Freilichtspiele | Zuschauer bei der aktuellen Produktion auf dem Riffelberg noch zögerlich
Matterhorn: Mehr Zuschauer please!

Ansprechendes Theater – noch wenig Publikum. Spielt der «Déjà-vu-Effekt» eine Rolle?
Foto: WB / Alain Amherd
Die Freilichtspiele Zermatt verzeichnen mit «Matterhorn: No Ladies please!» weniger Zuschauer als bei den letzten zwei Produktionen. Welches sind die Gründe für den geringeren Publikumsaufmarsch?
Das Spiel unter freiem Himmel erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Fast 26 000 Zuschauer sahen im Sommer 2015 «The Matterhorn Story». «Romeo und Julia am Gornergrat» zog immerhin noch 16 000 Personen an. Doch die diesjährige Aufführung «Matterhorn: No Ladies please!» übt auf das Publikum offensichtlich nicht dieselbe Anziehungskraft aus. Obwohl auf der höchsten Freilichtbühne Europas ein stimmiges Theater zu sehen ist, kommt das Publikum nicht in Massen auf den Riffelberg. Woran kann das liegen?
Der Erfolg von «The Matterhorn Story» war phänomenal. Das Konzept dahinter: ein Spiel unter freiem Himmel, eine Bühne inmitten einer einmaligen Naturkulisse, viele Laiendarsteller aus der Region unter professioneller Leitung und ein lokalgeschichtliches Thema. Das kam bei Einheimischen und Gästen an.
Diese Erfolgsgeschichte blieb anderen Oberwalliser Tourismusdestinationen nicht verborgen. So wurde «The Matterhorn Story» Vorbild für weitere Grossproduktionen. Im Sommer 2018 wurde unter anderen auf der Riederalp «Der letzte Sander» und in Niederwald «Cäsar Ritz» gespielt. In Leuk stand die «Schafswaldklinik» unter freiem Himmel auf dem Programm. Diese Grossevents mit ausgeprägtem regionalen Bezug erreichten ebenso ein grosses Publikum.
Freilichtschwemme
Doch angesichts der Freilichtschwemme begann sich bereits im letzten Sommer so mancher zu fragen: Kann das auf Dauer gut gehen? Wie lange hält die Begeisterung für diese Form des Theaters an? So grosse Produktionen sind dringend auf hohe Zuschauerzahlen angewiesen. Der Aufwand ist enorm und dementsprechend hoch das finanzielle Risiko. Am Beispiel der Freilichtspiele Zermatt kann man sehen, dass selbst ein Veranstalter, der ein sehr gutes Produkt anbietet, aber nicht mehr auf die Attraktion des Einzigartigen setzen kann, plötzlich auf Probleme stösst.
Das Phänomen erinnert an den Boom der Open-Air-Kinos und der Klassik-Festivals der 1980er-/90er-Jahre. Auch sie schossen wie Pilze nach einem Sommerregen aus dem Walliser Boden. Ist ein Veranstalter mit einem Konzept erfolgreich, wird es gnadenlos kopiert. Das Neue, Einmalige ist dahin; das Überangebot verdirbt den Markt.
Maria Sieber, PR-Leiterin der Freilichtspiele Zermatt, kommentiert die aktuellen Zuschauerzahlen so: «Wir freuen uns, dass wir ein begeistertes Publikum in Zermatt haben. Der Vorverkauf zieht langsam an. Inzwischen sind gegen 10 000 Tickets verkauft.» Die Auslastung der bisherigen Aufführungen liege jedoch noch unter 40 Prozent. 700 Plätze gäbe es bei jeder der 31 Aufführungen zu besetzen. Ob es die Einheimischen oder Gäste sind, die weniger auf den Riffelberg pilgern, kann Maria Sieber nicht sagen. «Die Oberwalliser schauen sich zuerst die Wetterprognosen an und buchen kurzfristig», sagt die PR-Verantwortliche. Bei Freilichtspielen kann immer auch das Wetter auf die Zuschauerzahlen drücken. Doch dieser Faktor kann im Fall Zermatt für die bisherige Saison bestimmt ausgeschlossen werden. Das Wetter war bis jetzt nahezu perfekt. Es muss also noch andere Gründe geben.
Déjà-vu-Effekt
Die könnten auch bei künstlerischen Entscheiden oder dem gewählten Thema zu suchen sein. Obwohl «Matterhorn: No Ladies please!» eine gelungene Inszenierung darstellt und die Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler beachtlich ist, stellt sich bei so manch einem Zuschauer der «Déjà-vu-Effekt» ein. Die Geschichte spielt wieder in Zermatt, wieder in derselben Zeitepoche, die Kostüme und die Bühne ähneln sich, die Inszenierung bietet keine grossen Überraschungen.
Während «The Matterhorn Story» vom Mythos des Bergs und seiner Dramen profitiert hat, vermag das Thema Frauen am Berg und die Selbstbestimmung von Frauen nicht annähernd dieselbe Emotionalität hervorzurufen. Ob es schliesslich gelingt, mit einem Stoff das Publikum zu berühren, ist im Voraus immer schwierig abzuschätzen.
Bis am 1. September haben die Zuschauer noch jeweils von Donnerstag bis Sonntag die Gelegenheit «Matterhorn: No Ladies please!» zu sehen. Vielleicht vermag die Mund-zu-Mund-Propaganda der begeisterten Zuschauer bis dahin noch vermehrt Wirkung zu zeigen.
Nathalie Benelli
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