Grimentz | Der einzigartige Wein von Grimentz

«Gletscherwein ist unbezahlbar»

Véronique Tissières zapft Gletscherwein aus dem Bischofsfass von 1886.
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Véronique Tissières zapft Gletscherwein aus dem Bischofsfass von 1886.
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Im Keller des Burgerhauses von Grimentz lagert ein einzigartiger Wein, von dem nur besondere Persönlichkeiten trinken dürfen. Doch obschon jährlich bis zu zwanzig Liter entnommen werden, wird das Fass nie leer.

Die weissen Resi-Reben, aus denen der Gletscherwein des Val d`Anniviers gekeltert wurde, fielen im frühen 20. Jahrhundert fast vollständig der Reblaus zum Opfer. Trotzdem lagert im Keller des Burgerhauses von Grimentz ein Lärchenholz-Fass aus dem Jahr 1886. Und obschon jährlich bis zu zwanzig Liter entnommen werden, wird das Fass nie leer. Aber nur besondere Persönlichkeiten dürfen von diesem Fass trinken. Ursprünglich war es dem Bischof vorbehalten, weshalb es auch das Bischofsfass (Tonneau de l’Evèque) genannt wird. Doch weil der Bischof nur noch selten nach Grimentz kommt, erlaubt man heute auch anderen Persönlichkeiten, von dem Wein zu kosten. «Dazu gehörten etwa die französische Schauspielerin Juliette Binoche oder die Frau des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair», erinnert sich Véronique Tissières. Sie wurde vor fünf Jahren als erste Frau zur Burgerpräsidentin von Grimentz gewählt.

Am «Tisch der Toten»

Normalsterblichen Besuchern des Burgerhauses wird bei organisierten Führungen Wein aus einem jüngeren Fass gezapft. Die Führung beginnt erst mal in der obersten Etage des im Jahr 1498 erbauten Burgerhauses. Hier zeigt die Burgerpräsidentin den in originalem Zustand gehaltenen Ratssaal. Der Blick fällt auf eine Reihe von an der Decke hängenden Zinnkannen. «Jeder Burger von Grimentz, der in den Gemeinderat, Burgerrat oder Grossen Rat gewählt, zum Richter ernannt wird oder ein militärisches oder kirchliches Amt bekleidet, muss der Burgergemeinde eine Zinnkanne spenden», erzählt Tissières. Auch die Sitzordnung der jährlichen GV, «Rogation» genannt, ist festgelegt. Da gibt es nicht nur Tische, die dem Burgerrat vorbehalten sind, sondern auch für andere Persönlichkeiten, für Jungbürger und sogar für Tote – wenngleich am «Table des morts» noch lebende, aber pensionierte Persönlichkeiten Platz nehmen.

Das Fass wird nie leer

Im Erdgeschoss schliesslich befindet sich der Keller, wo noch viele weitere Zinnkannen hängen. Vor allem aber lagern Lärchenfässer mit dem Gletscherwein. Für diese ist der «Tsanio» zuständig – ein altes Patois-Wort, das den Verantwortlichen der Fässer bezeichnet. Jeweils im Mai, wenn der neue Wein im Dorf eintrifft, wird erst mal das Bischofsfass mit Wein aus dem Fass von 1888 aufgefüllt. Anschliessend wird in dieses Wein vom Jahrgang 1934 gefüllt, woraufhin in dieses wiederum Wein aus einem Fass von 1969 eingefüllt wird. Dadurch entstehen praktisch Verschnitte von verschiedenen Jahrgängen.

Der echte Gletscherwein

Nachdem es fast keine Resi-Reben mehr gibt, darf heute auch aus anderen weissen Rebsorten Gletscherwein gekeltert werden. Vorgeschrieben ist aber, dass der Rebberg im Bezirk Siders liegt und der Wein in einem Keller oberhalb von 1200 Meter über Meer reifen muss. «Weil er nie in Flaschen abgefüllt wird, kann man ihn nirgendwo kaufen», meint Tissières. Doch für sie gilt ohnehin: «Gletscherwein ist unbezahlbar.» Wer also gerne mal den echten Gletscherwein verkosten möchte, muss dazu eigens ins Val d`Anniviers reisen und darauf hoffen, von einem Einheimischen zu einem Glas eingeladen zu werden – vielleicht sogar von der Burgerpräsidentin.

Christian Zufferey

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