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«Der Wintersport darf nicht totgeredet werden»

Berno Stoffel ist Präsident der Oberwalliser Bergbahnen.
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Berno Stoffel ist Präsident der Oberwalliser Bergbahnen.
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Quelle: RZ 4

Trotz Krise und Imageverlust wollen sich die Bergbahnen neu erfinden und möglichst viele Wintersportler auf die Pisten locken. Berno Stoffel (47), Präsident der Oberwalliser Bergbahnen, über die Sorgen und Anliegen der Bergbahnbranche.

Vergangene Woche hat es oberhalb von 1000 Metern geschneit. Hat Ihnen der frühe Wintereinbruch ein Lächeln ins Gesicht gezaubert?
Man kann zwar noch nicht von einem Wintermärchen sprechen, aber der Anfang ist gemacht. Wir hoffen natürlich, dass die winterlichen Verhältnisse weiter anhalten.

Wie wichtig ist es für die Branche, dass es früh schneit?
Das ist sehr wichtig, nicht zuletzt auch deshalb, weil es mit dem Buchungsverhalten der Gäste zusammenhängt. Wenn es früh schneit, planen die Gäste ihren Urlaub schon im November. Nicht zu vergessen ist die Sportartikelbranche. Wenn bis Mitte Dezember T-Shirt-Wetter herrscht, wird es für die Sporthändler schwierig, Winterkleider zu verkaufen.

Noch stecken die meisten Anbieter in den Vorbereitungen für die kommende Wintersaison. Sind die Bergbahnen gerüstet für das Vorweihnachtsgeschäft?
Wir sind in den Startlöchern. In sehr vielen Destinationen laufen die Schneekanonen auf Hochtouren. Gerade in der vergangenen Woche wurde die künstliche Beschneiung überall forciert. Auch die neuen Bahnen in Saas-Fee und Zermatt sind startklar. Zudem laufen vor der Wintersaison bei vielen Bergbahnen Mitarbeiterschulungen. Insofern glaube ich, dass die Destinationen einen guten Job machen und für den Gästeansturm gewappnet sind.

Das Wintersport-Business bleibt hart umkämpft und die einzelnen Destinationen buhlen um die Gunst der Gäste. Zudem macht der harte Franken die Sache nicht einfacher. Rückt dadurch der Schweizer Gast wieder vermehrt in den Fokus?
Dem ist so. Wenn viele Gäste aus Deutschland und anderen europäischen Staaten ausbleiben, wird der inländische Markt vermehrt bearbeitet. Das hat seine guten Gründe: Einerseits ist man den Währungsschwankungen nicht ausgesetzt und andererseits sind die Anreisewege sehr kurz. Das spricht für den Schweizer Gast. Auf unsere Region bezogen sind wir diesbezüglich in einer guten Position. Viele Walliser Regionen haben in den letzten Jahren die Romands als neue Zielgruppe entdeckt. Besonders in Zermatt sind die Gäste aus der Westschweiz sehr präsent. Während wir im Wallis die Konkurrenz aus dem benachbarten Ausland, sprich Frankreich, nicht so gross spüren, muss sich beispielsweise das Bündnerland gegenüber den österreichischen Anbietern viel stärker behaupten. Der Grund ist darin zu suchen, dass die französischen Destinationen viel teurer sind als die österreichischen Anbieter.

Vielen Familien fehlt schlicht das Geld, um ihre Ferien in einer Wintersportdestination zu verbringen. Spüren das auch die Oberwalliser Bergbahnen?
Sicher ist es nicht einfacher geworden, Familien für Winterferien zu gewinnen. Trotzdem gibt es einige Vorzeichen, die Anlass zur Hoffnung geben. Eine Studie der regionalen Direktorenkonferenz im Tourismus beispielsweise besagt, dass 50 Prozent der deutschen Winterurlauber Familien sind. Das widerspricht der Behauptung, dass sich viele Familien keine Winterferien mehr leisten können. Wir in Grächen setzen sehr konsequent auf Familien und sind damit immer noch erfolgreich. Es macht also durchaus Sinn, für Familien zu werben.

Noch ist die Wintersaison in den meisten Destinationen nicht angelaufen. Sind erste Vorzeichen für ein gutes Wintergeschäft erkennbar?
Noch ist es schwierig, gute Zahlen zu prognostizieren. Aber die ersten Nachfragen sind vielversprechend. Viele Anrufer erkundigen sich nach dem Saisonstart und der Schneegarantie. Darum kommt uns der frühe Wintereinbruch entgegen. In Grächen haben wir gegenüber dem Vorjahr einen guten Buchungsstand. Das lässt uns hoffen. In erster Linie ist es für alle Destinationen aber wichtig, die Zahlen zu halten. Erst dann können wir weiter aufbauen.

