Genf/Brig-Glis | Anja Wyden Guelpa vor Rücktritt als Genfer Staatskanzlerin

«In Genf ist alles viel kleiner und konzentrierter»

Anja Wyden Guelpa in ihrem Büro im Hôtel de Ville mitten in der Genfer Innenstadt.
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Anja Wyden Guelpa in ihrem Büro im Hôtel de Ville mitten in der Genfer Innenstadt.
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Nach achteinhalb Jahren an der Spitze der Genfer Staatskanzlei will Anja Wyden Guelpa ihr Amt niederlegen. Erst aber muss die Oberwalliserin als «Akteurin und privilegierte Zuschauerin» einen harten Wahlkampf überstehen.

Genf wählt am 15. April ein neues Parlament und die Regierung. Mittendrin im Wahlkampf: die Oberwalliserin Anja Wyden Guelpa, die Staatskanzlerin vom Kanton Genf. Sich selbst sieht sie «gleichzeitig als Akteurin und als privilegierte Zuschauerin». Ihre Kindheit verbrachte sie im Stockalperhaus in Brig. «Nach zwei Jahren am Kollegium bin ich aber schon die Rhone hinabgeschwommen und habe als erste Oberwalliserin im Collège de la Planta in Sitten die Matura abgeschlossen.» Um in Genf zu studieren, zog sie weiter der Rhone entlang und hat dabei Séverin Guelpa kennen- und lieben gelernt und schliesslich geheiratet.

«Ich hatte nur 24 Stunden»

Im November 2009 wurde die damals 36-jährige Generaldirektorin für soziale Angelegenheiten des Kantons Genf per SMS zu ihrem Chef, Staatsrat François Longchamp, zitiert. Sie habe schon das Schlimmste befürchtet, erinnert sie sich, doch stattdessen habe er ihr das Amt der Staatskanzlerin angeboten. Ein Amt, für das man vom siebenköpfigen Gesamt-Staatsrat einstimmig gewählt werden müsse. «Ich hatte aber nur 24 Stunden Zeit, um zu überlegen, ob ich die Wahl annehmen möchte, und ich durfte mit niemandem darüber reden ausser mit meinem Mann», erzählt sie. Bereits zwei Wochen später, am 9. Dezember 2009, trat sie ihr Amt an – die Feuertaufe folgte schon drei Tage später, am höchsten Genfer Feiertag, der Escalade, wenn sich die Genfer daran erinnern, wie sie sich 1602 gegen die Savoyer verteidigt haben.

Genf ist konzentrierter

Seither findet sie kaum mehr Zeit für ihre geliebten Berge. «Mein Mann, ein Künstler, fühlt sich als Genfer schon mehr als Walliser als ich selbst», schmunzelt sie. Sie beschränkt sich stattdessen auf Yoga als Ausgleich zu ihrem öffentlichen Amt – zumal sie von vielen erkannt wird. Sieht andererseits aber auch, was Genf im Gegensatz zum Wallis zu bieten hat. Namentlich den Genfersee, das grosse kulturelle Angebot und die im Vergleich zur Fläche wahrscheinlich grösste Konzentration von Museen der Welt – und für sie, die gerne reist, auch den nahen Flughafen. «In Genf ist alles viel kleiner und konzentrierter», vergleicht sie die Grossstadt mit ihrer Walliser Heimat. Hier besitzt sie unterhalb der Belalp noch ein Chalet, wo sie dafür wieder Luft zum Atmen habe. Sie findet aber auch Gegensätze, die sie in Genf vermisst. «Walliser sind herzliche, sympathische Menschen, die einen gleich duzen, wenn man mal im Postauto sitzt und von Brig nach Blatten fährt», erzählt sie. Im Wallis lebe man auch mehr nach dem Grundsatz, wonach erst die Arbeit, dann das Vergnügen kommt – vielleicht in Form von einem guten Glas Wein.

Spielplatz Schlossgarten

Als sie ihren Freunden mitteilte, dass sie zum Ende der laufenden Legislatur zurücktreten wolle, meinten diese: «Jetzt können wir einander endlich wieder sehen.» Nach ihrem Rücktritt möchte sie ihre Zeit dritteln und Verwaltungsratsmandate annehmen, Unternehmen, Stiftungen und öffentliche Verwaltungen strategisch beraten und sich für unbezahlte Arbeiten in Stiftungsräten einsetzen. Ein solches Mandat hat sie bereits inne – sie ist sogar Stiftungsrats-Präsidentin des Stockalperschlosses in Brig. Wiederum bekleidet sie ein Amt, um das sie sich nicht beworben hat. «Man suchte wohl jemanden, der einen Bezug zum Wallis hat, aber nicht im Wallis wohnt», schätzt Wyden Guelpa. Sie hat sogar einen Bezug zum Schloss: «Als kleines Mädchen war der Schlossgarten so etwas wie der eigene Garten und mein Spielplatz.» Erst mal muss sie sich aber noch um den Wahlkampf kümmern. In Genf werde dieser besonders hart geführt. Gleich 31 Kandidaten bewerben sich um die sieben Sitze in der Genfer Regierung. Nicht selten werden amtierende Staatsräte abgewählt. «Das führt zu mehr Kritik und weniger Spielraum im politischen Alltag», hält sie fest, «weil nicht nur links und rechts einander bekämpfen, sondern auch noch ein dritter Block, die Populisten.» Gemeint sind die Genfer SVP und Gruppierungen wie das rechte Mouvement Citoyens Genevois (MCG), welche vor allem aus Frankreich kommende Gastarbeiter im Visier haben, und «Genève en Marche».

Christian Zufferey

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