Musik | Allpot Futsch über das Musizieren und das Älterwerden
Einst ohne Geld, jetzt mit Familie

Der Vergleich. Von links: Drummer Thomas Lochmatter, Gitarrist Daniel Bumann, Bassist Daniel Schmid und Gitarrist Ulysse Tscherrig, 1993...
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...und wie sie heute aussehen.
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16 Jahre dauert eine durchschnittliche Ehe im Kanton Wallis. Die Punkrockgruppe «A.F.» schlägt dies bei Weitem. Die vier Bandmitglieder musizieren seit mittlerweile 26 Jahren zusammen. In dieser Zeit hat sich viel getan.
In der Gründungszeit der Band sahen die vier Natischer Ulysse Tscherrig, Daniel Bumann, Daniel Schmid und Thomas Lochmatter mit ihren schulterlangen Mähnen aus wie waschechte Rebellen. Dagegen wirken sie mit Bürstenschnitt oder Kurzhaarfrisur heute geradezu geerdet. Wie die perfekten Schwiegersöhne, die sie womöglich auch sind.
Früher traten sie auch in jeder «Hundsverlochete» auf, um sich die Sporen als Newcomer-Band abzuverdienen und sich eine eigene Fan-Basis aufzubauen. Heute schlägt sich Bumann durch seinen Berufsalltag als Bauingenieur, Schmid arbeitet in der Administration, Tscherrig in der Bundeskanzlei und Lochmatter als Betriebsökonom.
In ihren Anfangsjahren schrieben sie mit grossem Einsatz regelmässig neue Songs. Heute sind sie stattdessen deutlich aktiver, was die Nachwuchsplanung anbelangt: Bumann wird im Januar zum dritten Mal Vater. Bei Schmid folgt im Juni zum zweiten Mal Nachwuchs. Und Tscherrig ist bereits zweifacher Papa. Die «A.F.»-Mitglieder machen den Spagat zwischen Familien-, Berufs- und Bandleben. Und der gelingt ihnen seit nunmehr
26 Jahren mit Bravour.
Durch Hochs und Tiefs
Auch wenn sich in dieser Zeit einiges getan hat, «das Musizieren hat für uns noch einen ähnlichen Stellenwert wie zu Beginn», so Tscherrig, «Was sich aber geändert hat, ist, dass wir heute viel entspannter sind. Wir führen viel weniger Diskussionen darüber, in welche musikalische Richtung wir uns bewegen wollen. Dieser Prozess hat zwar lange gedauert, wir haben uns aber voll gefunden.» Man müsse nichts mehr beweisen und könne machen, worauf man Lust habe. «Wir versuchen natürlich immer noch, den Durchbruch zu schaffen», scherzt Schmid. Spässe gehören bei den vieren dazu. Sie haben zusammen das Kollegium in Brig besucht. Jeder weiss, wie die anderen ticken. Sie sind zusammen durch dick und dünn; durch Hochs und Tiefs gegangen. Haben als arme Kollegiumsschüler nebenher für die ersten Instrumente geschuftet.
Einmal wären sie in Chur vor vier Personen aufgetreten – zwei davon hätten hinter der Bar gearbeitet. Demgegenüber stehen Auftritte am Open Air Gampel, am Greenfield oder als Vorgruppe diverser Punkgruppen wie «Simple Plan». Mittlerweile kommen sie auf über 180 Auftritte. «Erfolg schweisst zusammen», sagt Tscherrig und ergänzt, «noch mehr aber die Misserfolge.» Man habe oft aus Fehlern gelernt.
«Ach Papa»
«Mit der Band können wir diese tiefe Freundschaft pflegen», sagt Lochmatter. «Deswegen freuen wir uns immer noch riesig auf Bandanlässe», fügt er an. Tscherrig pflichtet ihm bei: «Die Musik ist Dreh- und Angelpunkt unserer Freundschaft. Wenn wir sie nicht hätten, würden wir uns nicht mehr so oft treffen.» Gegenwärtig treten «A.F.» noch zwischen fünf und sieben Mal pro Jahr auf. Früher kamen sie jährlich auf über 20 Konzerte. Und auch die Proben sind weniger geworden. Oder das Tüfteln an neuen Songs.
Heute würde schliesslich jemand daheim warten. «Deshalb versuchen wir, uns so zu organisieren, dass die Belastung für die Familie möglichst klein ist», so Bumann. Trotzdem kann die Musik zu Hause schon mal für Diskussionen sorgen, wie Tscherrig bestätigt. Da die Band am dritten November traditionsgemäss im Moshpit in Naters ihren Geburtstag feierte, probten die vier unter der Woche an zwei Abenden. Seine Tochter hätte davon nicht allzu viel gehalten: «Ach Papa, jetzt schon wieder. Neben dem Konzert hätte eine Probe doch gereicht», habe sie ihm ihre Meinung deutlich mitgeteilt. Die Frauen hätten jedoch von Anfang an gewusst, worauf sie sich einlassen würden, scherzen sie unisono. «Die Band gibt es schliesslich zehn Jahre länger als die längste Beziehung von uns», sagt Bumann und lacht. «Die Band war vorher da», pflichtet ihm Lochmatter schmunzelnd bei.
Voll im Film
Entsprechend haben «A.F.» absolut keine Pläne, demnächst aufzuhören. Abende wie jener vom Samstag sind nach wie vor ein wichtiger Teil ihres Lebens. «Das Geburtstagsfest ist für uns wie ein Klassentreffen. Wir sehen dort jeweils viele Leute, denen wir sonst nicht mehr über den Weg laufen», so Tscherrig. Wenn sie dann auf der Bühne stehen, hat sich gegenüber früher aber doch etwas geändert, gibt Tscherrig zu: «Dann bin ich voll in meinem Film drin. Dort auf der Bühne mit meinen drei Kollegen. Das ist wahrscheinlich sogar noch schöner als früher.»
Martin Schmidt
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