DER TAGESKOMMENTAR | Zu einem Fall sexuellen Übergriffs in einem Altersheim
Abartig

Thomas Rieder, Redaktor
Foto: Walliser Bote
Das Wort «abartig» meint nicht immer dasselbe. Im Dialekt wird es mitunter für atemberaubende Schönheit verwendet, etwa in der Natur, die stets aufs Neue zum Staunen verführt. Mit der passenden Betonung trifft der Beschrieb durchaus den Punkt. Zur Hauptsache ist «abartig» aber eine Widerlichkeit der unausstehlichen Sorte.
Und von der ist hier heute die Rede. Der Fall im Alters- und Pflegeheim von Brig-Glis, wo sich laut Urteil des Kantonsgerichts ein ehemaliger Mitarbeiter an einer dementen Frau sexuell verging, lässt Menschen mit einem gesunden Empfinden erschaudern. Trotzdem ist es zum Hinzeigen, nicht zum Wegschauen. Es gehört genau so strafrechtlich verfolgt und an den gesellschaftlichen Pranger gestellt wie Übergriffe auf Minderjährige. Oder Abartigkeiten im Bereich der Kinderpornografie im Internet und der Zoophilie (sexuelle Handlungen
mit Tieren).
Gerichtsverfahren und Strafbefehle der Staatsanwaltschaft haben uns in den letzten Monaten gelehrt, dass all diese Widerlichkeiten nicht nur in den urbanen Schmelztiegeln oder auf abgeschiedenen, sektenartigen Gehöften stattfinden, sondern direkt vor unseren Haustüren.
Da sind schamlos Werte über Bord gegangen, sehr oft dem nackten Egoismus geschuldet. Wir erleben dies auch im Selbstverständnis von Angeklagten. Etwas zugeben? Nein. So etwas wie schlechtes Gewissen? Denkste! Was nicht hieb- und stichfest bewiesen werden kann, wird von Beschuldigten umgehend genutzt zum Gegenangriff auf Ermittler und andere Amtspersonen. Das ist eine schlechte Entwicklung.
Thomas Rieder
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