Die Bergbahnen Saas-Fee werben im Rahmen einer Aktion mit einem extrem niedrigen Abo-Preis. Bis Ende November offeriert das Unternehmen die Saisonkarte für 222 statt 1050 Franken. Was halten Sie von dieser neuen Form des Marketings?
Diese Aktion hat ein grosses mediales Echo ausgelöst und sehr viel Aufmerksamkeit für Saas-Fee, aber auch für die ganze Region gebracht. Von daher darf sie sicher als gelungen bezeichnet werden. Bisher wurden aber noch nicht einmal die Hälfte der 100 000 Abonnemente bestellt. Zudem läuft den Promotoren die Zeit davon.

Falls der Plan aufgeht, würden die Bahnen gleich zu Beginn des neuen Geschäftsjahres auf einen Schlag 22 Millionen Franken einnehmen, was ungefähr einem Jahresumsatz entspricht. Glauben Sie, dass das Vorhaben gelingt?
Es wird eng, denn über zwei Drittel der Zeit sind um. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Bergbahnen Saas-Fee die Abonnemente, die nicht verkauft werden, selber erstehen, um sie dann während der Saison weiterzuverkaufen. Ich denke, dass in etwa zwei Drittel der angestrebten 100 000 Abonnemente im Vorfeld abgesetzt werden müssten. Sonst geht die Rechnung nicht auf.

Die Aktion von Saas-Fee bringt viele Mitbewerber in die Bredouille. So blieb den Hohsaas-Bergbahnen nichts anderes übrig, als ihre Preise anzupassen und massiv zu reduzieren. Wohin führt diese Entwicklung?
Es ist relativ einfach: Preis mal Menge, sprich Ticketpreis mal Anzahl Skifahrer ergibt den Umsatz. Saas-Fee versucht mittels einer Senkung des Preises und einer Erhöhung der Menge den Umsatz zu erreichen. Dafür sind aber enorme Marketinginvestitionen notwendig. Jetzt einfach nur die Preise zu senken ohne Aussicht auf mehr Skifahrer, ist betriebswirtschaftlich äusserst gefährlich und kann schwerwiegende Folgen haben.

Gibt es auch Pläne innerhalb der Branche, miteinander die Zukunft anzugehen?
Die Bergbahnen sind zu klein strukturiert und besonders kleine Bahnen haben je länger, je mehr Probleme, den heutigen Vorschriften gerecht zu werden. Wir haben ein Projekt mit Zermatt, Aletsch, Grächen, Visperterminen, Bürchen und Leukerbad aufgegleist, wonach ein Servicecenter Bergbahnen Oberwallis gegründet werden soll. Das Ziel ist es, innert Jahresfrist eine Gesellschaft zu gründen, die Serviceleistungen von den Bahnen für die Bahnen anbieten kann. Das Aufgabenspektrum kann anfangen von der Revision von Skiliften bis hin zu Spezialarbeiten oder der gesamten Betriebsführung. Falls uns dies gelingt, kann eine solche Kooperation Modellcharakter für andere Regionen in der Schweiz haben.

Sind die Walliser Bergbahnen gegenüber ihren ausländischen Mitbewerbern konkurrenzfähig?
Die Skigebiete in den französischen Alpen und in Österreich haben in den letzten Jahren extrem viel in den Komfort der Anlagen und Pisten investiert. Da haben wir hier bei uns grossen Nachholbedarf. Mit dem Tourismusfonds hat hier die Politik einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Dadurch können Bahnanlagen saniert werden, die schon längst überfällig sind. Das hilft uns sicher weiter. Immer noch sind im Kanton Wallis 114 Anlagen in Betrieb, die sofort ersetzt werden müssen. Noch schwieriger ist es mit den Beschneiungsanlagen. In Südtirol werden heute rund 90 Prozent aller Pisten künstlich beschneit. In Tirol sind es 75 Prozent. Bei uns hingegen kann nur gut ein Drittel der Pisten beschneit werden. Diese Unterschiede sind frappant und wirken sich
in einem schneearmen Winter wie im letzten Jahr massiv aus.

Warum kann denn im Ausland, sprich in Österreich so viel mehr in die Bergbahnen investiert werden als bei uns?
Hierfür gibt es drei Gründe: Die Bergbahnen erwirtschaften erstens einen höheren Cashflow, weil die Kosten viel geringer sind. In Österreich sind die Löhne der Angestellten um die Hälfte tiefer als bei uns. Und wir sind wirklich nicht bekannt als eine Branche mit hohen Löhnen. Zweitens liegt die Eigenkapitalquote der Bergbahnen auf durchschnittlich 15 bis 20 Prozent. In der Schweiz muss diese doppelt so hoch sein, um Geld von den Banken zu erhalten. Deshalb ist es für österreichische Bergbahnen viel leichter, Fremdkapital zu beschaffen. Drittens werden die Investitionen in die Bergbahnen massiv mit öffentlichen Geldern unterstützt.

