Dank Wirtschaftsboom | Die Bilanz der Walliser Regierung in den ersten 20 Monaten stimmt
Mit vollem Geldbeutel lässt es sich viel leichter regieren
Das erste Drittel der Legislatur ist Geschichte. Regieren war bisher einfach. Die echten Bewährungsproben folgen erst noch.
Jean-Michel Cina, Oskar Freysinger und Maurice Tornay machen keine politischen Schlagzeilen mehr. In der Politik sind Namen und Ereignisse schnell einmal nur noch Schall und Rauch. Cina dirigiert als Präsident die SRG, aber seit der No-Billag-Abstimmung im März ist es ruhig geworden. Tritt der Salgescher in der Öffentlichkeit auf, wie etwa beim Talk der Basler Versicherung oder am Empfang der neuen Bundesrätin Viola Amherd in Brig, ist er immer «gut drauf». Und von seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen hat er gar nichts verloren.
Mit dabei am Amherd-Empfang war auch Maurice Tornay. Auch gut gelaunt, aber diskret im Hintergrund bleibend wie immer. Innerlich wird sich der ausgewiesene Finanzpolitiker über die guten Staatsfinanzen freuen. Schliesslich hat er als Finanzminister dazu vor drei, vier Jahren die Basis gelegt. Am Fest der Bundesrätin war Oskar Freysinger hingegen nicht. Offizieller Gast war er dafür am vorletzten Samstag beim NLB-Volleyball-Spiel zwischen Visp und Münchenbuchsee. Als Matchballsponsor war er eingeladen. Dass er sich plötzlich mehr für Damen-Volleyball als für die Politik interessiert, nimmt man ihm freilich nicht ab. Seine politischen Schnell-Analysen in den Satzpausen bestätigen dies bald einmal. Aber die Politik scheint auch Freysinger nicht zu fehlen. Die meisten Kontakte habe er abgebrochen, sagt er. Einzig mit Maurice Tornay tausche er sich hie und da noch aus.
Zum Politik-Alltag und auch zur jetzigen Regierung haben sie durchaus ihre Meinungen und Ansichten. Offiziell hüten sie sich natürlich davor, Kommentare abzugeben. Etwas gesagt über die Walliser Regierung hat im November hingegen alt Bundesrat Pascal Couchepin: «Sieben Staatsräte braucht es nicht. Fünf genügen. Sie sind nicht überfordert.»
Von Sparmassnahmen spricht niemand mehr
Damit hat Couchepin natürlich recht. Zumindest in den letzten 20 Monaten war die Regierung weder mit Arbeit noch thematisch überfordert. Und man scheint es untereinander gut zu können, was nichts Schlechtes sein muss.
Regieren war im Wallis schon viel schwieriger. Das hat vor allem einen Grund: Der Wirtschaftsmotor brummt. Dem Tourismus gehts endlich besser. Alle schwärmen, was bei Lonza in Visp noch alles passieren wird. Im Hoch- und im Tiefbau herrscht dank der unsäglichen RPG-Revision weiterhin eine gute Auftragslage. Die Steuereinnahmen sind üppig, die Kassen voll. Finanzminister Roberto Schmidt muss sogar Geld in Fonds verstecken. Niemand erinnert sich mehr an Tornays Sparpakete PAS I und PAS II. Die meisten Sparmassnahmen sind wohl längst irgendwo in einer Schublade verschwunden. Von Stellenabbau spricht
niemand mehr.
Verbessert hat sich auch das Verhältnis der Regierung zu den Angestellten. Ende Oktober feierte der Staatsrat in corpore das 75-Jahr-Jubiläum des Zentralverbandes der Magistraten, der Lehrerschaft und des Personals des Staates Wallis (ZMLP). Ein gutes Einvernehmen mit diesem Verband mit fast 10 000 Mitgliedern ist eine gute Basis für eine Wiederwahl. Im Herbst 2015, als es ums Sparen ging, mussten sich die Staatsräte Tornay und Freysinger an der GV des ZMLP in Sitten noch böse Voten anhören. So schnell ändern sich die Zeiten.
