Verkehr | Fernando Lehner, CEO der MGBahn, will keinen einseitigen Bahnausbau zulasten der Strasse Täsch–Zermatt
MGBahn-Direktor gegen Investitionsschutz-Vereinbarung

Bekenntnis. Fernando Lehner: «Wie in der Strategie von Zermatt festgehalten, wird sich die MGBahn dafür einsetzen, dass es nicht zu einer solchen Vereinbarung kommt beziehungsweise dass damit ein wintersicherer Ausbau der Strasse zumindest nicht verhindert wird.»
Foto: Walliser Bote
Zermatt | Bei der Präsentation der neuen Destinationsstrategie von Zermatt war die Strasse Täsch–Zermatt ein heiss diskutiertes Thema. Die Strategiegruppe will beides: Bahn und Strasse. So auch Fernando Lehner, Direktor der MGBahn.
So einigte sich die 15-köpfige Strategiegruppe, der auch Lehner angehört, bezüglich der Erreichbarkeit von Zermatt auf folgenden Wortlaut: «Zermatt braucht eine durchgehend sichere Erreichbarkeit auf Bahn und Strasse. Alle Leistungspartner setzen sich mit einer Stimme bei Bund, Kanton, den entsprechenden Parlamenten und anderen wichtigen Gremien für diese beiden Verkehrslösungen ein. Das geplante Projekt ‹Unnerchritz› Tunnel bedeutet einen Meilenstein für eine sichere Zufahrt mit der Bahn und die touristische Erschliessung. Die Projekte dürfen einander jedoch nicht behindern oder verhindern. Insbesondere gilt es sicherzustellen, dass der Bau des ‹Unnerchritz› Tunnels von Investitionseinschränkungen für eine sichere Strasse – bei vorläufig bestehender Nutzungsbeschränkung – entkoppelt wird.»
«Einmalige Chance für die ganze Region»
Wie Fernando Lehner bei der Präsentation der neuen Zermatter Destinationsstrategie am Donnerstagabend meinte, ist das vom Bund geplante Bahnprojekt eine einmalige Chance für die Destination und die ganze Region: «Die Strecke Täsch–Zermatt wäre dann via Schiene garantiert sicher vor Naturgefahren und Zermatt von Täsch aus in sechs, sieben Minuten erreichbar.» Zudem bräuchte es keine Zahnräder mehr, weil die neue Streckenführung eine Steigung von maximal 50 Promille aufweisen würde. Die MGBahn gehe davon aus, dass der Tunnel inklusive Genehmigungsverfahren, Detailplanung und Realisierung in rund zehn Jahren fertiggestellt werden könnte.
Von den insgesamt 11,9 Milliarden Franken des Ausbauschritts 2035 liegen 1,5 Milliarden fürs Oberwallis (Zermatt und Lötschberg) auf dem Präsentierteller. Die definitiven Entscheide fällt das Parlament voraussichtlich im Verlauf dieses Jahres. Lehner erinnert daran, dass 2019 ein Wahljahr ist: «Die Begehrlichkeiten sind gross, sprich die Bundesgelder würden andere Regionen mit Handkuss nehmen.» Die betroffenen Parlamentarier würden dementsprechend mit harten Bandagen um diese Mittel kämpfen.
Nichtsdestotrotz kann es auch aus Sicht des MGBahn-Direktors nicht sein, dass im Zuge des geplanten Bahnprojekts ein Ausbauverbot für die Strasse verhängt wird: «Die MGBahn steht voll und ganz hinter dem Bekenntnis der neuen Zermatter Destinationsstrategie und setzt sich auch mit ihrer Stimme für eine sichere Verbindung auf Schiene und Strasse ein.» Viele Leute würden denken, die MGBahn sei gegen die Strasse. Doch das sei falsch. Er selbst komme auch aus einem Tal (Lötschental) und wisse, was es heisse, wenn die Strasse nicht jederzeit befahrbar sei.
Bevölkerung bleibt skeptisch
Seitens der Bevölkerung wurde nach der Präsentation der Destinationsstrategie die Frage gestellt, ob es nicht illusorisch sei, nach den mehreren Hundert Millionen Franken für die Bahn noch Geld für die Strasse zu bekommen. Und ob es keine Möglichkeit gäbe, den geplanten Bahntunnel zweistöckig zu bauen, sodass dort auch die Strasse Platz hätte. Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser stellte diesbezüglich klar, dass Bahn (Bund) und Strasse (Kanton) unabhängig voneinander finanziert würden. Das dürfe man nicht vermischen. Und zum technischen Aspekt sagte Lehner: «Da bin ich komplett überfragt. Technisch ist heute alles möglich. Letztlich ist es immer eine Frage der Finanzierung.» Wie Biner-Hauser ergänzte, wurden die Kosten für einen Strassentunnel zwischen Täsch und Zermatt in einer entsprechenden Studie auf 400 Millionen Franken geschätzt. Das sei für die Gemeinde nicht finanzierbar.
