Alpinismus | Seit 60 Jahren hofft der Deutsche Toni Port, dass der Gletscher seinen verschollenen Bruder freigibt
Vergebliche Suche am Weisshorn nach den toten Bergkameraden

Letztes Foto. Die deutsche Bergsteigergruppe am 20. Juli 1958 im Aufstieg zur Weisshornhütte von Randa aus. Josef Port und Norbert Eberhard (Erster und Dritter von rechts) kehrten nicht mehr zurück.
Foto: zvg

Nordwand. Am 21. Juli 1958 stürzten zwei deutsche Bergsteiger die über 1000 Meter hohe Nordwand des Weisshorns hinunter. Bis heute hat der Bisgletscher die Leichen nicht freigegeben.
Foto: zvg

Suche. Am 12. September 1958 suchten die beiden Randäer Bergführer Leo Summermatter und Edmund Brantschen mit Toni Port (von links) auf dem Bisgletscher nach den Verunglückten.
Foto: zvg

Der 80-jährige Toni Port sucht seit 60 Jahren immer wieder nach seinen toten Bergkameraden am Weisshorn.
Foto: zvg

Nur eine Gedenktafel an der Friedhofmauer in Randa erinnert an die Tragödie am Weisshorn im Juli 1958.
Foto: 1815.ch
Am 21. Juli 1958 stürzten am Weisshorn zwei deutsche Alpinisten die Nordwand hinunter. In der vergangenen Woche kehrte der 80-jährige Toni Port erneut an den Unglücksort zurück – in der Hoffnung, der Bisgletscher habe die Leichen der beiden Bergsteiger endlich freigegeben.
Am 21. Juli 1958 nahmen sechs Bergsteiger aus Türkheim aus dem deutschen Allgäu den langen Aufstieg auf das 4505 Meter hohe Weisshorn von der Weisshornhütte aus in Angriff. Einer der sonst siebenköpfigen Bergsteigergruppe, die in den 1950er-Jahren viele gemeinsame Bergtouren machten, fehlte. Toni Port steckte in der Grundausbildung zur Bundeswehr und bekam nicht frei. Die Alpinisten teilten sich in drei Zweierseilschaften auf.
Fatale Unachtsamkeit
Nur wenige Meter unterhalb des Gipfels verhedderte sich das Seil einer Seilschaft in deren Steigeisen – mit fatalen Folgen. Die kleine Unachtsamkeit führte dazu, dass Josef Port und Norbert Eberhard auf dem Schnee ausrutschten. Die beiden stürzten die 1100 Meter hohe Nordwand des Weisshorns hinunter in die Gletscherschründe des Bisgletschers. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Bis heute gelten sie als verschollen.
Beat Brantschen (72) aus Randa erinnert sich noch heute an die deutsche Berggängergruppe. «Am Vortag machten sie beim Aufstieg zur Weisshornhütte einen kurzen Halt bei einer Alphütte, wo ich als 13-Jähriger Kühe hütete. Alle sechs verlangtem nach einem Glas frischer Milch, das ich ihnen dann auch gab.» Anderntags seien sie wieder an der Hütte vorbeigekommen, dann allerdings nur mehr zu viert… Bergrettungen, wie sie heutzutage vonstatten gehen, und Rettungsspezialisten, die bereits wenige Minuten danach am Ort des Unglücks sind, kannte man vor 60 Jahren freilich nicht. Eine erste Suche nach den Bergtoten konnte erst am 12. September 1958 gestartet werden. «Toni Port, ein Bruder von Josef Port, engagierte meinen Vater Edmund Brantschen und Leo Summermatter für die Suche. Beide waren erfahrene Bergführer», erinnert sich Brantschen. Der Suche war kein Erfolg beschieden. In der Nordwand herrschte Steinschlag. Das Unterfangen Ports, seinen Bruder Josef sowie seinen Freund Norbert Eberhard in den Gletscherschründen am Fusse des Weisshorns zu finden, war hoffnungslos.
Gedenktafel erinnert an die Tragödie
Toni Port gab seine Hoffnung nie auf und kehrte in den vergangenen 60 Jahren immer wieder nach Randa zurück, um nach seinen toten Bergkameraden zu suchen. Die Leichen der beiden Allgäuer gab der Bisgletscher bis heute nicht frei, ebenso wie jene eines Dutzend anderer verunglückter Alpinisten. Nur eine Gedenktafel auf der Friedhofsmauer von Randa erinnert an die Tragödie. Gespendet von einem Türkheimer Zahnarzt, der sich seinerzeit auch an den Suchaktionen beteiligte.
Erst in der vergangenen Woche reiste der 80-jährige Deutsche ins Mattertal, um erneut eine Suche zu organisieren. «Es ist mein grosser Wunsch, die beiden Verunfallten zu finden und sie in ihrer Heimat zu begraben», erzählt er dem «Walliser Boten». Wie es der Zufall will, mietete er über eine Buchungsplattform eine Ferienwohnung von Beat Brantschen, der vor 60 Jahren als einer der letzten seinen Bruder lebend sah. «Die Freude von Port über das Treffen war gross, zumal wir uns bereits vor 24 Jahren zufällig begegneten, als er ebenfalls in Randa weilte, um mit Fernrohren den Bisgletscher abzusuchen», erzählt Brantschen.
Gletscherschmelze als grosse Hoffnung
Aufgeben will der Türkheimer seine Suche nicht. Der Gedanke, dass die Verunglückten vom Eis freigegeben und es niemand bemerken würde, lasse ihn nicht in Ruhe. «Bei dem anhaltenden Klimawandel mit wärmeren Temperaturen haben in den vergangenen Jahren im Alpenraum immer wieder Gletscher abgestürzte Bergsteiger freigegeben, welche über Jahre und Jahrzehnte im ewigen Eis gefangen waren», begründet Port seine Hoffnung.
Für die vorläufig letzte Suche hat er einen Heliflug der Air Zermatt gebucht. «Mit dem Zermatter Rettungschef Anjan Truffer habe ich den Bisgletscher überflogen. Leider haben wir nichts gefunden.» Gleichzeitig habe er bei der Polizei in Zermatt eine Speichelprobe abgegeben. «Sollte der Gletscher eines Tages die Verunglückten freigeben, könnten die Leichen mit einem DNA-Abgleich leichter identifiziert werden», so Port.
Norbert Zengaffinen
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar