Visp | Frontalinterview mit Thomas Pfammatter

«Die Zukunft wird den Elektroflugzeugen gehören»

Thomas Pfammatter.
1/3

Thomas Pfammatter.
Foto: zvg

Thomas Pfammatter mit Sébastien Demont und Dominique Steffen (von links).
2/3

Thomas Pfammatter mit Sébastien Demont und Dominique Steffen (von links).
Foto: Jean-Marie Urlacher

Die Twister mit Elektromotor.
3/3

Die Twister mit Elektromotor.
Foto: Jean-Marie Urlacher

Quelle: RZ 0

Er ist Pilot der Air Zermatt, Akrobatikflieger und Unternehmer. Thomas Pfammatter (47) hat nicht nur schon über 10 000 Stunden in der Luft verbracht, sondern entwickelte zusammen mit Kollegen ein Elektro­flugzeug – eine Pionierleistung.

Herr Pfammatter, Sie sind seit über 20 Jahren Pilot bei der Air Zermatt, woher kommt diese Begeisterung fürs Fliegen?
Schon als Kind träumte ich, Pilot zu werden. Alles was von null aufwärts geht, fasziniert mich. Das ist auch nach 30 Jahren noch so.

Seit wann fliegen Sie?
Mit 17 Jahren habe ich meine Flächenflieger­lizenz, also den Pilotenschein für Flugzeuge, gemacht. Ich konnte also eher fliegen als Auto fahren. Mit 20 Jahren machte ich dann meine Helikopterlizenz. Die gesamte Helikopterausbildung bei der Air Zermatt dauert aber dann nochmals vier bis fünf Jahre, bis ein Pilot auf dem Niveau der Air Zermatt ist.

Daneben sind Sie auch Akrobatik-, also Kunstflieger.
Ja, das ist mein Hobby, meine grosse Passion. Zusammen mit Dominique Steffen habe ich ein Akroflugzeug, eine russische Yak 55. Dominique war Weltcupsieger im Gleitschirmkunstflug, ein «Red Bull Athlet», und von Beruf Ingenieur. Irgendwann haben wir uns gesagt, jetzt ist die Zeit reif für ein Elektroflugzeug.

«Ich konnte eher fliegen als Auto fahren»

Warum gerade jetzt?
Die Elektrotechnologie, die Batterien, sind jetzt so gut, dass man sie nicht nur in der Automobilbranche, sondern auch in der Luftfahrt verwenden kann. Die Akrofliegerei ist prädestinierte Anwendung für Elektroflugzeuge.

Warum?
Beim Kunstflug fliegt man nie länger als eine halbe Stunde. Man muss keine langen Strecken zurücklegen. Wir haben errechnet, dass es möglich ist, ein Elektroflugzeug zu bauen, das sinnvoll Akro machen kann.

Wie haben Sie das Projekt «Elektroflugzeug» finanziert?
Ich kenne die verantwortlichen Leute der Uhrenmarke «Hamilton» und konnte sie überzeugen, unsere Idee finanziell zu unterstützen. Daneben bekamen wir grosse Unterstützung vom Kanton Wallis und einigen innovativen Oberwalliser Unternehmen.

Einige sich in der Entwicklung befindlichen, elektrisch angetriebenen Flugzeuge für Kunstflüge können eine Viertelstunde in der Luft bleiben. Wie konnten Sie diese Zeitspanne verdoppeln?
Ein Elektroflugzeug muss effizient gebaut sein, damit es mit wenig Energie fliegen kann. Es muss aerodynamisch und leicht sein. Eine Piper etwa ist für einen Elektromotor ungeeignet. Wir hatten das Glück, dass so ein geeignetes Flugzeug schon existiert: eine Twister. Dieses haben wir dann mit Batterien und einem Elektromotor ausgerüstet. Dominique ist ein absoluter Spezialist im Integrieren. Es musste ja ein neuer Motorträger konstruiert werden, ein für Elektromotoren geeigneter Propeller gefunden werden, man muss mit der Hitzeentwicklung der Batterien umgehen können. Zum Vergleich: Die Batterien in unserem Elektroflugzeug haben die dreifache Kapazität einer Tesla-Zelle. Das Batteriemanagementsystem ist sehr wichtig. Dazu brauchten wir einen Spezialisten auf diesem Gebiet.

Und da haben Sie dann Sébastien Demont mit ins Boot geholt?
Sébastien Demont war während zehn Jahren Chef-Elektroingenieur des Projekts Solar Impulse, des Flugzeugs von Bertrand Piccard und André Borschberg, das von März 2015 bis Juli 2016 mittels Solarenergie die Welt umrundete. Sébastien hat weltweit die grösste Erfahrung im Bereich Batteriemanagementsysteme. Mit ihm zusammen haben wir das gesamte Batterieelek­trosystem zusammengebaut. So konnten wir den Flieger nach einer rund einjährigen Entwicklungszeit in die Luft bringen. Am 7. Juni 2016 war der offizielle Jungfernflug.

Was sind denn die Vorteile eines Fliegers mit Elektroantrieb?
Ein Elektromotor ist bis zu zehnmal robuster als ein Verbrennungsmotor. Die Unterhaltskosten sind signifikant tiefer. Insgesamt sind die Kosten für ein Elek­troflugzeug zwei Drittel tiefer als die für ein Flugzeug mit Verbrennungsmotor. Die Sicherheit ist höher, weil Batterien im Fall eines Absturzes oder Unfalls nicht explodieren. Dazu ist es sehr leise und vibrationsarm. Ein Elektroflugzeug macht weniger Lärm als ein Auto. Es ist einfach ein erhabenes Gefühl, damit zu fliegen.