Darbellay gerät mit der Schule in die Bredouille
Das weiss auch Finanzminister Roberto Schmidt. Er ist zu lange in der Politik, um sich von diesem gelungenen Start blenden zu lassen. Er erinnert immer wieder daran, wie rasch sprudelnde Quellen wie der Finanzausgleich, die Nationalbank-Gewinne, die Wasserzinsen oder die Steuereinnahmen versiegen können. Vorsichtshalber hat er deshalb bereits den FIGI-Fonds geschaffen. Die staatlichen Immobilien werden künftig darin verwaltet. Das freut die Gegner der Ausgaben- und Schuldenbremse, die gerne mehr Geld ausgeben, als vorhanden ist.
Knifflige Aufgaben hatte die Regierung bisher kaum zu lösen. Die Olympia-Abstimmung ging zwar in die Hosen. Doch so richtig mit Herzblut geweibelt haben die Staatsräte mit Ausnahme von Frédéric Favre dafür nicht. Und schuld war am Ende ohnehin das IOC.
Favre ist der Polit-Neuling in der Regierung. Er macht seine Sache trotz der Olympia-Niederlage ordentlich. Er setzt(e) endlich das Sportgesetz in Kraft und saniert die Gefängnisse. Im Unterwallis fusioniert er im Eiltempo Gemeinden, wobei die Geschwindigkeit die Kommunen vorgeben.
In der Schule gibt es im Oberwallis ein wenig Gegenwind für Christophe Darbellay. Die Kinder des ersten HarmoS-Zyklus sollen einen Halbtag mehr in die Schule. Es gibt Schlimmeres. Trotzdem laufen Eltern dagegen Sturm. Der Volksschule droht weiteres Ungemach, die Lust auf alternative Schulmodelle wächst. Hier wird der Bildungsminister mehr gefordert sein.
Mit der Verfassungsrevision muss sich die Regierung vorerst nicht mehr beschäftigen. In der Vergangenheit scheiterten mehrere Regierungen daran. Bei der konstituierenden Sitzung des Verfassungsrates am 17. Dezember 2018 klatschte die jetzige Regierung deshalb auf der Tribüne freudig Beifall. Da wird man es verschmerzen können, dass das Parlament die Bezirksklausel noch nicht abschaffen will. Eine Reform bringt die Regierung dennoch ins Ziel: Die Fristen zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang (Stände- und Staatsrat) werden verlängert, von zwei auf drei Wochen.
Spätestens dann, wenn das Geld knapper zu werden droht, wird die jetzige Regierung mehr gefordert sein. Darum ist es doppelt schade, dass man den jetzigen finanziellen Spielraum nicht nutzt für richtige Reformen. Im Gegenteil. Der Kanton ist zu einer richtigen Jobmaschine geworden. In zwei Jahren hat man mehr als zweihundert neue Stellen geschaffen.
Stattdessen ehrt das Wallis neu nicht nur Kulturschaffende. Es gibt nun einen Garten- und Landschaftspreis. 2018 geht er an das das Amt für Pärke und Spazierwege der Stadt Sitten für den Biotop-Garten hinter der Primarschule Châteauneuf. Hinzu kommt eine Auszeichnung an Persönlichkeiten, die zur «Ausstrahlung der Walliser Landwirtschaft» beigetragen haben. Bei der Premiere wurden vier besonders verdienstvolle Frauen ausgezeichnet.
Es ist noch mehr Bewegung drin. Die Dienststelle für Wirtschaftsentwicklung (DWE) im Departement von Christophe Darbellay heisst ab morgen Dienststelle für Wirtschaft, Tourismus und Innovation (DWTI). Das ist dringend notwendig. Das Wallis hat in Sachen Innovation Nachholbedarf, wie eine Studie der Universität Bern zum E-Government zutage brachte. Das Wallis ist im Kantonsranking Letzter. Es bleibt also viel zu tun.
