Region | Bern/Ernen

Wer steckt hinter dieser Frau?

Clausette la Trine ist die bekannteste Draq Queen von Bern.
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Clausette la Trine ist die bekannteste Draq Queen von Bern.
Foto: zvg

Achim Steffen: «Ich will die Leute provozieren.»
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Achim Steffen: «Ich will die Leute provozieren.»
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Bern/Ernen | Clausette la Trine ist eine schrille Drag Queen, die in den Berner Szenelokalen das Publikum zum Staunen bringt. Wer ist der Mann, der sowohl Frauen wie Männer betört?

Fesselnder Blick, laszive Pose, graziler Gang − wenn Clausette la Trine die Bühne betritt, geht ein Raunen durch den Saal. Die fast zwei Meter grosse Drag Queen weiss sich in Szene zu setzen und zieht das Publikum in ihren (seinen) Bann. Clausette weiss die Menschen zu verzaubern, bringt sie zum Staunen, zum Schmunzeln und − manchmal auch − zum Nachdenken.

Ein gewöhnlicher «Giel»

Wer aber steckt hinter der schrillen und auffälligen Drag Queen, die mit ihrem Auftreten die Menschen bewusst provoziert? Ich treffe mich mit Achim Steffen (36), einem gebürtigen Oberwalliser, im Berner Szenelokal «Kapitel». Achim, 1.89 Meter gross, schlank, gepflegt und gut gekleidet, ist auf den ersten Blick ein gewöhnlicher «Bärner Giel». Erst nach längerer Unterhaltung entdeckt man die andere, ihm eigene Art, mit der Achim Steffen das Berner Nachtleben aufpeppt. In Ernen aufgewachsen, merkt er schon früh, dass er schwul ist. «Ich habe mich aber nicht geoutet, weil ich dachte, dass man im Wallis nicht schwul sein darf.» Darum will er weg aus dem kleinen Bergdorf. Nach der Matura geht er nach Bern, um Betriebswirtschaft zu studieren. Hier schliesst er sich der schwul-lesbischen Unigruppe an. «Innert kurzer Zeit explodierte mein Bekanntenkreis und ich lernte viele Leute kennen», erinnert sich Steffen, der sich an Partys in der Jugendgruppe engagiert.

Zwölf-Zentimeter-Absätze

Achim Steffen grinst. «Bei einer dieser Partys habe ich mich als Frau verkleidet.» Nicht zum ersten Mal, wie er später erzählt. «Bei einer Familienfeier im kleinen Kreis habe ich einmal eine Frau imitiert. Das Echo war sehr positiv.» Das ermuntert den damals knapp 20-jährigen Burschen, es nochmals zu versuchen. Mit Erfolg. «Ich hatte fortan fast jeden Monat einen Auftritt in Frauenkleidern. Das gibt Routine», blickt Steffen zurück. Nachdem er sein Studium zum Betriebswirt abgeschlossen hat, widmet er sich intensiver der Kunst der Travestie. «Ich habe mich in der Rolle als Drag Queen wiedergefunden und investierte entsprechend mehr Zeit in meine Auftritte.» Heute bereitet sich Clausette la Trine − so der Künstlername von Achim Steffen − fast zwei Stunden auf einen Auftritt vor. «Ich schminke mich selber und wähle meine Kleider selber aus.» Wobei auswählen stark untertrieben ist. Er kauft Stoffe, näht sie selber, drapiert, umwickelt, und stellt das passende Outfit zusammen. «Ich bin zwar nicht wahnsinnig talentiert im Nähen, aber ich schaffe es zumindest, dass es nach etwas aussieht», meint er bescheiden. Ein eigentliches Vorzeige-Outfit kennt er nicht. Nur so viel: Schrill und auffallend muss es sein. Dazu gehören auch High Heels und Perücken. Wie schwer ist es, auf bis zu zwölf Zentimeter hohen Absätzen zu laufen? Achim winkt ab: «Das ist eine reine Übungssache. Zudem können Männer meist besser in High Heels laufen als Frauen, weil sie kräftigere Beine haben.»

«Ich bin keine Frau»

Wenn Achim Steffen auf der Bühne steht, ist er in seinem Element. «Ich will die Leute unterhalten, aber gleichzeitig auch provozieren», sagt Steffen, der neben der Bühne den Fachbereich Bauplanung bei der kantonalen Erziehungsdirektion in Bern leitet. Dass er bei seinen Auftritten auch mal ein- oder zweideutige Angebote erhält, lässt Achim Steffen, der seit fünf Jahren mit dem Kulturveranstalter Terry Loosli liiert ist, kalt. «Es geht mir bei meinen Auftritten nicht darum, irgendwelche amourösen Kontakte zu knüpfen. Ich sehe mich eher in der Rolle als Clown − und ich will mit meinen Auftritten die Geschlechterrolle hinterfragen und auflösen», sagt Steffen. Letztlich sei das Geschlecht nur eine Variante, wie Menschen kategorisiert würden. «Genau wie ihr Alter oder der Beruf», ergänzt er. Auf die Rolle als Transgender angesprochen, gibt sich der gebürtige Oberwalliser resolut. «Ich bin keine Frau, und will auch keine sein.»

Auf zu neuen Ufern

Achim Steffen ist es in seiner Rolle als Clausette la Trine gewohnt aufzufallen. Dass er zuweilen auch böse Blicke erntet oder verbale Angriffe über sich ergehen lassen muss, stört ihn (sie) nicht weiter. «Damit muss ich rechnen», stellt er nüchtern fest. Auch vor handgreiflichen Auseinandersetzungen ist er nicht gefeit. «Vor allem Frauen werden schon mal aggressiv», weiss Steffen aus Erfahrung. Ob Clausette dabei als Nebenbuhlerin wahrgenommen wird, darüber will er nicht mutmassen. Wenn er zusammen mit seinem Partner auf der Bühne steht und musikalisch begleitet wird − «mein Freund spielt Klavier und ich singe Playback dazu» −, dann fühlt sich Achim Steffen wohl in seiner Rolle als Drag Queen. «Es braucht Lust, sich zu verwandeln und eine neue Identität anzunehmen. Und man muss gerne im Mittelpunkt stehen.» Auch die Vorbehalte seiner Mutter − «Machst du dich dabei nicht lächerlich? − hat er zerstreut. «Meine Eltern waren bei einem Auftritt anwesend und haben sich mit mir gefreut.» Jetzt will Clausette la Trine, die bekannteste Drag Queen von Bern, nicht nur die Bundeshauptstadt, sondern möglichst viele europäische Metropolen erobern. «Mein Partner und ich wollen demnächst mit unserem Kleinkunstprogramm auf Tournee gehen», verrät Steffen. Darum hat er sich für die europäischen Queer-Festivals angemeldet. «Ich freue mich darauf, neue Leute vor Ort kennenzulernen. Das macht viel mehr Spass als nur ein Städtetrip.»

Walter Bellwald

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