Was kann denn die Politik im Kanton Wallis machen, um hier Gegensteuer zu geben?
Die Politik ist gefordert, um Eckpfeiler für die nächsten 50 Jahre im wichtigsten Wirtschaftssegment des Kantons einzuschlagen. Die Bergbahnen haben eine grosse Hebelwirkung auf den ganzen Tourismus. Zu jedem Franken, den die Gäste für Bergbahntickets ausgeben, werden sechs Franken in der Destination ausgegeben. Wir Walliser Bergbahnen wollen einfach dieselben Spiesse, um auf dem Markt bestehen zu können. Zu meinen, dass der Tourismus und das Bergbahngeschäft ein freier Markt sind, stimmt nicht. Von Bayern über Südtirol, im Val d’Aosta und im Waadtland laufen intensive politische Unterstützungsprogramme für die Investitionen in die Bergbahnen. Bis heute hat der Kanton Wallis noch nie direkte Subventionen in die Bergbahnen gesprochen. Wir möchten, dass sich dies ändert. Gleichzeitig haben wir im neuen Bergbahngesetz auch die Regeln festgelegt, welche Unternehmen in den Genuss dieser Fördergelder kommen sollen.

Hat der Schneesport im Wallis eine Zukunft?
Natürlich. Was gibt es Schöneres, als ein Pistenerlebnis zu geniessen inmitten einer traumhaften Kulisse? In den letzten Jahren wurde der Wintersport immer wieder totgeredet. Das darf nicht sein. Der Wintersport ist für unsere Region extrem wichtig und generiert allein im Wallis jedes Jahr 1,9 Milliarden Franken Umsatz. Das muss man sich vor Augen führen. Natürlich erleben wir momentan eine Krise und müssen uns neu erfinden. Aber hier in unserer wunderschönen Region mit den schönsten und höchsten Bergen Europas den Wintersport erleben zu dürfen; das sind nahezu paradiesische Zustände.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Berno
Name Stoffel
Geburtsdatum 13. November 1969
Familie Verheiratet, ein Sohn
Beruf Direktor Touristische Unternehmung Grächen
Funktion Präsident Walliser Bergbahnen
Hobbies Skifahren, Lesen, Wandern, "Tschuttu"

Die Dumping-Aktion von Saas-Fee ist für alle anderen Destinationen ein Schlag ins Gesicht.  Nein
Es hat zu viele Wintersportorte im Oberwallis.  Nein
Meine Skiferien verbringe ich ausschliesslich in der Schweiz. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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Kommentare

  • Mee-Shee - 20

    Leider ist es nicht nur das Geld, dass den Familien zum Skifahren fehlt..
    Es fehlt auch die Lust.... immer weniger nehmen sich die Zeit in die Berge zu fahren und ziehen einen gemütlichen Tag zu Hause im Pyjama einem in Skischuhen vor .... und das ist Fakt... Die Menge Skifahren wird in den nächsten Jahre bestimmt nicht mehr ..

  • Piet Vennik - 103

    Nach 40 jahre skiën in SaasFee, halte ich es voor gesehen. Kurtax wurgde letztes jahr mit 4,50 franken erhoeht. Das ist meiner Meininger nach unverantwort, in dieser zeit !

  • Marcel Lagger - 262

    Da hatten wir schon offenere Töne von diesem Klugen Kopf.
    "Keine Subventionen durch das Wallis für die Bergbahnen",
    - ok, und wie viele Millionen durch die Gemeinden?
    "Investitionsstau durch zu geringen Cashflow, weil die (Personal-) Kosten so hoch sind";
    - nein, weil vorne in die Pipeline nicht reinkommt - die Hänge sind leer, selbst in absoluten Top-Zeiten.
    Das war jetzt mal absolute Lobbyarbeit, Herr Stoffel und verdeutlicht einmal mehr das Grundproblem: hier eiert jeder alleine rum, die Bahnen, die Hotels, die Gastronomie usw.
    Meine Hoffnung schwindet!

  • Viége - 417

    Nicht das ich ein Objektives Interview erwartet habe, aber meine Güte: Man sollte schon merken, das die Goldene Jahre im Wintertourismus vorbei sind. Das Konsumverhalten verändert sich, es gib zig Gründe. Schönreden des Problem und Status Quo? Schlechte Idee!

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