Weltrekord-Zahnradbahn | Oberwalliser Kompetenz und Know-how für die Erneuerung der Manitou and Pikes Peak Cog Railway in den USA
«Diese Bahn lässt niemanden unberührt»

Kleines Team – grosses Projekt. Urs Juon, Vermessung Planax, Sébastien Bouron, VWI Ingenieure AG, Walter Clausen,
VWI Ingenieure AG, Reinhard Imoberdorf, Vermessung/Trassierung Planax, und Willi In-Albon, Projektleitung InAlps (von links).
Foto: mengis media / Alain Amherd

Weltrekordbahn. Die Manitou and Pikes Peak Cog Railway ist die höchste Zahnradbahn der Welt.
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Die Manitou and Pikes Peak Cog Railway in Colorado (USA) führt auf den Pikes Peak auf 4301 mü.M. und ist die höchste Zahnradbahn der Welt. Gebaut wurde sie 1889–1891. Bis 2017 war sie in Betrieb. Jetzt wird die von über 500000 Personen pro Jahr frequentierte Ausflugsbahn vollständig erneuert. Die Zahnradbahn ist ein Tourismusmagnet, der ihresgleichen sucht. Der Staat Colorado investiert Millionen in ein neues Bergrestaurant, das Pikes Peak Summit House, auf dem Gipfel. 60 Millionen Dollar fliessen von der Bahngesellschaft in die neue Bahninfrastruktur und 40 Millionen in das Rollmaterial. Und mittendrin das Oberwalliser Projektteam IDG InAlps Design Group, das mit Wissen, Kompetenz und Know-how einen wichtigen Teil der Planungsarbeiten erledigt.
Es erstaunt schon, dass das Oberwalliser Projektteam, IDG InAlps Design Group, zu dem InAlps AG, VWI Ingenieure AG und Planax AG gehören, den Zuschlag für die Erstellung eines Betriebskonzepts und für die Vermessungs- und Ingenieurarbeiten der Manitou and Pikes Peak Cog Railway erhalten hat. Wie kam es dazu?
Willi In-Albon (InAlps AG): «Ich bin in der internationalen Bahnbranche durch meine langjährige Tätigkeit in verschiedenen Bahnunternehmungen sehr gut vernetzt. Direkt nach meinem Studium habe ich ein halbes Jahr in St. Louis (USA) gearbeitet und hier wertvolle Erfahrungen sammeln und persönliche Kontakte knüpfen können. 2013 habe ich mich selbstständig gemacht und die InAlps AG gegründet. Ich biete spezialisierte Beratungen für Eisenbahn- sowie in Industrie- und Gebäudeinfrastrukturen an. 2015 durfte ich in Salt Lake City eine Machbarkeitsstudie für eine gesicherte Bahn- und Strassenverbindung für ein grösseres Skigebiet erstellen. Danach folgte ein Besuch in Manitou Springs. Es entwickelte sich ein konstruktiver Kontakt mit dem CEO der Cog Railway, Wren Spencer. Anfang 2018 wurde ich dann von der Bahngesellschaft angefragt, für die gesamte Infrastruktur und Bahnerneuerung eine Planungsofferte einzureichen. Mit Unterstützung der beiden Partnerbüros VWI Ingenieure AG und Planax AG bildeten wir die IDG InAlps Design Group und konnten so die Kompetenzen und Erfahrungen in allen bahntechnischen Bereichen bündeln und der Cog Railway anbieten.»
Wie schafften Sie es, die Amerikaner zu überzeugen?
Willi In-Albon: «Das IDG-Team wurde kurzfristig nach Colorado eingeladen, um uns das Vorhaben der Cog Railway vorzustellen und um uns ‹unter die Lupe› zu nehmen. Während einer Woche nahmen wir an verschiedenen Meetings mit den Verantwortlichen der Bahngesellschaft und den bereits involvierten anderen Unternehmungen teil. Wir sind die gesamte Bahnstrecke von 14km zu Fuss und mit dem Notizblock in der Hand abgelaufen und haben uns so ein detailliertes Bild der Anlage verschafft. In den Gesprächen mit dem Bahnbetreiber hat sich herausgestellt, dass die angestrebten Ziele nur mit einem angepassten Betriebskonzept erreicht werden können. Es waren also innovative Ideen und effiziente Lösungsansätze gefragt. Wir überzeugten die Amerikaner durch unsere Kompetenzen und unser Know-how und erhielten den Zuschlag vor der Schweizer Konkurrenz.»
Gab es Zweifel daran, ob Ingenieurarbeiten über Kontinente hinweg realisierbar seien?