Karl Eggen, Präsident der IG Sichere Zufahrt Zermatt, wollte wissen, wer eigentlich die besagte Investitionsschutzklausel ins Spiel brachte: «So etwas ist in der Schweiz einzigartig. Von den insgesamt 11,9 Milliarden des Ausbauschritts 2035 ist einzig Zermatt davon betroffen. Sollte es der Strategiegruppe nicht gelingen, diese Vereinbarung zu beseitigen, kann sie so viele Statements abgeben, wie sie will.» Laut Biner-Hauser stammt diese Vereinbarung weder von der Gemeinde noch von der MGBahn. Andreas Biner, Burgermeister und Mitglied der Strategiegruppe, fügt hinzu: «Es kommt immer wieder vor, dass der Bund seine Investitionen mit solchen Klauseln schützt. Das kommt von der Bundesverwaltung. So müssen die Strategiegruppe und die Oberwalliser Parlamentarier alle Hebel ziehen, um eine Vereinbarung wie damals beim Terminal Täsch zu verhindern.» Man sei der festen Überzeugung, dass die Destination Zermatt Anspruch auf zwei sichere Zufahrten habe. Man müsse wegkommen von einer Entweder-oder- hin zu einer Sowohl-als-auch-Lösung. Dafür stehe die Strategiegruppe geschlossen ein.
Schutzvereinbarung zwischen Bund und Kanton
Und was, wenn die MGBahn doch vor die Entweder-oder-Frage gestellt wird, sprich wenn der Bund die MGBahn auffordert, eine Investitionsschutzvereinbarung zulasten der Strasse mitzuunterzeichnen? Lehner dazu: «Diese Situation wird nicht eintreten, weil wir nicht Eigentümer, sondern nur Betreiber der Bahnstrecke sind.»
Beim Terminal Täsch damals musste die MGBahn eine solche Investitionsschutzvereinbarung unterzeichnen. Warum sollte das diesmal anders sein? «Bei jedem grösseren Projekt, welches von der öffentlichen Hand finanziert wird, wird eine sogenannte Finanzierungsvereinbarung erlassen. Diese regelt die Projektabwicklung, den Zahlungsverkehr und insbesondere das Reporting und Controlling. Beim Matterhorn Terminal Täsch waren Bund, Kanton und die BVZ Holding die Geldgeber. Und in der damaligen 19 Artikel umfassenden Finanzierungsvereinbarung war unter anderem ein Artikel zum Investitionsschutz enthalten, der sich an den Kanton als Eigentümer der Strasse richtete. Die MGBahn hatte darauf keinen Einfluss und ihn zur Kenntnis zu nehmen», so Lehner. Beim geplanten Tunnel zwischen Täsch und Zermatt werde der Bund alleiniger Geldgeber sein. Auch dieses Mal werde es für die MGBahn eine Finanzierungsvereinbarung geben. Sollte es bei diesem Projekt nochmals zu einer Investitionsschutzvereinbarung kommen, werde dies zwischen Bund und Kanton zu regeln sein und man hoffe sehr, dass hier Zermatt als betroffene Gemeinde ebenfalls miteinbezogen werde. Wie in der Strategie von Zermatt festgehalten, werde sich die MGBahn dafür einsetzen, dass es nicht zu einer solchen Vereinbarung komme beziehungsweise dass damit ein wintersicherer Ausbau der Strasse zumindest nicht verhindert werde.
Wiederholt sich die Geschichte?
Mit der Bundesvorlage des Ausbauschritts 2035 sind einmal mehr gewichtige Ausbauten in die Bahninfrastruktur nach Zermatt vorgesehen. Bei einem Investitionsvolumen von insgesamt rund 500 Millionen Franken in die Strecke und den Bahnhofausbau in Zermatt soll insbesondere auch der Tunnel «Unnerchritz» gebaut werden; dies, um die Kapazität der Bahn zu steigern und die ganzjährige Befahrbarkeit zu sichern. «Dieser Ausbau und die hohen Kosten sind aber nur dann zu begründen, wenn die Erschliessung nach Zermatt weiterhin vorwiegend über die Schiene erfolgt. Ein Ausbau und eine Öffnung der heutigen Strasse zwischen Täsch und Zermatt würde diese Voraussetzung infrage stellen, zumal der Zubringerverkehr zwischen den Parkierungsanlagen in Täsch und Zermatt erheblich zur Wirtschaftlichkeit der beschlossenen Investition beiträgt», teilte alt Bundesrätin Doris Leuthard der Gemeinde Ende 2018 mit. Ohne eine Einschränkung der Strassennutzung liessen sich die Angebotsverdichtung auf der Bahn und die gewichtigen Investitionen in die Bahninfrastruktur nicht rechtfertigen. Eine allgemeine Öffnung der Strasse würde dem von der Gemeinde Zermatt und vom Kanton Wallis gewünschten sowie vom Bundesrat beantragten Bahnausbau die Grundlage entziehen. Um eine langfristige Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen, habe sie das zuständige Bundesamt für Verkehr angewiesen, die oben gemachten Aussagen beim Abschluss einer Investitionsschutzvereinbarung mit dem Kanton Wallis zu berücksichtigen.
Bereits im Februar 2004 wurde eine solche, für Zermatt prohibitive Vereinbarung zwischen Bund, dem Kanton Wallis und der Matterhorn Gotthard Infrastruktur AG abgeschlossen; damals zur Finanzierung des Top Terminals Täsch, was Rechtswissenschaftsprofessor Martin Lendi in seinem Gutachten vom November 2011 notabene als rechtswidrig taxierte.
Martin Kalbermatten
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar