Heli-Fusion | Air Zermatt übernimmt ab heute Samstag die Air-Glaciers
Vereint stärker – Bernard Vogel wird Direktor der Air-Glaciers

In Oberwalliser Besitz. Die Air-Glaciers bleibt als Unternehmen autonom, die Entscheidungen werden aber im Oberwallis getroffen.
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Neuer starker Mann der Air-Glaciers. Der Rarner Bernard Vogel wechselt von der Ausgleichskasse zurück ins Heli-Geschäft.
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ZERMATT/SITTEN | Heute Samstag geht an einer ausserordentlichen Generalversammlung in Sitten die 55-jährige Ära von Air-Glaciers-Gründer, Inhaber und Leiter Bruno Bagnoud zu Ende.
Gemäss Traktandenliste wird Bagnoud zu Beginn der Versammlung, wegen der Corona-Krise unter der physischen Absenz der Aktionäre, seine Demission einreichen. Gleich anschliessend wird ein neuer Verwaltungsrat eingesetzt. Dieser besteht aus Philipp Perren, VR-Präsident der Air Zermatt, Jean-Michel Cina, VR-Mitglied der Air Zermatt, sowie den beiden ehemaligen Walliser Grossratspräsidenten Albert Bétrisey und Jean-Albert Ferret. Bagnoud wird das Amt des Ehrenpräsidenten angeboten.
Mit der neuen Zusammensetzung des Verwaltungsrats ist gesagt, wer bei der Air-Glaciers ab sofort das Sagen hat – die Air Zermatt. Sie übernimmt mit dem Aktienpaket von Bagnoud das Diktat bei dem an Personal und Maschinenpark grösseren, langjährigen Mitkonkurrenten am Walliser Himmel, obwohl der neue starke Mann bei der Air-Glaciers, VR-Präsident Philipp Perren, lieber von einem Zusammengehen spricht.
Finanzielle Schwierigkeiten
Die Air-Glaciers hatte in den vergangenen Jahren mit grossen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie stand mehrmals am Rande des Konkurses. Gemäss Insidern hat die Sittener Fluggesellschaft aktuell Betreibungen und offene Rechnungen in Millionenhöhe am Hals.
Das Übernahmeangebot der Air Zermatt kam da für die Air-Glaciers, die lange auf ihrer Eigenständigkeit beharrte, im richtigen Moment. Sie erlaubt Pionier Bagnoud, der das Unternehmen bis zum heutigen Tag autokratisch führte, mit mittlerweile 85 Jahren einen Abgang in Würde.
Ex-Air-Zermatt-Direktor führt die Air-Glaciers
Wie es mit der Air-Glaciers weitergeht, ist derzeit offen. In einer Mitarbeiterinformation wird darauf verwiesen, dass auf die Air-Glaciers «anspruchsvolle Zeiten» zukommen würden. Es gehe nun darum, die Unternehmung gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.
In eine absolute Schlüsselposition rückt dabei Bernard Vogel. Er wird die Air-Glaciers ab dem 15. Mai 2020 in Sitten als neuer CEO leiten. Der in Raron wohnhafte Bernard Vogel führt seit 2012 als Dienstchef die kantonale Ausgleichskasse. Der Betriebswirtschafter führte diese Dienststelle in den letzten acht Jahren laut Kennern von einem verstaubten Laden in die digitale Gegenwart. Zuvor war er während über zehn Jahren Direktor bei der Air Zermatt. Damit kennt er das Helikopter-Business, dessen Betriebsstrukturen sowie die kantonalen Gepflogenheiten in diesem Metier bestens. Dass Vogel für die operative Leitung der Air-Glaciers gewonnen werden konnte, darf so gesehen als Glücksfall bezeichnet werden. Er wird keine lange Einarbeitung brauchen und wurde vom Verwaltungsrat laut Präsident Philipp Perren mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Vogel ist einzig dem Verwaltungsrat unterstellt.
Grundlegende Restrukturierung
Die Air-Glaciers ist zwar vom Personal (160 Angestellte) und vom Maschinenpark her deutlich grösser als die Air Zermatt (75 Angestellte), aber im Gegensatz zur Air Zermatt wirtschaftlich nicht erfolgreich. Das hat gewiss auch mit den weit ausufernden Strukturen zu tun, unter anderem mit verschiedenen Basen auch ausserhalb des Kantons (Lauterbrunnen und Saanen im Berner Oberland). Es wird an Vogel liegen, hier eine gründliche Auslegeordnung vorzunehmen und allenfalls auch schmerzhafte Massnahmen einzuleiten. Tendenziell scheint die Basis in Lauterbrunnen, am Fuss des Jungfrau-Massivs, gesichert, bezüglich der Rettungsfliegerei in Saanen werden eher Vorbehalte anzubringen sein, da Saanen von Sitten aus schnell erreichbar ist. Einer eingehenden Prüfung wird wohl auch der Geschäftsbereich mit den drei Flächenflugzeugen (ab dem Airport Sitten) unterzogen werden. Wenn nicht von einer Sanierung, kann zumindest von einer grundlegenden Restrukturierung gesprochen werden. Ob das mit einem Personalabbau einhergehen wird, wird sich zeigen.
Operativ autonom
Die neuen Eigner wollen alles daransetzen, dass die Air-Glaciers im bisherigen Sinne weiterfliegt. Das heisst, es wird an den beiden Standbeinen kommerzielle Fliegerei und Bergrettung festgehalten. Im operativen Geschäft werden Air Zermatt und Air-Glaciers autonom weiterbetrieben, wobei im Hintergrund mögliche Synergien zweifellos genutzt werden. Damit wird die heutige Kundenstruktur aufrechterhalten. Das hat sehr viel auch mit der emotionalen Bindung an eines der beiden Walliser Heli-Unternehmungen zu tun.
Zur Frage, ob für die Übernahme der Air-Glaciers weitere Bewerber bereitstanden, äussert sich Philipp Perren nicht näher. Die Rega, fügt er diplomatisch an, habe er als gemeinnützige Stiftung dafür nicht gesehen. Dass die Schweizerische Rettungsflugwacht am grossen Markt in der Walliser Luftrettung interessiert gewesen wäre, davon lässt sich ausgehen.
Durchgewinkt wurde der Einstieg bei der Air-Glaciers in diesen wirtschaftlich zweifellos unsicheren Zeiten vom Verwaltungsrat der Air Zermatt, wo bekanntlich die Familie Beat H. und Philipp Perren die Aktienmehrheit hält. Neben Gründer und Ehrenpräsident Beat H. Perren und Sohn Philipp gehören diesem Gremium weiter Jean-Michel Cina, der vormalige Zermatter Gemeindepräsident Christoph Bürgin sowie der Zermatter Burgerpräsident Andreas Biner an.
Thomas Rieder
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