Mord an Sozialtherapeutin
Seilziehen um Arztgeheimnis im Strafvollzug
Nach dem Tötungsdelikt an der Genfer Sozialtherapeutin ist harsche Kritik an der Westschweizer Gefängnispsychiatrie aufgekommen. Ein Jahr nach der Tat wollen die Kantone Genf, Waadt, Wallis und Jura das Arztgeheimnis lockern. Die Ärzteverbände protestieren heftig.
Am weitesten geht der Vorschlag des Genfer Gesundheitsdirektors Mauro Poggia (MCG). Er will die in Strafanstalten tätigen Ärzte dazu verpflichten, wichtige Informationen zur Beurteilung der Gefährlichkeit der Häftlinge an die Strafvollzugsbehörden weiterzugeben.
In eine ähnliche Richtung geht ein Walliser Vorschlag, der bald dem Kantonsparlament vorgelegt werden soll. Auch die Waadt will in einer Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Strafrecht den Informationsaustausch zwischen den Ärzten und Behörden erleichtern.
Die Präsidentin des Walliser Ärzteverbands, Monique Lehky Hagen, bezeichnete dies in der aktuellen Ausgabe der Schweizerischen Ärztezeitung als «unverhältnismässig und kontraproduktiv». Er führe zur Aufweichung des Arztgeheimnisses und verunmögliche den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zum betroffenen Häftling.
Der Arzt erhalte damit keine relevanten Informationen mehr, sodass eine angemessene Behandlung nicht mehr möglich sei. Durch den Informationsverlust könne der Arzt auch eine mögliche Gefahrensituation verkennen.
«Erosion des ärztlichen Berufsgeheimnisses»
Bereits im Mai hatten die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) und die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) eine «Erosion des ärztlichen Berufsgeheimnisses» angeprangert.
Die Schwächung des Arztgeheimnisses könne gefährlich sein. Öffne sich ein verurteilter Täter gegenüber seinem Therapeuten nicht, kann der Arzt ihn weder therapieren noch seine Gefährlichkeit einschätzen. Bereits heute könnten Ärzte bei der Aufsichtsbehörde beantragen, sich in Ausnahmefällen vom Berufsgeheimnis befreien zu lassen.
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