Tourismus | Ex-Miss Rigozzi stellt Wirtin aus Leukerbad an den Internet-Pranger, diese ist überfordert. Der Experte sagt:
«Der Imageschaden wird sich in Grenzen halten»

Die Ex-Botschafterin. Christa Rigozzi in der offiziellen Winterkampagne von Leukerbad Tourismus 2012/2013.
Foto: Screenshot Youtube
Ex-Miss-Schweiz Christa Rigozzi wollte vor Silvester mit Familie und Freunden in einem Restaurant speisen, buchte online – und hatte schliesslich doch keinen Tisch. Ihren 45000 Followern auf Instagram riet sie, das Lokal zu meiden. Für die Wirtin ein ungemütliches Erlebnis, für den Experten ein Lehrstück im Umgang mit Buchungsplattformen im Netz.
Es hätte ein gemütlicher Abend mit Familie und Freunden werden sollen und endete mit Enttäuschung auf der einen Seite und ungewollter Medienpräsenz und emotionalen Tiefschlägen auf der anderen. Christa Rigozzi, privat oft in Leukerbad unterwegs, hatte über die Buchungsoption auf dem Online Telefonbuch local.ch einen Tisch im Restaurant Alpenrose in Leukerbad reserviert. Als sie vor dem Besuch anrief, um nach Babystühlen zu bitten, wurde ihr von der Wirtin mitgeteilt, dass keine Reservation auf ihren Namen eingegangen war.
Die Ex-Miss teilte dies umgehend auf dem sozialen Netzwerk Instagram und riet ihren knapp 45000 Followern, nicht mehr dorthin zu gehen – mehr noch: das Lokal zu meiden. Ein emotionaler Schnellschuss. Die Wirtin fühlt sich von der Ex-Miss an den Pranger gestellt. Auf Anfrage wollte sie keine Stellung nehmen: Sie sei zu mitgenommen von der Geschichte, erzählte sie mit zittriger Stimme am Telefon. Auch Rigozzi war für diese Zeitung bisher nicht zu erreichen.
Unangenehm, aber nicht betriebsschädigend
Michael Fux ist Dozent für E-Tourismus an der HES-SO Siders und findet die Dynamik, welche die Geschichte in den vergangenen Tagen angenommen hat, übertrieben: «Dadurch, dass der ‹Blick› die Geschichte gebracht hat, hat das Ganze gewisse Dimensionen erreicht», sagt er. Natürlich könne es immer wieder vorkommen, dass Promis oder Ex-Promis solche Situationen ein wenig ausnützen. Aber man solle das auch immer relativieren. «Persönlich hat der Vorfall die Wirtin sicherlich getroffen, aber ich glaube nicht, dass sich die Geschichte negativ auf ihren Betrieb auswirken wird», sagt er. Denn sogenannte «Shitstorms» seien bereits nach wenigen Tagen Geschichte.
Seit dem Vorfall erschienen auf der Touristikwebsite Tripadvisor 21 neue Kundenbewertungen – fast durchwegs positiv. Solidaritätsbekundungen 2.0. «Das kann sicher helfen», sagt Fux, «und auch der Imageschaden wird sich in Grenzen halten.» Schlimmer wären für die Wirtin viele negative Bewertungen auf der Plattform gewesen, sagt er. Denn Bewertungen werden im Zeitalter des Internets zu einer immer stärker werdenden Währung.
Dennoch attestiert er der Wirtin auch eine gewisse Fahrlässigkeit im Umgang mit der Buchungsplattform: «Wenn man einen entsprechenden Dienst abonniert und online buchbar sein will, muss man dies auch in den Betriebsablauf integrieren und regelmässig die E-Mails checken», sagt er. «Lieber gar keinen Dienst anbieten als einen Dienst fahrlässig bewirtschaften. Denn wenn man eine Online-Buchung anbietet, erwartet der Kunde, dass es funktioniert», so Fux. Dies auch, weil die Kundenerwartungen heutzutage grundsätzlich relativ hoch seien, was Onlinebestellungen und -reservationen anbelangt.
