Justiz | Hat Lonza im Wallis mit dem krebserregenden Lösungsmittel Dioxan Gewässer verschmutzt?

Staatsanwalt fordert Denkzettel

Vor Gericht. Die Lonza, hier vertreten durch den Visper Werksleiter Jörg Solèr (rechts).
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Vor Gericht. Die Lonza, hier vertreten durch den Visper Werksleiter Jörg Solèr (rechts).
Foto: WB / ANDREA SOLTERMANN

Quelle: 1815.ch /zen 21.06.18 0
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Visp | Für Widerhandlungen gegen das Gewässerschutzgesetz soll Lonza Visp eine Busse von 150 000 Franken zahlen. Das forderte die Staatsanwaltschaft Oberwallis vor dem ­Bezirksgericht in Visp. Lonza wehrte sich vehement gegen die Anschuldigungen und ­forderte einen Freispruch.

Lonza, der mit 2700 Mitarbeitern grösste und wichtigste Arbeitgeber des Oberwallis, fand sich am Donnerstagmorgen vor dem Bezirksgericht Visp in einer höchst ungewohnten Rolle wieder. Das Werk musste sich vor Gericht Anschuldigungen von Staatsanwalt Andreas Seitz wegen Widerhandlungen gegen das Gewässerschutzgesetz um die Ohren schlagen lassen. Lonza-Direktor Jörg Solèr erschien selbst im Gerichtssaal, weil im Zuge der polizeilichen Untersuchungen zu den Dioxan-Verschmutzungen von Trink- und Grundwasser westlich von Visp keine eigentlichen «Straftäter» in den Lonza-Werken ermittelt werden konnten. Solèr wurde begleitet von Estelle Burri, der Verantwortlichen der Abteilung Umweltschutz bei Lonza, sowie Verteidiger Peter Pfammatter.

Dioxan-Entsorgung über Ara Visp

Vor dem Eingang zum Gerichtsgebäude wurden sie zuvor von einem guten Dutzend Medienschaffenden aus der ganzen Schweiz mit Kameras und Interviewanfragen empfangen. Diese wiederum wurden vom Lonza-Pressesprecher vorsorglich mit einer schriftlichen Stellungnahme des Werkes versorgt. Zu den einzelnen Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft liess Gerichtspräsident Rochus Jossen die Werksverantwortliche für Umweltschutz Stellung beziehen. Die Be­fragung zu den exakten Mengen von Dioxan, welches die Lonza-Werke über das Kühlwassersystem oder in die Ara entsorgte, verlor sich allerdings rasch in Zahlenakrobatik, die im Gerichtssaal wohl niemand ausser der Befragten selbst verstand.

Im Weiteren gab Burri zu Pro­tokoll, dass Dioxan in den Lonza-­Werken in einer jährlichen Menge zwischen 1000 und 2500 Tonnen in drei Betrieben eingesetzt wird. Die in hohen Dosen krebserregende Substanz wird mittels Bahnkesselwagen nach Visp angeliefert und dort in Tanks umgelagert. Von dort können die drei Betriebe Dioxan über Werksleitungen beziehen. Es wird zur Produktion von Zwischenprodukten von Pharmazeutika und Herbiziden eingesetzt. Entsorgt wird das nicht abbaubare Dioxan auch über die Ara Visp. Vor 2014 lag es in der Eigenverantwortung von ­Lonza, mit der Sub­stanz keine Gewässerverschmutzung zu verursachen. Seit 2014 setzt Lonza den Kanton bei Überschreitungen der Grenzwerte in Kenntnis, nachdem dieser die Grenzwerte in einer Einleitungsbewilligung für die Ara Visp definiert hat.

