Nach 20 Jahren | Er hat gesagt, was er sagen musste. Nun tritt Bzar in den musikalischen Vorruhestand
«Am Anfang wurde ich belächelt»

Für immer? David Wyssen alias Bzar sagt «ade merci».
Foto: mengis media / Alain Amherd
Es ist der krönende Abschluss: Innerhalb von nur zwei Wochen wurde das neueste Musikvideo von Bzar alias David Wyssen beinahe 100000 Mal angeschaut. Musik war für ihn lange Zeit das Wichtigste. Nach 20 Jahren sagt Bzar nun aber «ade merci». Für immer?
Bzar sagt «ade merci». Ist David Wyssen seiner Kunstfigur Bzar nach über 20 Jahren entwachsen?
«Nein überhaupt nicht. Authentizität war mir immer wichtig. Der Bzar von heute entspricht genau mir. Das war während diesen 20 Jahren zu jeder Zeit so.»
Sie rappen darüber, dass man auf die Zukunft keinen Einfluss hat und man es so nehmen soll, wie es kommt. Die Songs vermitteln den Eindruck, dass man mit 37 Jahren, so mitten im Leben, gesättigt ist – vielleicht sogar ein wenig resigniert hat?
«So nehme ich die Songs nicht wahr. Die Botschaft ist eher, dass es gut so ist, wie es ist. Ich mag es nicht, wenn Leute die ganze Zeit nur herumnörgeln. Gerade heute gibt es extrem viele Jammerer. Es kann bei jedem Mal schlecht laufen. Der Einfluss auf die Zukunft ist aber beschränkt. Man sollte deswegen nicht ständig unerfüllten Träumen hinterherjagen. Die Welt sieht sofort ganz anders aus, wenn man auch mal was akzeptieren kann.»
Heute ist es die Genügsamkeit. Zu Beginn Ihrer Karriere waren es noch deutlich grossspurigere Töne, wie sie in der Rap-Szene üblich sind…
«Ich durchlief den klassischen Weg in der Rap-Musik und begann beim Freestyle. Weil von meiner damaligen Band AK42 aber niemand Livekonzerte geben wollte, habe ich irgendwann den ‹Battle-Rap› für mich entdeckt. Dort geht es darum, den Chef zu markieren, sich gegenüber dem anderen zu behaupten.»
Die markigen Sprüche waren also keine Aufarbeitung einer für Rapper archetypischen, schwierigen Kindheit?
(lacht) «Nein, überhaupt nicht. Ich bin einfach ein Wettkampftyp. Egal ob Tennis, Squash, Golf oder Surfen, ich bin immer mit dem nötigen Ernst dabei. Darum hasse ich es auch, wenn in einer Jassrunde jemand nur ‹zum Spass› mitspielt.»
Die nächsten Alben waren dann bereits deutlich zahmer…
«Als Jugendlicher lotet man seine Grenzen aus. Dabei setzt man sich auch mit sich selber auseinander, was mir immer viel gebracht hat. Früher oder später wird aber jeder erwachsen, reifer und weiser. Meine Musik hat immer die Phase widergespiegelt, in der ich mich befand. Heute könnte ich keinen Battle-Song mehr darüber machen, was für ein krasser Typ ich bin. Ich stehe mitten im Leben. Das wäre nicht mehr ich.»
Rap wird ausserhalb der Szene oft nicht ganz ernst genommen und Rapper oft als pubertierende Grossmäuler wahrgenommen.
«Am Anfang wurden ich und meine Kollegen belächelt. Dann hiess es immer sofort: ‹Was macht ihr denn, Gangster-Rap?› Eine grosse Hilfe war, als der Film ‹8 Mile› von Eminem in die Kinos kam. Danach konnte ich auf den Film verweisen und sagen, genau das mach ich. Dann wirst du älter, und irgendwann merken die Leute, dass das gar nicht so unseriös ist. Und heutzutage wirst du auch als Rap-Musiker respektiert.»
Was sind die Höhepunkte, an die Sie sich erinnern?
«Sicher an die zwei Siege beim ‹Battle-Rap›. Der Sieg beim Powerband-Contest im Jahr 2008 an der Powermesse, dank dem wir anschliessend am Open Air Gampel auftreten konnten, war dann wie ein 6er im Lotto. Während unseres Auftritts in Gampel begann es zu regnen, weswegen das Zelt zum Bersten voll war. Dann…»
…haben Sie gleich damit angefangen, Autogrammkarten zu drucken?
(lacht) «Autogramme haben wir tatsächlich gegeben, auch wenn ich mir dabei ganz schön dumm vorgekommen bin. Aber es gab Kids und Jugendliche, die danach gefragt haben. Ich erinnere mich an ein Familienfest auf dem Camping in Susten, an dem auf einmal ein paar Kinder zu mir kamen und um ein Autogramm baten. Meine Verwandten haben die Welt nicht mehr verstanden. Das war schräg und lustig zugleich.»
Ich hab Sie vorhin unterbrochen…
«Nach dem Auftritt in Gampel dachte man kurz, ‹geil›, jetzt kommt ein cooles Konzert nach dem anderen. Die Realität war aber eine andere. Beim nächsten Auftritt einige Wochen später war praktisch niemand da.»
Die Höhepunkte haben Sie genannt. Welcher Auftritt war der schlimmste?
«Unser allerschlimmster Auftritt war am Jens-Blatter Spendenmarathon. Es hat in Strömen geregnet. Die Band vor uns hatte trotzdem riesigen Spass und überzog um eine halbe Stunde. Wir mussten um halb drei Uhr auf die Bühne. Zuschauer waren keine da. Doch wir wurden für den Auftritt engagiert und haben unser Ding durchgezogen – während man hinter uns bereits damit begann, die Bänke und Tische wegzuräumen. Bei all diesen Erlebnissen habe ich viel gelernt. Beispielsweise, wie man mit Rückschlägen umgeht, aber auch mit Hochs.»
Heute arbeiten Sie als CEO der Bellwald Sportbahnen. Wie wird es in der Arbeitswelt aufgenommen, wenn man in der Freizeit rappt?
«Damit habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht. Ich habe mein Hobby auch immer offen kommuniziert. Aber klar hat man hie und da einen Spruch gehört.»
Wie sieht es mit spontanen Ständchen aus?
«Danach wird immer mal wieder gefragt. Auch heute noch, beispielsweise an Apéros, ob ich nicht einmal eins rappen könnte. Manchmal mach ich’s.»
Wie endgültig ist der Abschied?
«Die Musik war für mich einmal das Wichtigste. Heute ist sie nicht mehr derart zentral. So kann ich inzwischen beim Surfen viel besser abschalten und mich effektiv erholen. Aber ich muss auch da schauen, dass ich dabei nicht die Lockerheit verliere. Und auch mal am Strand liegen kann, ohne jeder Welle hinterherzujagen.»
Martin Schmidt
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar