Kolumne | Diese Woche zum Thema: «Soll Viola in Bern die erste Geige spielen?»

Schlagabtausch zwischen Peter Bodenmann und Oskar Freysinger

Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben ab sofort in der Rhonezeitung.
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Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben ab sofort in der Rhonezeitung.
Foto: Mengis Media

Quelle: RZ 0

Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger duellieren sich jeden Donnerstag in der RZ Oberwallis. Diese Woche zum Thema: «Soll Viola in Bern die erste Geige spielen?»

Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier

Unsere Kruzifixer sind Nixer

246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier wählen die Bundesräte. SP, Grüne, Grünliberale und BDP werden für Viola Amherd stimmen. Die SVP gegen sie.

Die alte und die neue Chefredaktion des «Walliser Boten» hat sich nach rechts entwickelt. Für Thomas Rieder musste es nach dem Rücktritt von Doris Leuthard keine Frau sein. Für den Berner Korrespondenten des WB ist Viola ein «Mauerblümchen» und eine «überbewertete Aktie». Und David Biner stellte nicht einmal die Frage, warum wohl Alpiq während neun Jahren freiwillig zu viel Miete bezahlt hat.

Die Chefredaktion des «Walliser Boten» operierte politisch auf der Linie Beat Rieder: Kruzifix statt Ehe für alle. Nun hat Beat Rieder am vorletzten Samstag eine Spitzkehre im Gegenhang gemacht. Neu ist er – wie SVP-Bezirkspräsident Christian Gasser – voll für Viola Amherd. Rieder, Bieler und Biner stehen mit kurzen Hosen allein im Regen.

«Ehe für alle gegen Kruzifix»

Der «Walliser Bote» hätte sachlich die Frage stellen können, was Viola Amherd in Bern für das Oberwallis bewegt hat.

Flop 1: Das Glasfasernetz müsste Bestandteil des Service public bilden. Tut es nicht. Deshalb müssen die Oberwalliser Gemeinden selbst für eine verspätete Erschliessung finanziell bluten. Und jetzt wiederholt sich beim 5G-Netz das gleiche Schlamassel. Madame Danet lässt grüssen.

Flop 2: Die Swissgrid darf das Goms zum Nulltarif verunstalten. Stattdessen hätte man eine unterirdische Gleichstromleitung von Chippis Richtung Mittelland bauen müssen. So wie es die Franzosen und Italiener zwischen Lyon und Turin machen.

Flop 3: In Sachen Autobahn lässt man Melly weiterwursteln. Bestes Beispiel ist der Riedbergtunnel.

Flop 4: Der Doppelspurausbau des Lötschberg-Basistunnels ist chancenlos. Ein Plan B fehlt.

Flop 5: Viola Amherd hat den Euromindestkurs nie verteidigt. Obwohl das Wallis unter dessen unnötiger Aufhebung von allen Kantonen am meisten gelitten hat.

Flop 6: Die Oberwalliser Paketpöstler sollen neu im Verteilzentrum Vétroz arbeiten, das über keinen Eisenbahnanschluss verfügt. Werden sie nicht machen. Kompensationen gibt es keine.

Die Liste kann beliebig verlängert werden. Das Problem: Alle bürgerlichen Walliser Parlamentarier – Oskar Freysinger inklusive – haben gemeinsam diese möglichen Weichenstellungen zugunsten des Wallis verschlafen.

Die beste CVP-Bundesrätin aus der Sicht des Oberwallis wäre Brigitte Hauser-Süess. Aber immerhin ist die in gesellschaftlichen Fragen offene Viola Amherd besser als etwa der ehemalige Zuger Finanzdirektor Hegglin, der immer gegen den Finanzausgleich kämpfte. Ironie der Geschichte: Dank unseren Kruzifixern sind die Chancen von Viola Amherd massiv gestiegen. Eine mehr als reife Leistung.


Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller

Viola

Gefälschte Buchhaltungen bei PostAuto Schweiz. Ehebetrug mit Kindersegen. Massiv überzogene Spesenentschädigungen. Ungerechtfertigte Bereicherung. Zuschanzen von Notariatsmandaten an Kanzleikollegen. Das ist alles nicht weiter schlimm. Bei der CVP wird alles zum Kavaliers­delikt, denn man ist ja dort brav katholisch. Da genügt es zu bereuen und es wird einem verziehen. Ablass eben. Pharisäertum. Böse sind jene, die schlecht reden, auch wenn sie richtig handeln. Wer ­tugendhaft redet, aber schlecht handelt, ist nicht schlecht, sondern CVP, weil reuiger Sünder.

Viola passt perfekt zu diesem Klub. Sie ist kein böser Mensch, aber in Geldsachen unnachgiebig wie ein Schotte. Diesen Charakterzug vermag sie einfach nicht zu überwinden. Sie hätte angesichts einer möglichen Bundesratskandidatur die 250 000 Franken an Alpiq zurückzahlen können, bevor sie zum Problem wurden. In einem früheren Fall hätte sie zweien ihrer Notariatskollegen den ihnen zustehenden Betrag korrekt auszahlen können, ohne von höherer Stelle dazu gezwungen zu werden. Aber eben, das liebe Geld. Viola schaut gern nur für sich. Aus diesem Grund hat die CVP übrigens damals ihre Hochburg in Brig verloren.

Nun will sie für den Bundesrat kandidieren. Kein Zweifel, sie ist die ideale Kandidatin. Denn wer rechnet, ist berechenbar. Und das ist viel wert im Schweizer Politklüngel.

Unscheinbare Gestalten, die nur in den Kulissen ihren Vorteil wahrnehmen, werden meist anstandslos in die Regierung gewählt. Schneider-Ammann kann beruhigt seinen Ruhestand verschlafen. Jetzt kommt die nette, durchsichtige Viola. Die Klassenerste mit der sensiblen Seite. Jene, die immer nur Themen beackert, die nicht anecken. Die ultra­kompatible, vorbildliche, sich nach oben schweigende Unschuld, die umtriebig immer nur dort herumputzt, wo alles schon sauber ist.

Viola muss unbedingt in den Bundesrat, weil sie dort nicht viel bewegen und also auch nicht viel kaputt machen wird. Die Schweizer Regierung braucht keine Charaktermenschen, sondern Angepasste. Schafe als Hirten. Denn der Souverän hat sowieso die Kon­trolle und die wichtigen Entscheidungen werden abseits im Dunkeln getroffen.

Leider sieht Viola nun nicht mehr so lieb aus. Dass sie Krallen statt Finger hat, passt weniger gut ins (Vor)Bild. Aber sie bleibt – unter Prozessbegleitung – die ideale Beilage zum Endzeitgericht der schwindenden CVP. Eine Politikerin, wie sie die anderen Parteien dem Gegner gern in die Suppe brocken.

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