Zahlreiche Überschreitungen des Grenzwerts

Und zu Überschreitungen von Grenzwerten kam es laut Anklageschrift etliche Male. Die Verschmutzung durch 1.4-Dioxan wurde 2014 bei der Grundwasserüberwachung entdeckt, die der Kanton anlässlich des Baus der Autobahn A9 eingerichtet hatte. In der Folge vereinbarte Lonza mit der Dienststelle für Umweltschutz eine maximale Abgabe von acht Kilogramm 1.4-Dioxan pro Tag ins Industrieabwasser. Für die Rhone wurde ein Grenzwert von 6,6 Mikrogramm pro Liter festgesetzt. Diese Verschmutzung war auch der Auslöser, dass die Dienststelle für Umweltschutz Anzeige gegen unbekannt erstattete. Auch danach kam es aber zu Fällen, in denen diese Werte deutlich überschritten wurden. An einem Tag im April 2015 betrug die maximale ­Dioxanfracht 36,66 Kilogramm. Zudem sollen Mitarbeiter von Lonza auch mehrere Liter 1.4-Dioxan im Freien verschüttet haben.

Vorfälle nicht unter den ­Teppich gekehrt

Staatsanwalt Andreas Seitz setzte nach der Befragung von Burri zu einem engagierten Plädoyer für den Umweltschutz an. Nicht ohne die Frage zu stellen, «ob es überhaupt statthaft sei, Lonza für die Verschmutzung von Gewässern zur Verantwortung zu ziehen, obwohl sich bei den ersten ­angeklagten Vorfällen weder Lonza selbst noch die kantonale Dienststelle für Umwelt bewusst waren, dass die Gewässer überhaupt verschmutzt wurden». Überdies stellte er die rhetorische Frage, ob man Lonza für Ge­wässerverschmutzungen zur Rechenschaft ziehen könne, obwohl in der Gewässerschutzverordnung damals gar keine Grenzwerte für 1.4-Dioxan festgesetzt waren. Seine Antwort auf die Fragen waren unmissverständlich: «Man kann nicht nur, man muss: Die Staatsanwaltschaft ist dazu verpflichtet, dem staatlichen Strafanspruch zum Durchbruch zu verhelfen.»

In seinen Strafanträgen liess der Staatsanwalt Seitz Milde walten. Mit Verweis auf eine mögliche Busse von fünf Millionen Franken forderte er für Lonza lediglich eine «Denkzettelbusse» von 150 000 Franken. «Sie ist hoch genug, dass sie die Lonza AG schmerzt, und tief genug, dass dem Werk nicht wirtschaftlich Probleme erwachsen und dass hoffentlich künftig solche Umweltbelastungen vermieden werden können.» Milde auch deswegen, weil Lonza auch vieles richtig gemacht habe, indem sie die Mehrheit der Gewässerverschmutzungen selbst den Behörden angezeigt und nicht versucht habe, die Vorfälle unter den Teppich zu kehren.

Verteidiger fordert Freispruch

Verteidiger Peter Pfammatter ver­suchte in seinem Plädoyer sämtliche Anklagepunkte zu entkräften. Mehr als eine Stunde lang, versuchte er ­klarzumachen, dass sich Lonza in ­keinem der Anklagepunkte widerrechtlich verhalten habe. Dabei ­machte er der Staatsanwaltschaft ­Vorwürfe, dass sie vor Gericht Anklagepunkte vorbringe, die polizeilich gar nicht oder nur oberflächlich untersucht wurden. Letztlich sei vom Gericht zu klären, ob einzelne An­klagepunkte nicht verjährt seien. Denn strafrechtlich seien Übertretungen, die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung weiter als drei Jahre zurückliegen, verjährt.

Er forderte in seinen Anträgen, dass Lonza von allen Anklagepunkten freizusprechen sei, dass Lonza eine ­angemessene Parteientschädigung ­zuzusprechen sei und der Kanton die Verfahrenskosten zu tragen habe. Das Urteil ist in einigen Tagen zu er­warten.

Norbert Zengaffinen
21. Juni 2018, 18:43
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