Grosser Rat | Christophe Darbellay rügt Amtsübergabe seines Vorgängers Freysinger
«Ich fand ein leeres Büro vor»
Das Parlament hat vom Bericht über die Demission und die Wiederanstellung von Jean-Marie Cleusix Kenntnis genommen. Die Fraktionen zeigten sich über die Qualität und die Schlussfolgerungen des Berichts zufrieden. Bei seiner Stellungnahme zum Bericht beklagte Staatsrat Christophe Darbellay eine völlig fehlende Amtsübergabe durch seinen Vorgänger Oskar Freysinger.
Die Geschäftsprüfungskommission hat zunächst nicht verstanden, warum der Staatsrat angesichts der im Bericht aufgezeigten Missstände eine Versetzung vorgenommen hat. Doch in Anbetracht der rechtlichen Aspekte ist die Kommission zum Schluss gelangt, dass die gefällten Entscheide das geringste Übel für den Kanton darstellten. Dennoch bedauert sie, dass es dem Staatsrat aufgrund der geltenden Gesetzgebung nicht möglich war, Jean-Marie Cleusix fristlos zu entlassen, anstatt ihn als Lehrer ans Kollegium St. Maurice zu versetzen.
«Katastrophale Kommunikation»
Dieser Auffassung war nicht nur die Geschäftsprüfungskommission, sondern praktisch jeder Parolenführer. «Der Bericht stützt sich auf die rechtlich-formalen Aspekte des Falls und nicht auf das Fehlverhalten von Jean-Marie Cleusix. Natürlich hätte man ihn am besten fristlos entlassen. Das Parlament hat vor elf Monaten eine Motion angenommen, welche die Entlassung von Cleusix forderte. Doch die Angehensweise und Kommunikation des damaligen Departementschefs waren katastrophal», teilte Julien Dubuis von der PLR mit. Jonathan Darbellay von der Linksallianz listete eine ellenlange Aufzählung der Verfehlungen von Jean-Marie Cleusix auf, bevor er hervorhob: «Die Eltern des Kollegiums St. Maurice haben sicher keine Freude, ihr Kind an diese Schule zu schicken. Man kann doch niemanden damit sanktionieren, indem man ihn als Gymnasiallehrer anstellt».
Fall Cleusix wie ein Krimi
Für Konstantin Bumann von der CSPO liest sich der Fall Cleusix wie ein Kriminalroman. «Man hätte ihn entlassen müssen. Doch aus finanzieller Sicht war es wohl das beste, sonst wäre das den Kanton teuer zu stehen gekommen». Cleusix war allein deshalb nicht entlassen worden, weil aufgrund der gesetzlichen Grundlage einer Entlassung die aufschiebende Wirkung zuteil geworden wäre. Der Fall hätte sich womöglich jahrelang dahingezogen. In all dieser Zeit hätte der Kanton für seinen Lohn aufkommen müssen, ohne dass Cleusix eine Gegenleistung hätte erbringen müssen. Kommt hinzu, dass eine Entlassung von Cleusix womöglich juristisch angefochten worden wäre – mit unklarem Ausgang. Aus diesen Gründen hatte der Staatsrat von einer Kündigung abgesehen und den fehlbaren ehemaligen Chef der Dienststelle für Bildung als Lehrer angestellt.
Dem Staatsrat Instrumente geben
Für Sidney Kamerzin, Fraktionschef der CVPM, ist es an der Zeit, einen endgültigen Schlussstrich unter die Affäre Cleusix zu ziehen. Ins gleiche Horn bläst Philipp Matthias Bregy, Fraktionschef der CVPO: «Cleusix hat die Schule und den Staat erschüttert. Anstatt über die Schule, haben wir über den Dienstchef gesprochen. Der Staatsrat hatte leider nicht genug Werkzeuge in der Hand, um schneller zu handeln und solche Personen zu entlassen. Das Parlament muss der Regierung künftig solche Werkzeuge an die Hand geben». Diese Instrumente, wie sie Bregy genannt hat, sind in ihren Grundzügen von der Geschäftsprüfungskommission bereits vorgeschlagen. Insbesondere sollen künftig die Bestimmungen in Sachen Auflösung von Arbeitsverhältnissen und Disziplinarmassnahmen im öffentlichen Dienst vereinheitlicht werden. Zudem soll die automatische aufschiebende Wirkung von Kündigungen abgeschafft werden. Der Staatsrat wird diese Massnahmen auf ihre Umsetzbarkeit prüfen.
«Ich möchte dieses Kapitel zuschlagen»
Staatsrat Christophe Darbellay lobte den Bericht als hochstehende Arbeit. Der Bericht werde der Regierung dabei helfen, die richtigen Massnahmen einzuleiten, um ähnlich gelagerte Fälle künftig besser meistern zu können. «Insbesondere geht es darum, Personen entlassen zu können, die sich nicht angemessen verhalten», so Darbellay. Auch Darbellay sieht die Zeit gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen. Wenn auch nicht nur unter die Affäre Cleusix: «Es geht darum, diese Zeit (er meint die gesamte Amtszeit Freysingers; Anm. d. Red.) hinter uns zu lassen und die Missstände aufzuarbeiten, die in dieser Zeit entstanden sind. In der letzten Legislatur wurden im Bildungsbereich Regeln mit Füssen getreten und neue Regeln aufgestellt, die zu Chaos und Misstrauen führten. Ich möchte dieses Kapitel jetzt zuschlagen. In der Schule hat es Platz für alle Schüler. Für Behinderte und für Hochbegabte.» Darbellay beklagte anschliessend die fehlende Amtsübergabe durch seinen Vorgänger: «Ich habe ein völlig leeres Büro vorgefunden. Eine Amtsübergabe hat gar nicht stattgefunden. Ich habe Oskar Freysinger mehrmals angerufen, um eine geordnete Übergabe durchführen zu können. Eine solche ist aber nie zustande gekommen. Zum Glück habe ich sehr gute Dienstchefs, die mich über die Dossiers informieren konnten, so dass ich mir einen Überblick verschaffen konnte», betonte Staatsrat Christophe Darbellay.
wek
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