Zermatt | Berggänger übernachten und frühstücken in Wallfahrtskapelle auf Schwarzsee
Unerwünschtes Bed and Breakfast bei «Maria zum Schnee»

Ort der Stille. Noch heute pilgern Gläubige zur Kapelle «Maria zum Schnee» auf Schwarzsee.
Foto: Keystone
Einheimische Messgänger staunten nicht schlecht, als sie in aller Früh den Gottesdienst für das Patronatsfest vorbereiten wollten: Sie weckten Alpinisten im Schlafsack, die es sich in der Kapelle «Maria zum Schnee» gemütlich gemacht hatten.
Schwarzsee, oberhalb von Zermatt, auf fast 2600 Metern gelegen, ist ein beliebter Ausflugsort bei Alpinisten und Wanderern. Und bei gläubigen Katholiken. Ein paar Einheimische, so heisst es in der Sage, sollen sich auf dem Theodulgletscher verirrt und gelobt haben, der Muttergottes eine Kapelle zu errichten, wenn sie doch nur aus ihrer misslichen Lage heil wieder herauskämen.
Die Kapelle selbst, so steht es auf der Website der Pfarrei Zermatt, stammt wohl aus dem frühen 18. Jahrhundert. Bischof Franz Melchior Zenruffinen erhob sie 1784 zur öffentlichen Messkapelle.
«Zuflucht ja, aber kein Picknick»
Im Frühjahr pilgerten damals die Bergbauern aus dem Mattertal hinauf zum Schwarzsee, manche ab Furi oder «Hermetje» auf den Knien. Man betete für genügend Regen im Sommer. Und die Frauen, so erzählen es noch heute die älteren Einheimischen, flehten Maria an, nicht schon wieder schwanger zu werden. Ende des 19. Jahrhunderts waren die Familien gross, das Essen knapp.
Das ist heute alles anders. Was geblieben ist: Immer am 5. August feiert man in Zermatt das Patronatsfest unter freiem Himmel. Um 10.00 Uhr mit Hunderten Messgängern, darunter auch viele Touristen. Und um 6.00 Uhr mit einer Messe für Frühaufsteher und vor allem einheimischen Gläubigen, die es im bescheidenen Rahmen mögen. Rund 40 waren es auch in diesem Jahr. Aber zuerst waren einige Minuten Geduld gefragt.
Denn bevor es losging, mussten sich noch ein paar Alpinisten rasch anziehen. Sie hatten es sich in ihren Schlafsäcken in der Kapelle gemütlich gemacht und wurden von den Gläubigen geweckt. Einige Tag zuvor überraschte eine Frau einen Alpinisten beim Frühstücken in der Kapelle. Auch in aller Früh, als sie gerade eine Kerze anzünden gehen wollte.
Stefan Roth bestätigt entsprechende Informationen dieser Zeitung. Der Pfarrer von Zermatt war selbst zwar nicht vor Ort, wurde aber von Anwesenden entsprechend unterrichtet. «Beschädigt wurde nichts», sagt Roth. In den letzten Jahren kam es immer mal wieder vor, dass die Opferstöcke der Kapellen rund um Zermatt Dieben zum Opfer fielen. Grundsätzlich stünden die Kapellen 24 Stunden am Tag offen, so Roth – mit Ausnahme des Gotteshauses auf der Riffelalp. Und das sei auch gut so.
Denn die Kapellen in den Bergen seien ein Ort der Stille und der Andacht, so der Pfarrer. Das werde von Einheimischen wie von Gästen geschätzt. Und er persönlich habe denn auch nichts dagegen, wenn Wanderer und Alpinisten darin Zuflucht etwa vor Gewittern suchen. «Aber», so der Zermatter Pfarrer, «wenn die Kapellen als Picknickort benutzt werden, ist ihr Zweck nicht mehr gegeben.» Roth geht davon aus, dass es sich bei den besagten Berggängern auf Schwarzsee um Einzelfälle handelt. «Wenn solche Vorkommnisse jedoch vermehrt auftreten würden, müssten wir uns überlegen, die Kapelle über Nacht zu schliessen. Was sehr aufwendig wäre und vor allem sehr schade.» Roth hofft, dass es nicht so weit kommt.
Alpinisten halten sich an Campingverbot
Das der Massenalpinismus am Matterhorn besondere Blüten treibt, ist in Zermatt allseits bekannt. Dass sich nun Berggänger erdreisten, in Kapellen zu übernachten oder zu frühstücken, dürfte auch mit dem Campingverbot zu tun haben, das seit 2015 am Fusse des Matterhorns rund um die Hörnlihütte gilt.
Er sei positiv überrascht, wie konsequent sich die Alpinisten diesem Verbot beugen, sagt selbst Martin Lehner, der gemeinsam mit seiner Frau Edith die erste Saison die Hütte bewirtet. Unten auf dem «Hirli», zwischen Schwarzsee und der Hütte, seien zwar oft noch Zelte zu sehen. Dort werden die Camper aber geduldet, «weil sie uns keine Probleme mit dem Wasser machen», so Lehner.
Nicht selten treffe er aber auf Berggänger, die sich erst gegen 10.00 Uhr in den Berg begeben. Jetzt in der Hochsaison käme es fast täglich vor, dass die Solvayhütte auf dem Hörnligrat genutzt werde. Eigentlich als Schutzhütte gedacht, planen hier manche eine fixe Übernachtung bei der Tour von Anfang an mit ein.
David Biner
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