Tourismus | Schlepplifte verschwinden. Eigentlich schade
Bergwärts mit dem Bügel

Rothwald/Wasenalp. Liftgespräche für knapp acht Minuten
Foto: Walliser Bote
Gondeln und Sessellifte verwöhnen die Wintersportler. Bügellifte sind berüchtigt. Zu Recht?
Blick zurück, Griff zum orange-schwarzen Bügel, ein sanfter Ruck und los gehts. Bergauf, stetig und gleichmässig, mit 3,2 m/s. Still und geduldig dreht er seine Runden. Von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr täglich von Dezember bis März. Der Bügellift der Skilifte Rothwald zum Restaurant Mäderlicka ist einer der längsten der Region. Sieben Minuten und 40 Sekunden dauert die Fahrt. 1,6 Kilometer lang, knapp 500 Höhenmeter – und unzählig die Geschichten.
Leiden am Lift
Der Bügellift hat dem Skitourismus Schub gegeben, ihn wohl erst ermöglicht. Heute geringschätzen Schneesportler die T-förmigen Bügel, bevorzugen beheizte Sesselsitze und durchgestylte Gondeln. Nur Nostalgiker mögen sie noch. Und Skifahrer, die dem Trubel ausweichen und trotzdem schöne Abfahrten geniessen wollen. Vor der Abfahrt aber die Liftfahrt. Und dabei gibt es verschiedenste Spielarten: Stöcke stilvoll unter die Arme geklemmt oder lässig am Handgelenk baumeln lassen.
Möglich ist auch die bequeme Variante: Man steckt die Stöcke in den Spalt zwischen Skischuh und Bindung, sodass die Schultern abgestützt werden können. Das geht besonders gut, wenn man allein auf dem Lift und der Bügel zwischen den Beinen ist. Mit Kindern wirds kompliziert. Die Fahrt mit dem Bügellift wird zum Balanceakt. Je nach Steilheit und Zustand des Trassees ist man gefordert. Und haut es einen raus, muss man sich mit der Frage beschäftigen, wie man mit dem Kleinen zwischen den Beinen einigermassen elegant zurück auf die Piste findet.
Doch erreichen die Gespanne erstmals den Gipfel, sind Stolz und Freude gross. Beim Nachwuchs. Vor allem aber bei den Eltern. «Wer hier raufkommt, kann überall fahren», sagt Martin Heinzen, Betriebsleiter der Skilifte Rothwald/Wasenalp. Gleiches hört man in Visperterminen oder Jeizinen. In den kleinen Skigebieten eben, die auf die grossen vorbereiten.
Kraftakt
Die Liftanlagen Rothwald/Wasenalp werden seit 1991 von den Familien Clemenz Gemmet und Martin Heinzen betrieben und mit viel Herzblut am Laufen gehalten. Zwei Millionen Franken wurden in den letzten rund 25 Jahren in das Gebiet investiert. Im Vergleich zu den grossen Destinationen ein Klacks, für die Familien Gemmet und Heinzen ein Kraftakt. In der Hochsaison werden bis zu 12 Angestellte beschäftigt.
«Wenn man selber anpackt, dann geht es, aber das grosse Geld verdienen wir hier sicher nicht», sagt Martin Heinzen. Während der Saison ist er mehr oder weniger täglich im Einsatz. «Vielleicht an zwei Tagen nicht», fügt der Betriebsleiter an.
Die Winterzeit ist anstrengend und schön zugleich, die Arbeit hart und vielfältig. Und sie wird anerkannt. «Es gibt Leute, die nicht Ski fahren, trotzdem aber ein Saisonabonnement kaufen, um uns zu unterstützen.» Bleibt die Unterstützung aus der Region, hat das kleine Skigebiet eine Zukunft. Schwindet sie, wird es schwierig. «Schlussendlich entscheiden die Leute. Kommen sie, machen wir weiter», meint Heinzen.
