Einwanderer | Yolande und Reinhard Imhasly beginnen nach Jahrzehnten im Wallis ein neues Leben in Afrika
Ein Neuanfang in Kamerun

Umzug nach Afrika. Ende Februar hat die Familie Imhasly in Raron den Schiffscontainer für ihr neues Leben in Kamerun beladen. Wann das Hab und Gut der Imhaslys an der Westküste Afrikas eintreffen wird, ist ungewiss.
Foto: WB / Andrea Soltermann
Vor einigen Tagen haben Reinhard Imhasly und seine Frau Yolande ihrem bisherigen Leben im Wallis den Rücken gekehrt und sind nach Kamerun ausgewandert.
Ein gewagter Schritt ins Ungewisse, «ein Neuanfang in einer komplett anderen Welt», erklärt Reinhard Imhasly beim Treffen einen Tag vor dem grossen Wegzug Anfang März. Kamerun hat sich für das Ehepaar aus Raron zum Eldorado entwickelt, zum Sehnsuchtsort. Trotz schier unüberwindbarer administrativer Hürden und obschon das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) von Reisen in verschiedene Regionen Kameruns abrät.
Es sollte anders kommen
Imhaslys gehen nicht unvorbereitet, stürzen sich nicht blauäugig ins Abenteuer. «Wir haben uns intensiv mit Kamerun, das aufgrund seiner landschaftlichen und kulturellen Vielfalt ein Spiegelbild des afrikanischen Kontinents ist, auseinandergesetzt», so Imhasly. Mehrfach haben sie während der vergangenen 13 Jahre verschiedene Landesteile Kameruns bereist. Es zog sie immer wieder zurück, ins Geburtsland von Ehefrau Yolande. «In Kamerun sind wir beide Migranten», lacht die 48-Jährige, die mehr Zeit ihres Lebens in der Schweiz verbracht hat und keinen kamerunischen Pass besitzt.
Der Gedanke, sich endgültig an der Westküste Afrikas niederzulassen, flankiert von mehreren Unruhe-Staaten wie der Republik Kongo, dem Tschad oder der Zentralafrikanischen Republik, sei allmählich gewachsen. Noch vor 20 Jahren, als Familie Imhasly im Rilkedorf ihr Eigenheim bezog, meinte man, dort alt zu werden. Es sollte anders kommen, unvorhersehbarer.
Zeit, zu gehen
«2017 haben wir uns endgültig zur Auswanderung entschlossen», so die Eltern von fünf Töchtern und einem Sohn im Gespräch. «Wenn wir uns in Kamerun noch etwas aufbauen wollen, ist es jetzt an der Zeit, zu gehen», sagt der 58-jährige Sozialarbeiter, der sich frühpensionieren liess. Kamerun, so sagt er, habe ihn wahnsinnig fasziniert und gleichzeitig enorm betroffen gemacht. Imhasly zählt auf: «Der völlig andere Lebensrhythmus, die Fülle an Kulturen und Ethnien, die Naturschönheiten, der tropische Regenwald – eine grüne Höhle –, die Fruchtbarkeit des Landes, die Einheimischen, die neben einigen Superreichen grösstenteils in ärmlichen Verhältnissen leben, die weitverbreitete Korruption.» Um nicht an der geballten Andersartigkeit des Landes zu zerbrechen, dürfe man keine Vergleiche ziehen zwischen der europäischen und der kamerunischen Lebensweise.
Vieles ist noch ungewiss
Yolande und Reinhard Imhasly zeigen Risikofreude: Vieles liegt auch kurz vor der Abreise nach Kamerun noch in der Schwebe. So etwa auch, zu welchem Zeitpunkt der Schiffscontainer, der Ende Februar beim Bahnhof in Raron mit dem Hab und Gut der Eheleute beladen wurde, in der Hafenstadt Douala – dem Wirtschaftszentrum Kameruns – eintreffen wird.
«Wohl nicht vor Mitte April und bestenfalls ungeplündert», kann der studierte Theologe nur hoffen. Sicherheitshalber hat er einige zusätzliche Schlösser am Container angebracht, der nicht mittels einer internationalen Spedition verschifft werden konnte. «Kamerun ist halt nicht Kanada oder die USA», lacht Imhasly. Wie hoch die Zollgebühren ausfallen werden, ist noch ungewiss. Genauso offen ist, ob und wann die auf sechs Monate befristeten Visa der Walliser verlängert werden. Imhaslys stellen sich auf allerhand Behördengänge und Formulare ein. Ein langer Atem sei vonnöten und immer etwas Kleingeld in der Tasche, sagt Imhasly, der sich trotzdem optimistisch zeigt. «Darauf muss man sich einlassen können. Es bringt nichts, etwas anderes zu wollen.»
Neuer Wohnort Ekali
In Ekali, einer kleinen Siedlung zwischen Kameruns Hauptstadt Yauondé und der Ortschaft Mbalmayo, der Geburtsstätte von Yolande Imhasly, wollen sich die Auswanderer längerfristig niederlassen, ein Haus bauen, später eine bäuerliche Landwirtschaft zur Selbstversorgung betreiben. «Die Gegend dort ist hügelig, ruhig, ländlich geprägt, umgeben von tropischem Regenwald. Dass es Wasser in der Nähe hat und
wir am Elektrizitätsnetz angeschlossen sind, war mir wichtig.» Die Familie hat in Ekali, im Landesinnern, im Süden Kameruns ein vier Hektar grosses Grundstück in Aussicht, die Verschreibung des Bodens stehe kurz bevor.
Regen- und Trockenzeit statt Frühling, Sommer, Herbst und Winter. «Theoretisch ist es möglich, vier Mal jährlich Mais zu ernten.» Reinhard Imhasly weiss Bescheid über seine Wahlheimat. Weiss viel zu erzählen über wunderschöne Buchten mit gelben Sandstränden und schwarzen Lavasteinen, über die Millionenstadt Douala, wo es jeden Tag regnet und es unangenehm viele Mücken hat, über den alternden Staatschef Paul Biya, der das Land seit 37 Jahren regiert, über Oppositionsparteien, die sich kaum durchsetzen können, über grosse Geldsummen, die einfach versickern, über die Tsetsefliege im Süden, über grosse Flüchtlingslager mit rund 400 000 Menschen im Grenzgebiet zum Kongo, über die marode Infrastruktur, die der Entwicklung des Landes hinterherhinkt, über Maniok, Kochbananen und Süsskartoffeln und über Ecken, die noch nie ein Mensch betreten haben soll.
Imhaslys wollen sich mindestens ein halbes Jahr Zeit lassen, um richtig in Kamerun anzukommen. Vielleicht folgt später der Nachwuchs, der noch im Wallis geblieben ist.
Perrine Andereggen
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