Es könne aber auch sein, so Fux, dass der Wirtin nicht bewusst gewesen sei, dass sie überhaupt ein Online-Buchungssystem besitzt. Aufgezwungen werde der Dienst zwar nicht, aber local.ch «versucht schon, diese Funktion zu pushen und sich als Buchungsplattform zu etablieren». Vielleicht habe die Wirtin die Funktion unabsichtlich oder ohne weiter zu überlegen angekreuzt.
Buchungsplattformen sind eher Segen als Fluch
Wie die Wirtin am Telefon sagte, habe sie sich mittlerweile entschieden, ab sofort gänzlich auf sämtliche Buchungsplattformen zu verzichten und Reservationen – wie bis anhin – nur telefonisch anzunehmen. Aber kann man das im Jahr 2020 noch? «Es geht schon», sagt Fux, «wenn man die Auslastung des Betriebs auch so erreicht.» Gerade in urbanen Gebieten sei die Buchung via Internetseiten bereits etabliert, «und ich vermute, dass wie in den Hotels auch in der Gastronomie die Online-Buchung zum Standard werden wird», so Fux. Obwohl in der Schweiz nach seinen Berechnungen heute erst rund zehn Prozent der Tische online buchbar sind.
Entscheide man sich konsequent dagegen, auf Touristikportalen wie Tripadvisor – mit 500 Millionen Zugriffen monatlich die wichtigste auf dem Gebiet – präsent zu sein, könne man mittelfristig in der Versenkung verschwinden, sagt Fux. «Auf den wichtigsten Seiten sollte man schon sein, weil es zum normalen Kundennutzungsverhalten geworden ist, über die grossen Plattformen zu buchen», sagt er. Stammkunden behalte man auch so, aber die Neukundengewinnung könnte schwieriger werden. «Deshalb sind Buchungsplattformen so gesehen eher ein Segen», so Fux.
Gegen die Online-Riesen könne man sich nicht wehren, Fux spricht gar von Abhängigkeit. Er rät Tourismus- und Restaurationsbetrieben deshalb, regelmässig zu überprüfen, auf welchen Plattformen sie gelistet sind und Einträge haben, wo sie überall buchbar sind, und diese Einträge dann aber auch systematisch zu bewirtschaften.
Ex-Miss ist auch Ex-Botschafterin
Fux versteht zwar Rigozzis Frust über den geplatzten Restaurantbesuch, findet es aber schade, dass sie als ehemalige Botschafterin der Destination so gehandelt hat. Von 2009 weg war Christa Rigozzi, die privat seit eh und je Ferien in Leukerbad verbringt, einige Jahre lang offizielle Botschafterin der Destination, fungierte auf Werbeplakaten und vertrat Leukerbad in der Öffentlichkeit; zum Beispiel 2013 an der Basler Weinmesse. «Eine Person ihrer Grösse hätte ruhig über der Sache stehen können – gerade weil sie einst ein Mandat oder einen Werbeauftrag der Destination hatte», sagt
er, «da hätte sie ruhig mit einem Augenzwinkern darüber hinwegsehen können.»
Auch Urs Zurbriggen, CEO My Leukerbad AG, findet es schade, dass Rigozzi so emotional reagiert hat. Verpflichtend sei ihre ehemalige Rolle als Botschafterin hingegen nicht mehr, «sie hat als Privatperson agiert, deshalb erachte ich es als unproblematisch», sagt er auf Anfrage. Dennoch bemüht er sich um den Frieden im Bäderdorf. Nächste Woche wolle er die Wirtin besuchen, um mit ihr zu sprechen. Und er möchte als Mediator zwischen den Parteien fungieren, damit es vielleicht doch noch zum Happy End kommt. «Für Gespräche müssen aber beide bereit sein», sagt er. Rigozzi zeigte bisher aber keine Reue. Gegenüber «Blick» sagte sie: «Sie muss sich bei mir entschuldigen, sicher nicht ich mich bei ihr.» Das Happy End scheint in weite Ferne gerückt zu sein.
Adrien Woeffray
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