Coronavirus | Lukas Jäger gehört zu einer Risikogruppe. Und jetzt?
«Ich kann mich nicht einfach zurückziehen»

«Kurve gekriegt». Lukas Jäger, Jurist und SVP-Grossrat aus Turtmann.
Foto: mengis media / Alain Amherd
Er hat eine Muskelerkrankung hinter sich, zwei Herzinfarkte. Und er ist 65. Für Leute wie Lukas Jäger kann das Coronavirus lebensbedrohlich sein. Mit dieser Situation umzugehen. Nicht ganz so einfach.
Lukas Jäger zieht sein Bein leicht nach, wenn er durch die Wandelhalle des Grossratsgebäudes schreitet. Für längere Distanzen benutzt er einen Gehstock. Zum Gruss streckt er die Hand aus.
Sollten wir das nicht besser lassen?
«Womöglich haben Sie recht. Ich brauche jetzt einen Kaffee. Wollen Sie auch einen?»
Vor ein paar Jahren bekam der Grossrat aus Turtmann die Diagnose Myopathie, eine Muskelerkrankung. Jäger hat Schmerzen. Und weniger Kraft. Eigentlich eine unheilbare Krankheit.
«Aber bei mir ist es jetzt weg.»
Wie weg?
«Das ist eine lange, eigene Geschichte.»
Was ist passiert?
«Ich wollte weg von der Schulmedizin. Meine Schwestern zerrten mich in so ein Seminar. Danach habe ich alles versucht: vom Naturarzt bis zum Schamanen. Dann habe ich zwei Leute getroffen, die mir geholfen haben. Na ja, vielleicht haben sie mir einfach nur den Spiegel vorgehalten, keine Ahnung. Das Immunsystem hängt von der Seele ab. Es hat mit Glauben und Beten zu tun, es war für mich eine sehr intensive Phase. Dann habe ich die Kurve gekriegt. Ich weiss, hört sich esoterisch an.»
Und jetzt sind Sie geheilt?
«Ja, das hoffe ich. Der Doktor in Basel, ein Spezialist, hat mich gefragt, ob ich in Lourdes war. Es gibt keine medizinische Erklärung dafür.»
Bei Lukas Jäger ist es aber nicht nur diese Krankheitsgeschichte. Er hatte auch schon zwei Herzinfarkte, eine längere Herzoperation. Und: Vor zwei Monaten ist er 65 geworden. Nach diesen Kriterien gehört der Jurist somit voll und ganz zu einer sogenannten «komplikationsgefährdeten Bevölkerungsgruppe», die sich vor dem Coronavirus besonders in Acht nehmen muss. Nach den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden sollten diese Personen nicht zu Stosszeiten pendeln, sich die Einkäufe heimliefern lassen, besser per Telefon mit Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben. Gemäss diesen Empfehlungen müsste Lukas Jäger öffentliche Veranstaltungen eigentlich meiden. Aber er ist die ganze Woche hier, im Grossen Rat in Sitten.
Sie sitzen den ganzen Tag eng mit mindestens 120 anderen Leuten zusammen. Müssten Sie nicht zu Hause bleiben?
«Ich gehe davon aus, dass alle hier im Parlament sensibilisiert sind und nicht kommen, wenn sie die entsprechenden Symptome aufweisen. Ich fühle mich hier relativ sicher. Und sowieso: Eine einzige Begegnung mit einer Person, die den Virus trägt, würde bereits genügen, um selbst krank zu werden.»
Macht das Ihnen nicht Angst?
«Ich nehme das sehr ernst. Aber ich kann mich nicht einfach aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Auch wenns vielleicht gescheiter wär’, ich weiss es nicht. Aber trotz allem muss das Leben weitergehen. Es wäre ein sehr harter Entscheid.»
Lukas Jäger war früher Gemeindepräsident von Turtmann, CVP, brandschwarz. Womöglich ist er immer noch ein «Schwarzer», aber die CVP war ihm nicht mehr «schwarz» genug. Er wechselte zur SVP, aber geht auch hier seinen Weg. Er will selbst denken, selbst leben. Für die einen ist er ein Querkopf. Für die anderen ein Kauz. Für die meisten ein Unikat.
Glauben Sie, dass wir richtig umgehen mit dieser Epidemie?
«Vor ein paar Wochen war der Virus in China, wir nahmen das am TV zur Kenntnis. Jetzt ist er hier, teils in den eigenen vier Wänden. Das gibt zu denken.»
Handeln die Kantonsbehörden Ihrer Meinung nach richtig?
«Zaubern können die auch nicht. Jetzt ist aber vor allem der Bund gefordert. Der Virus macht keinen Halt vor den Kantonsgrenzen.»
Wie geht man hier im Grossen Rat mit dem Virus um?
«Ich höre hier eigentlich nur Witze und Sprüche darüber. Möglich, dass man so etwas überspielen will…»
David Biner
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