Erinnern Sie sich, als Sie mit dem Elektroflugzeug erstmals in der Luft waren?
Ja, das kam unabsichtlich zustande. Mit einem neuen Flugzeug übt man auf der Piste zuerst das schnelle Rollen, gibt Gas – nimmt Gas zurück. Der Standardablauf ist: Kontrollblick Drehzahl, Kontrollblick Geschwindigkeit und dann schaut man raus auf die Piste, rollt und startet. Mit diesem Flugzeug habe ich Gas gegeben, schaue auf die Geschwindigkeit: 110 km/h – ups. Ich schaue raus und sehe: Ich bin schon 10 Meter über Boden. Der Flieger hat ein unglaubliches Drehmoment. Nach 50 Metern ist man in der Luft. Zum Vergleich: Ein vergleichbares konventionelles Flugzeug braucht 250 Meter. Ich bin überzeugt davon: Die Zukunft wird den Elek­troflugzeugen gehören. Das ist die dritte Revolution in der Luftfahrt. Die Elektrofliegerei wird die Welt verändern.

Also in Zukunft werden auch normale Passagierflugzeuge elektrisch angetrieben werden?
Es fängt jetzt an mit Akrofliegerei und mit kleinen Zweisitzerflugzeugen, die ein bis zwei Stunden fliegen können. Man redet davon, dass in 20 Jahren Kurzstrecken, also innereuropäische Flüge, mit Elektroflugzeugen gemacht werden. Fairerweise muss gesagt werden: Die Batterien sind noch nicht ganz so weit. In der ersten Phase werden zur Überbrückung noch Hybridsysteme zum Einsatz kommen wie man es bei den Autos kennt.

Apropos Auto: Fahren Sie ein Elektroauto?
Nein, noch nicht. Aber mein nächstes Auto wird sicherlich ein Elektroauto sein.

Wie geht es mit Ihrem Projekt Elektrofliegerei weiter?
Zu Demont, Steffen und mir sind jetzt noch Gregory Blatt und André Borschberg dazu gestossen. Wir fünf haben das Startup-Unternehmen H55 gegründet. Unsere Firma will die Elektrotechnologie so weiterentwickeln, damit zukünftige Fluggeräte mit Elektromotoren ausgerüstet werden können. H55 möchte an diesem Milliardenmarkt teilnehmen. Wir profitieren dabei von der Arbeit mit unserem Elektroakrobatikflugzeug. Unser Team hat zehnmal mehr Erfahrung in der bemannten Elektrofliegerei als jeder andere auf der Welt. Das Team H55 hat 2000 Stunden Flugerfahrung mit Elektroflugzeugen.

Wie sehen Sie die nächsten grossen Schritte in der Luftfahrt?
Die nächste Generation Flugzeuge wird senkrecht starten und landen können – dank der hohen Energiedichte, die man mit Elektromotoren erzeugen kann. Wir werden in Zukunft fähig sein, mit derartigen Fluggeräten zu Kilometerkosten von Autos zu reisen. Das bringt eine riesige Veränderung. In fünf Jahren wird es in Dallas und Dubai Flugtaxis geben und hoffentlich bald auch im Wallis. Es wird dann selbstverständlich sein, dass wir mit dem Flugzeug in einer halben Stunde von Brig nach Zürich reisen.

«In fünf Jahren gibts in Dallas Flugtaxis»

Vom 15. bis 17. September findet mit der «Breitling-Flugshow» in Sitten die grösste Flugshow der Schweiz statt. Werden Sie mit Ihrem Elektroflugzeug auch vor Ort sein?
Ja, H55 kann sein Flugzeug präsentieren. Wir werden an der Ausstellung einen Stand haben.

Im Zusammenhang mit Flugshows erinnert man sich an das Unglück 1988 im deutschen Rammstein zurück, als ein Flugzeug einer Kunststaffel in die Zuschauer stürzte. Die Folgen: 70 Tote und über 1000 Verletzte. Sind solche Flugshows nicht zu gefährlich?
Man hat aus solchen Unglücksfällen gelernt und die Sicherheit verbessert. Eine Vorschrift ist, dass bei Flugshows die Figuren nie mehr über und gegen das Publikum geflogen werden dürfen, sondern nur noch parallel oder von den Zuschauern weg. Die absolute Sicherheit gibt es, wie überall im Leben, aber nicht.

An der Flugshow in Sitten werden über 120 verschiedene Flugzeuge zu sehen sein, vom modernen Jagdflugzeug bis zur «Spitfire» aus dem zweiten Weltkrieg. Was ist eigentlich Ihr Lieblingsflugzeug?
Ob nostalgisch oder neu: Jedes Flugzeug, das fliegt, finde ich cool. Ich bin ein «Volomane», ein absoluter Flugzeugfreak.

Frank O. Salzgeber

Artikel

Infos

Zur Person

Vorname Thomas
Name Pfammatter
Geburtsdatum 23. August 1970
Familie in Partnerschaft, eine Tochter
Beruf Betriebsökonom
Funktion Pilot der Air Zermatt und Unternehmer
Hobbies Fliegen, Sport

Nachgehakt

Ich kann besser Fliegen als Auto fahren. Ja
Ich wäre nie mit einer Partnerin 
zusammen, die Flugangst hat.
Nein
Kleinflugzeuge sind weniger sicher 
als Verkehrsflugzeuge.
Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31