Walter Clausen (VWI Ingenieure AG): «Aus rein technischer Sicht und nach den Erkenntnissen aus der Begehung hatten wir eigentlich keine Zweifel, uns der Herausforderung zu stellen. Wir mussten uns allerdings über die administrativen Angelegenheiten, wie Vertragsabwicklung und Versicherungsschutz, Gedanken machen. Es ist nicht so einfach, als Planer im Ausland tätig zu sein; speziell in den USA mit den besonderen Regelungen bei Haftungsansprüchen. Wir mussten daher eine separate Projekt-Haftpflichtversicherung mit Erweiterung für die USA und Kanada abschliessen. Lange war nicht klar, wie der Vertrag geregelt werden sollte. Es waren ja noch andere Schweizer Firmen wie die Stadler Rail AG (Herstellerin von Schienenfahrzeugen) involviert. Schlussendlich schlossen wir als IDG InAlps Design Group einen eigenen Vertrag mit den Amerikanern ab. Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Weder das Finanzielle noch das Administrative oder die Versicherungsfragen waren schlussendlich unüberwindliche Hindernisse.»
Wie sah das für die Vermessungsarbeiten aus?
Urs Juon (Planax AG): «In den USA gibt es ein anderes Koordinatensystem und eine andere Längeneinheit (Fuss) als in der Schweiz. Mit den Unterschieden der schweizerischen und amerikanischen Systeme mussten wir uns intensiv befassen. Eine weitere Herausforderung war der Höhenunterschied des Projekts zwischen Tal und Berg von mehr als 2000 Metern. Am Anfang sah unser Konzept so aus: Wir fliegen in die USA, vermessen, fliegen zurück und rechnen alles in unserem Büro. Wir stellten aber bald fest, dass vor Ort sehr viele Kompetenzen vorhanden waren. So flog unser leitender Vermessungsingenieur Reinhard Imoberdorf nach Colorado und erarbeitete mit einem örtlichen Vermessungsbüro ein Messkonzept nach schweizerischen Anforderungen. Da die Gleisgeometrie nach Schweizer Norm gerechnet wurde, mussten zudem die nötigen Umrechnungen definiert werden, sodass die metrische Geometrie, die Achse der neuen Bahn, auch vor Ort korrekt in Fuss gebaut werden kann.»
Willi In-Albon: «Wenn man ein so grosses Projekt anreisst, darf man keine Zweifel haben. Ich wusste von Anfang an, dass es mit diesen Partnern klappen würde.»
Die Manitou and Pikes Peak Cog Railway führt auf den Gipfel des Pikes Peak mit einer Höhe von 4301 Meter über Meer. Ich nehme an, dass eine Bahn auf dieser Höhe eine besondere Herausforderung für Ingenieure darstellt?
Walter Clausen: «Bei Arbeiten in dieser Höhe muss man bei der Planung immer schon die Ausführung im Kopf haben. Die Hochgebirgsbaustelle ist vergleichbar mit dem Klein Matterhorn. Da muss man pragmatische, einfache Lösungen anstreben. Hochkompliziertes ist hier fehl am Platz. Jeder Kubik Beton, jede Stahlschwelle muss auf den Berg transportiert werden. Das sind Herausforderungen, deren man sich beim Planen bewusst sein muss. Unterhaltsarme Ausführungen sind gefragt. Es gilt, Lösungen zu finden, die den extremen klimatischen Bedingungen auch langfristig standhalten. Infrastrukturen, die aufwendig gewartet und kontrolliert werden müssen, wären hier nicht ideal. Auf dem Gipfel befinden wir uns im Permafrost-Bereich. Der Boden ist dort dermassen gefroren, dass sogar lockeres Gestein und Geschiebe gesprengt werden muss.»
Gibt es weitere Besonderheiten dieser Bahn, die Ihnen Kopfzerbrechen bereiteten?
Walter Clausen: «Da die alte Bahn bereits abgebaut ist, mussten wir uns überlegen, wie das Material auf den Berg kommt. Es führt zwar auch eine Strasse auf den Pikes Peak. Die verläuft jedoch auf der anderen Seite des Bergs und es gibt nur auf dem Gipfel einen Berührungspunkt zwischen Strasse und Bahnlinie. Die Strasse bringt also für den Bau der Bahnstrecke nicht viele Vorteile. Man kann zwar Material auf den Gipfel transportieren und dort deponieren, aber ansonsten muss die ganze Logistik, die ganze Bewirtschaftung auf dem alten Trassee abgewickelt werden.»
Gab es Knackpunkte bei der Vermessungstechnik?
Urs Juon: «Sobald man wusste, wie der Rahmen der Vermessungssysteme funktioniert, welches ‹Datum› die Amerikaner benutzen, gab es keine wesentlichen Unterschiede mehr zur hier üblichen Trassierung, also der Festlegung der Gleisgeometrie. Hier werden die Gleisanlagen üblicherweise in kurzen Etappen erneuert und optimiert und nicht 14 Kilometer auf einmal. Zudem wollten die Amerikaner unbedingt das alte Trassee mit seiner historischen Ausstrahlung erhalten. Es galt also, die geltenden Normen und den modernen Fahrkomfort mit der Respektierung der angelegten Bahnstrecke in Einklang zu bringen.»
Gibt es Eigenheiten beim amerikanischen Bahnbau, mit denen Sie sich zuerst vertraut machen mussten?
Walter Clausen: «Für das Engeneering war speziell, dass der Bahneigentümer den ausführenden Bauunternehmer (Stacy and Witbeck Inc.) schon von Anfang an mit im Boot hatte. Bereits bei den ersten Kontakten fand daher ein intensiver Austausch mit der Unternehmung statt. Das gibt es in der Schweiz wenig. Hier stellt man meistens gemeinsam mit dem Bauherrn ein Planungsteam zusammen, projektiert, macht eine Ausschreibung und lässt dann verschiedene Unternehmer die Arbeiten offerieren, die nachher ausgeführt werden. In Amerika ist der Unternehmer schon sehr früh integriert; ein sehr gutes System. Bei allem was geplant wird, fliessen so direkt Überlegungen ein, wie die Umsetzung aussieht. Davon profitieren beide Seiten.»
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Walter Clausen: «Die Bahn ist so steil, dass man die Gleise verankern muss. Diese Rückverankerungen macht man üblicherweise mit grossen schweren Betonfundamenten, die im Boden fixiert werden. Daran wird das Geleise mit Zugstangen und Laschen befestigt. Weil es sehr aufwendig gewesen wäre, Beton auf diese Höhe hochzubringen und Aushube zu sprengen, entwickelten wir ein anderes System. Wir bohrten Anker und befestigten das Geleise nachher an diesen Ankern. Das stellt für den Unternehmer sowohl für die Logistik als auch für den Materialaufwand eine grosse Vereinfachung dar. Der Bauunternehmer war zuerst skeptisch gegenüber unserem Lösungsvorschlag. Wir diskutierten das gemeinsam und schlussendlich waren alle von dieser Art der Ausführung überzeugt.»
Also eine Erfindung?
Walter Clausen: «Das System der Verankerung gibt es schon lange. Ein Teil dieser Lösung stammt aus der Bahntechnik, der andere Teil stammt aus dem Bereich Naturgefahren. Bei Steinschlagschutz — oder auch bei Lawinenschutzmassnahmen braucht man oft solche Verankerungen. Am Pikes Peak verbanden wir diese zwei Systeme und schufen so etwas Neues. Die Kombination ist die Innovation.»
Trafen Sie bei der Arbeit für die Manitou and Pikes Peak Cog Railway auf Überraschendes?
Willi In-Albon: «Der Naturschutz hat in der Region von Manitou Springs und Colorado Springs einen beachtlichen Stellenwert. Bauliche Eingriffe in die Natur sind in diesen Höhenlagen langfristig wirksam. Da ist eine schonende Ausführung der Arbeiten verpflichtend und muss bereits in der Planung berücksichtigt werden.»
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Amerikanern?
Willi In-Albon: «Die Zusammenarbeit ist sehr unkompliziert. Die Sitzungen verlaufen lösungsorientiert und auf einer professionellen, respektvollen Ebene. Kommuniziert wird hauptsächlich per Video-Konferenz, E-Mail oder Telefon. Wir arbeiten nach schweizerischen Vorschriften (Swiss Regulations). Sämtliche Ausführungspläne werden vom Bauherrn geprüft und genehmigt. Unsere amerikanischen Kollegen haben uns erfreulicherweise im letzten Oktober im Oberwallis besucht, was bei ihnen wie auch bei uns einen bleibenden Eindruck hinterliess.»
Walter Clausen: «Dr. Patrick Braess aus Zürich spielt bei der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Er wurde als Experte und Bauherrenunterstützer von der Manitou and Pikes Peak Cog Railway für das Projekt engagiert. Er arbeitet als Bindeglied zwischen unserem Planungsteam und dem Ausführungsteam in den USA sowie dem Rollmateriallieferanten Stadler Rail und dem Schienenmateriallieferanten Tensol Rail SA. Er überwacht die Umsetzung und die Ausführung der Arbeiten gemäss unseren Plänen vor Ort. Das ist für uns eine wichtige Absicherung.»
Sind Sie auch ein bisschen stolz auf Ihr Werk?
Walter Clausen: «Ja, klar. Die Arbeit an einem solchen Projekt lässt einen nicht unberührt. Die nächsten, die eine vergleichbare Arbeit an dieser Bahn machen können, werden hoffentlich auch wieder erst in 130 Jahren zu Werk gehen. Diese Bahn wird von Menschen aus reiner Freude daran genutzt. An einer solchen Weltrekordbahn mitzuarbeiten ist herausfordernd, aber auf alle Fälle unvergesslich und speziell.»
Urs Juon: «Die Erneuerung der Manitou and Pikes Peak Cog Railway ist ein 100-Millionen-Projekt. Was wir für dieses Projekt leisten können, ist ein kleiner, aber zentraler Teil. Für uns war es sicher eine gute Erfahrung, zu sehen, dass unser Know-how international gefragt ist und honoriert wird.»
Wann wird die Eröffnung der neuen Manitou and Pikes Peak Cog Railway sein?
Willi In-Albon: «2021 soll es so weit sein. Darauf freue ich mich riesig. Im Moment verläuft alles nach Plan. Wir werden nach Möglichkeit alle an der Eröffnungsfeier teilnehmen.»
Nathalie Benelli
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