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Der Lyriker aus dem Binntal

Peter Mangold ist im Weiler «Ze Binne» zu Hause.
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Peter Mangold ist im Weiler «Ze Binne» zu Hause.
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Peter Mangold lebt im Binntal, liebt die Walser, die wildromantische Twingischlucht und die Lyrik. Damit bringt er seine Gäste sogar manchmal zum Weinen.

Heimat ist nicht immer da, wo man aufgewachsen ist. Das trifft auch auf Peter Mangold zu. Er ist in Naters gross geworden, studierte Psychologie − in seinem Herzen war er aber schon immer ein waschechter Binner. Um ganz genau zu sein: «Meine Heimat ist der Weiler Ze Binne.» Gleich nach der wildromantischen Twingischlucht und über dem Ausgleichsbecken eines Kraftwerks, das dem Ort aber gleichwohl ein idyllisches Bild gibt, wohnt Mangold in einem umgebauten Stall, den schon sein Vater umgebaut hat. Gleich daneben, in seines Vaters «Schnitzstubji», hat er nun das «Twingistubji» eingerichtet. Er selbst nennt sein Lokal aber «das Beizji», wo es aber fast nur Walliser Platten gibt und Suppen, wenn auch nach teils speziellen Rezepten, etwa die Zwetschgen-Tomaten-Suppe. Auf der Tafel vor seinem Beizji steht jedoch nicht etwa die Tagessuppe, sondern Sprüche wie «Wenn ich den See seh, brauch ich kein Meer mehr» oder «Wenn ich nicht da bin, bin ich krank. Ich bin nicht da.»

«Steine erzählen Geschichten»
In der ehemaligen Werkstatt seines Vaters steht allerdings nur ein einziger Tisch. Es ist die Hobelbank seines Vaters, die er mit Bienenwachs abgeschliffen und mit einer Glasplatte überdeckt hat. Die übrigen Tische befinden sich im Freien. Sein Freiluft-Restaurant hat er mit Steinen und einem Kunstwerk dekoriert, das einen Sommer lang im Rahmen der Twingi-Art in der Schlucht ausgestellt war, durch die er jeweils im Sommer geführte Vollmond-Wanderungen anbietet. «Auch die Steine erzählen spannende Geschichten», meint Mangold, «sogar noch spannendere als die Mineralien, für die das Binntal berühmt ist.» Die vier Grundgesteins­arten im Binntal seien Bündner Schiefer, Zuckerdolomit, Augen- und Paragneis sowie der grünliche Serpentinit. Mit Bündner Schiefer aus der Twingischlucht hat er Trockensteinmauern gebaut, und mit Resten von einem alten Specksteinofen stellt er das Serpentinit vor, eine dem Speckstein verwandte Gesteinsart.

Auf dem Weg der Toten
Mangold weiss aber nicht nur Steine sprechen zu lassen. Er kennt auch selbst viele Geschichten. Diese erzählt er bei geführten Spaziergängen durch das Dorf Binn, durch die Twingischlucht oder sogar bei mehrtägigen Wanderungen über den Albrunpass ins benachbarte Italien. Vor allem das verlassene Walserdorf Ager übt eine besondere Faszination auf ihn aus. Da erzählt er etwa vom spektakulären «Weg der Toten» − was allerdings keine offizielle, sondern eine selbst erfundene Bezeichnung sei. Weil der Bischof von Novara es den Agern jedoch nicht erlaubt hat, einen eigenen Friedhof zu bauen, mussten die Walser von Ager ihre Toten hinunter nach Baceno bringen, um sie bestatten zu lassen. Denselben Weg geht er mit seinen Gästen, um ihnen einen Eindruck von diesem mühsamen Gang zu vermitteln.

Zu Tränen gerührt
Gemütlicher hat er es, wenn er Gäste zu seinen Gedichteabenden einlädt. Da rezitiert er etwa Pomatterdeutsche Gedichte, während er gleichzeitig Raclette offeriert. Im letzten Winter begann er sogar damit, anspruchsvolle Lyrik aus dem Englischen ins Walliserdeutsche zu übersetzen − vom verstorbenen kanadischen Songwriter Leonard Cohen. «Gedichte kann man nicht wortwörtlich übersetzen, sondern man muss erst mal versuchen zu verstehen, was der Dichter zwischen den Zeilen geschrieben hat», erklärt Mangold. Letztlich sollen die Gedichte zum Nachdenken anregen, über sich selbst, die Welt und alles andere. Darum ist es nicht verwunderlich, wenn bei dem studierten Psychologen Mangold manch einer, der sich die von ihm wiedergegebene Lyrik anhört, zu Tränen gerührt ist.

Christian Zufferey

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