A9 wird Zentimeter um Zentimeter gebaut
Es gibt auch Erfolge seit Mai 2017. Die Finanzierung der Rottenkorrektion ist auf guten Wegen. Mittlerweile kann man sich sogar den Luxus leisten, für die Renaturierung des Rottens einen internationalen Projektwettbewerb zu lancieren. Aufgegleist ist auch die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes (RPG). Der Kanton ist jetzt nur noch Zuschauer und Aufpasser. Er sieht, wie in vielen Gemeinden die Gemeinderäte kämpfen müssen, um viel Vermögen von Bürgerinnen und Bürgern zu vernichten.
Die A9 kommt voran. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates kommt in ihrem bereits siebten Bericht zum Bau der A9 im Oberwallis zum Schluss, dass man «Fortschritte erzielt». Wenn auch nur Zentimeter um Zentimeter. Alles Dossiers aus dem Departement Melly. Wohl auch deshalb wirkt der Departementsvorsteher viel entspannter als noch in der letzten Legislatur. Einfacher macht ihm das Regieren auch das Wissen, dass spätestens im April 2021 Schluss ist.
Keiner Wiederwahl mehr stellen muss sich auch Staatsraträtin Esther Waeber-Kalbermatten. Die Finanzierung des Ausbaus der Spitalinfrastrukturen im Wallis muss im Frühjahr zwar noch endgültig geregelt werden, aber mehr als eine Formsache ist das nicht. Selbst wenn es jetzt plötzlich 500 statt wie geplant 400 Millionen Franken kosten wird. Wenn die Wirtschaft läuft, lebts sich auch für die Sozialministerin einfacher. Und erstmals seit 2014 gibts auch wieder mehr Geld für Prämienverbilligungen. Geld verteilen ist immer schön.
Feiern übrigens auch. Ständeratspräsident Jean-René Fournier und Bundesrätin Viola Amherd bescherten der Walliser Regierung in diesem Dezember zwei prominente Auftritte auf der nationalen Politbühne in Bern und in Bankettsälen in Sitten und Brig. Eine solche Plattform wird das Wallis so schnell oder wahrscheinlich gar nie mehr bekommen. Nur schade, dass der schon lange gesuchte neue Cheflobbyist für den Kanton Wallis diese Chance noch nicht nutzen konnte.
Das Parlament lässt die Regierung in Ruhe
Das Walliser Parlament macht der Staatsrätin und den vier Staatsräten das Regieren auch einfach. Die SVP Oberwallis bewegt sich in vielen Themen im gleichen Gebiet wie die CVPO. Um wirklich etwas zu verändern, fehlt aber die Kraft. Die Unterwalliser CVP-Fraktionen stützen wie die CSPO-Fraktion mehr oder weniger die Politik ihrer Staatsräte. Die SVPU beackert weiterhin Themen wie die Sozialhilfe oder das Asylwesen. Ihre neue Rolle noch nicht gefunden haben die Radikalen. Mit dem Wiedereinzug in die Regierung hat die Fraktion viel an Profil verloren.
Die Linksallianz sorgt sich primär um die Beamten, will gar die Sanierung der Pensionskasse ablehnen. Ein Farbtupfer sind immerhin die Grünen. Sie setzen natürlich Schwerpunkte bei den Umweltthemen, sind aber in gesellschaftspolitischen und bei sozialen Fragen deutlich pragmatischer als die Linksallianz.
Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschäftigen sich am liebsten mit eigenen politischen Vorstössen. Sessionen mit 80 bis 100 Vorstössen sind mittlerweile die Regel. Man bekämpft die Asiatische Hornisse, debattiert über gedruckte Telefonbücher oder den Stopp der Verpackungswut. Kein Wunder, dass hie und da Interventionen vergessen gehen – was natürlich wieder einen neuen Vorstoss zur Folge hat…
Herold Bieler
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