Anerkennung aus Zermatt
Nicht ganz acht Minuten dauert die Fahrt mit dem Bügellift von der Talstation an der Simplonpassstrasse bis hinauf zur Bergstation. Das Trassee führt über eine kleine Brücke, dann wird es schattig und steil. Über der Waldgrenze warten ein Hochplateau mit einer grossartigen Aussicht auf viele Viertausender sowie 25 Pistenkilometer. Im Restaurant Mäderlicka sitzt Miteigentümer Clemenz Gemmet. Er ist zufrieden, wie es läuft, doch die Stunden dürften nicht gezählt werden. «Die kleinen Skigebiete haben zwar weniger Ressourcen als die Topdestinationen, die Auflagen sind aber die gleichen», sagt Gemmet. Groll hegt er deswegen keinen. Im Gegenteil.
Mit Zermatt-Bergbahnen-CEO Markus Hasler tauscht er sich regelmässig aus, kann zuweilen sogar auf die Unterstützung aus dem Matterhorn-Dorf zählen. «Hasler weiss, dass die Arbeit der kleinen Gebiete wichtig ist. Wir sorgen für Nachwuchs auf den Pisten. Davon profitieren schlussendlich auch die grossen Bahnunternehmen», sagt Gemmet.
Schlepplifte auf dem Rückzug
Ende 2017 waren in der Schweiz 2486 Transportanlagen bewilligt. Der grösste Teil steht in den Kantonen Wallis (584) und Graubünden (528). Schweizweit gibt es derzeit 787 Schlepplifte. Die Zahl nimmt stetig ab. Begründung der Liftbetreiber: Sessellifte oder Gondeln bieten eine höhere Beförderungsleistung, trennen die Piste von
der Liftspur, brauchen weniger Schnee, weil das Trassee wegfalle, und seien weniger ermüdend für die Schneesportler. Auch der Sicherheitsaspekt wird ins Feld geführt. Bei den Rothwald-Skiliften gab es seit 1991 keine nennenswerten Zwischenfälle bei den Anlagen. «Wir hatten in den letzten rund 30 Jahren einzig eine Haftpflichtklage, weil Öl von einer Liftrolle auf die Skijacke einer Frau getropft ist», erinnert sich Betriebsleiter Heinzen. Bügellifte haben aber auch Vorzüge. Sie sind im Unterhalt in der Regel günstiger und können einfacher repariert werden. Das Verhältnis zwischen Revisionskosten und Kapazität stimmt. Zudem brauchen Schlepplifte keine aufwendigen Evakuierungskonzepte. Die Konzession für die Skilifte Rothwald/Wasenalp wurden letzthin um weitere zehn Jahre verlängert.
Gott und die Welt
Bügellifte haben Charme. Sie ermöglichen Bekanntschaften mit Unbekannten und Gespräche über Gott und die Welt. Im Acht-Minuten-Takt. Der Bündner Schriftsteller Arno Camenisch schrieb in seinem Werk «Der letzte Schnee» von zwei Männern, die seit Jahren am Schlepplift stehen. «Der Lauf der Welt, sagt der Georg und schaut den Bügeln nach, wie sie am Seil den Hügel runterwackeln, um die grosse Drehscheibe, und wieder den Hang hochsteigen, das ist ein Kreis, da kommt halt immer wieder einer nach.»
«Das war hart», sagt ein junger Skifahrer, eben beim Restaurant Mäderlicka angekommen. Er habe auf dem Lift das Gleichgewicht verloren und sei gestürzt. Irgendwie habe er nach mehreren Anläufen mit den Skistöcken einen Bügel runterziehen können, um die Fahrt fortzusetzen. «Ich bin fix und fertig. Das nächste Mal gehts wohl wieder auf eine Sesselbahn», sagt er und zündet sich eine Zigarette an. Seine Kollegen lachen, er stimmt mit ein. Und wird noch lange vom Erlebten erzählen.
Armin Bregy
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar