Marco Streller | Die spannende Sondierungsphase der FC-Basel-Ikone
Unternehmer, Botschafter
Am bereits jahrelangen Monolog des FC Basel ist Marco Streller nicht mehr hauptbeteiligt. Sieben Monate nach seinem Rücktritt ist der ehemalige Topskorer auf anderen Pfaden unterwegs–aber die Kursführung des Meisters bestimmt er nach wie vor mit.
Auf die tägliche Zeitungslektüre verzichtet Marco Streller seit seinem Abschied vom Rasen ohne schlechtes Gewissen. Der 34-Jährige vermisst das pulsierende Fussball-Tagesgeschäft nicht, unter News-Entzugserscheinungen leidet der populärste FCB-Captain seit der Ära von Karl Odermatt im Normalfall nicht.
Anstelle von gefrorenen Plätzen befasst sich der achtfache Meister-Stürmer in der Woche vor dem Topspiel der Bebbi in der Super League gegen die Grasshoppers im Kreis seiner Familie mit eisigen Carving-Pisten–ebenfalls ohne Gewissensbisse. «Das habe ich mir verdient.» Wer nun aber glaubt, der Ex-Fussballer studiere vorwiegend Ferienprospekte und telefoniere mit seinem Bankberater, steckt in der Klischeefalle. Streller kniet sich in neue Projekte und stürmt in der Privatwirtschaft von einer Herausforderung zur nächsten.
Neue Realitäten
Er wirbelt mit Begriffen aus einer neuen Branche herum–Key-Accounts und Point of Sales sind jetzt massgeblich, nicht mehr Tore und Assists. An der im Detailhandel und im Verkaufsumfeld von Tankstellen operierenden Distributions-Firma seines Vaters ist Streller jr. zu 50 Prozent beteiligt und «inzwischen vermehrt operativ tätig», wie er sagt. Zupass kommt ihm ein «gewisses Netzwerk, das interessant sein kann».
«Ich mache spannende Erfahrungen und lerne permanent dazu»
Marco Streller
Streller spricht von einem Prozess und lacht über sich selber: «Mittlerweile rede ich wie mein Ex-Trainer Paulo Sousa.» Die Monate seit dem Rücktritt nimmt er als Sondierungsphase wahr: «Ich mache spannende Erfahrungen und lerne permanent dazu.» Das Programm beinhaltet Marketingneuland. Als eloquenter Botschafter der Chiefs AG hilft er mit, Functional Food im Handel zu platzieren.
Eine anhaltende Wertschätzung
Seine erfrischende, charakterlich einwandfreie Art kommt auch ausserhalb des grünen Terrains an. FCB-Patron Bernhard Heusler attestierte ihm vor der Dernière im letzten Juni «Rückgrat und Persönlichkeit». Die präsidiale Visitenkarte hat sich der Jung-Unternehmer gerne eingesteckt. Die anhaltende Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit.
Der Angreifer a. D. mit dem Fundus von 507 Wettbewerbsspielen gehört inzwischen zum offiziellen Organigramm des Super-League-Primus. Streller vertritt den Serienmeister nicht nur als Ambassador, er steht der Klubleitung in Transferan-gelegenheiten beratend zur Seite. Für ihn ist das Teilzeitmandat gleichermassen Chance und Herzensangelegenheit: «Mir eröffnen sich komplett neue Blickfelder, der Austausch in der Kommission ist sehr zielorientiert.»
Beim Engagement des Slowenen Andraz Sporar war der Standpunkt Strellers, der im Verlaufe seiner Profi-Karriere 200 Treffer markierte, nicht unerheblich–auch wenn er selber seinen Einfluss einschränkt: «Die Hierarchie an der Spitze ist klar, ich bin nur ein Teil der Kette. Aber dass mich die Klubleitung an der Entscheidungsfindung teilhaben lässt, werte ich als grossen Vertrauensbeweis.»
Auch wenn er sich erst mittelfristig festlegen mag und er momentan primär im eigenen Businessbereich Fuss zu fassen versucht, kann sich der frühere Internationale durchaus eine Laufbahn in der FCB-Teppichetage vorstellen. Unter Druck setzt ihn dabei niemand: «Sie lassen mich machen.» Aber es sei insgeheim schon ein Ziel, die Zusammenarbeit irgendwann zu intensivieren.
Der Mann des Dialogs
«Für mich ist durchaus vorstellbar, mit Bernhard Heusler und Georg Heitz in die Zukunft zu gehen.» Zur erfolgreichen Kommandozentrale der Bebbi pflegte Streller schon vor seiner Rückkehr 2007 ein enges und herzliches Verhältnis. Ihre Sichtweise ist mit seiner deckungsgleich. Für ihn sind die beiden die eigentlichen Urheber des Erfolgs: «An der Flughöhe Basels wird sich unter dieser kompetenten Führung nichts ändern.»
«An der Flughöhe des FCB wird sich mit dieser Führung nichts ändern»
Marco Streller
Für die Strategen von Rotblau wäre eine (noch) stärkere Einbindung Strellers künftig ebenso wünschenswert. Das Lokalkolorit im spielenden Kader schwindet, in der Stadionkurve wird die Identifikationsdebatte nicht erst seit dem Transfer der YB-Reizfigur Renato Steffen intensiver als auch schon geführt. Eine unumstrittene Ikone mit nötiger Relevanz und Kompetenz würde guttun.
«Der FCB kann sich nur selber stoppen. Deshalb muss man aufpassen, sich nicht ins eigene Bein zu schiessen.» Streller, schon während sei-ner Aktivzeit ausnahmslos ein integrativer Faktor, als interner Moderator und Spezialist für den vereinseigenen Dialog–eine nette Vorstellung und passend zu einer Organisation, die oft ein paar Takte weiterdenkt als die distanzierte Konkurrenz.
Sven Schoch, sda
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