des Rottens eingreift. Und dies in einer Art, die auch für kommende Generationen Schutz vor Hochwasser und raumplanerische Weitsicht bedeuten soll. Entsprechend hoch sind die Kosten des Jahrhundertprojekts. Man geht – Stand heute – davon aus, dass die dritte Rhonekorrektion (R3) 3,6 Mia. Franken kosten soll.
Allein 200 Mio. Franken sind für landwirtschaftliche Begleitmassnahmen vorgesehen. Es sind nämlich vor allem die Bauern in der Talsohle betroffen, wenn das Flussbett an vielen Stellen im Kanton künftig verbreitert werden soll. Es muss Land getauscht oder umgelegt werden. Und wenn man schon dabei ist, sollen die Produktionsstrukturen verbessert werden. Wenn sich der Staat aber über die Scholle hermacht, sind Konflikte mit dem Bauern vorprogrammiert. Entsprechend schwierig ist die Aufgabe für die zuständige Dienststelle für Landwirtschaft.
Informationsfluss war blockiert
Will diese aber die von Kanton und Bund beschlossenen Massnahmen auch wirklich umsetzen? Zweifel sind hier angebracht, wenn man den Bericht der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission GPK liest. Von dieser hat der Grosse Rat in einer parteiübergreifenden Motion vom vergangenen Sommer dringlich verlangt, Antworten auf folgende Fragen zu geben: Gibt es im Bereich der landwirtschaftlichen Begleit-massnahmen eine gemeinsame Vision der beiden zuständigen Ämter, der Dienststelle für Landwirtschaft und des kantonalen Amts Rhonewasserbau? Besteht ein ausreichender Informationsfluss zwischen beiden Ämtern? Kurzum: Was läuft da überhaupt? Grund für den damaligen Vorstoss war der völlig überraschende Weggang von Léonard Dorsaz. Er war Adjunkt, sollte die Begleitmassnahmen koordinieren und verliess dann die Dienststelle für Landwirtschaft, nach einem aufreibenden Machtkampf gegen seinen Vorgesetzten, Dienstchef Gerald Dayer.
Die Motionäre wollten also wissen, ob die Kontinuität des Projekts trotz des Abgangs gewährleistet ist. Die GPK antwortet in ihrem Bericht mit einem grundsätzlichen «Ja» und einem verschlüsselten «Aber». So hänge die Umsetzung der Begleitmassnahmen freilich nicht nur von einer einzigen Person ab, beruhigt die GPK. Aber es hapert gewaltig.
Durch die Spannungen zwischen den beiden Dienststellen sei der Informationsfluss bis jetzt «teilweise blockiert» gewesen, heisst es im Bericht. Von «Meinungsverschiedenheiten» ist die Rede. Oder dass der zuständige Lenkungsausschuss, wo die verschiedenen Akteure der Dienststellen und Bauernvertretungen an einem Tisch sitzen und der eigentlich von Dienstchef Dayer geleitet werden sollte, im September 2017 das letzte Mal getagt hatte. Offensichtlich war man in der Chefetage der Dienststelle 2018 vor allem darum bemüht, die interne Fehde auszutragen. Bei der Trennung hat man Stillschweigen vereinbart, weshalb sich Dorsaz auf Anfrage nicht äussern wollte. Dayer verwies auf die Debatte im Grossen Rat, der er nicht vorgreifen wolle. In der Session von kommender Woche wird der GPK-Bericht erneut Thema sein in Sitten. In der Zwischenzeit haben derweil die beiden Staatsräte der zuständigen Departemente, Jacques Melly für die R3 und Christophe Darbellay für die Landwirtschaft, die entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Nach drei Jahren steht sie also, die Strategie zur Umsetzung der landwirtschaftlichen Begleitmassnahmen.
Gleichzeitig wehrt sich Darbellay vehement gegen den Vorwurf, dass seine Dienststelle im vergangenen Jahr ausser Streiten nicht viel für die R3 beigetragen habe. 2018 habe die Dienststelle für Landwirtschaft 6900 Stunden für die Begleitmassnahmen aufgewendet, was vier Vollzeitstellen verteilt auf rund zehn Mitarbeitende der Dienststelle entspreche. «Das zeigt die Bereitschaft der Dienststelle, sich für das Projekt einzusetzen.» Dies, so der Wirtschaftsdirektor, anfangs sogar ohne zusätzliche Ressourcen.
Bauern nicht vor den Kopf stossen
Drei weitere Stellen wurden dann auf den Herbst 2018 geschaffen, damit die Dienststelle entlastet wird. Ob die neuen Angestellten tatsächlich auch voll und ganz für die R3 eingesetzt worden sind, ist nicht klar. Dokumente, die dem «Walliser Boten» vorliegen, lassen darauf schliessen, dass man etwa eine Praktikantin eingesetzt hatte, um auf den Äckern Pumpschächte zu inventarisieren. Die über 1000 Stunden, die sie hierfür aufgeschrieben hatte, sollen nun dem Bund verrechnet werden. Geht das? Das Bundesamt für Umwelt lässt hierzu lediglich ausrichten, dass man derzeit mit dem Kanton Wallis den entsprechenden Subventionsantrag vorbereite. Und dass man davon ausgehe, dass es aufgrund der Unstimmigkeiten nicht zu Verzögerungen des Projekts kommt. In Sitten heisst es derweil hinter vorgehaltener Hand, dass das Duo Dayer/Darbellay es sich nicht mit den Bauern verscherzen wolle. Deshalb halte sich die Lust, die teils schmerzhaften Begleitmassnahmen rasch anzugehen, in der Dienststelle in Grenzen. Nun, da die Strate-gie endlich stehen soll, dürften weitere Verzögerungen künftig schwieriger zu erklären sein.
David Biner
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