Landwirtschaft | Oberwalliser Ziegenzuchtverband (OZIV) sperrt drei Züchter – gegen den Rat des Schweizer Verbandes
«OZIV war nicht befugt, einzelne Personen auszuschliessen»

Streit. An einer ausserordentlichen DV wurden am Sonntag drei Ziegenzüchter für ein bis fünf Jahre mit einem Startverbot an überregionalen Leistungsschauen oder Bockmärkten bestraft.
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Wegen Manipulationen an der Ausstellung in Visp werden drei Ziegenzüchter ein bis fünf Jahre von den Leistungsschauen und Bockmärkten ausgeschlossen. Vertreter des Schweizerischen Ziegenzuchtverbandes versuchten vergeblich, zu schlichten. Die Beweislage ist dünn.
An der alle zwei Jahre stattfindenden Leistungsschau des Oberwalliser Ziegenzuchtverbands (OZIV) in Visp kam es Anfang November im Nachgang der Veranstaltung zu heftigen Diskussionen. Der Grund: Mehrere Züchter, die mit ihren Tieren auch Spitzenplätze belegten, sollen «nachgeholfen» haben, konkret beim Kriterium 1, den rassetypischen Merkmalen wie etwa dem Haarkleid oder der Farbe.
Als Züchter am Sonntag ihre Ziegen abholen wollten, kam es zu heftigen Wortgefechten und sogar Drohungen. Verbandspräsident Urs Schnydrig versprach eine rasche Aufklärung der happigen Vorwürfe. Der Verband setzte dazu auch ein Schiedsgericht ein. Erwähnenswert, dass die vier ausserkantonalen Experten «nicht das Geringste haben feststellen können». Experte Roland Bigler aus Ortschwaben sagte bereits im November zu dieser Zeitung: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich etwas Gravierendes vorgefallen ist, also bei Tieren schwerwiegende Manipulationen vorgenommen wurden.»
Tumultartige Szenen an der DV
n den vergangenen Wochen kam es zu mehreren Gesprächen, Sitzungen und auch Einvernahmen der Beschuldigten. Einzelne Züchter sind gemäss einem Schreiben der Beschuldigten «einzeln verhört und genötigt worden», was nicht den Abmachungen entsprochen habe. Sie kritisierten auch, dass das Schiedsgericht falsch zusammengesetzt gewesen sei. Gemäss den Statuten hat eine streitende Partei Anrecht auf ein Mitglied im Schiedsgericht. Beide Parteien bezeichnen gemeinsam einen Obmann. Dieses Recht wurde den Beschuldigten verwehrt.
Die beschuldigten Züchter drohten deshalb bereits mit juristischen Schritten. Der nationale Verband schaltete sich ein, versuchte zu schlichten, um den Gang vor die Gerichte zu verhindern. An einer Einigungssitzung am 6. Januar 2020 in Eyholz schien man sich tatsächlich nähergekommen zu sein. Daran nahm auch Roland Bigler, einer der vier Experten im November, teil. Es soll sich um ein «konstruktives Gespräch» gehandelt haben.
An der ausserordentlichen DV am Sonntag kam es dann zum Eklat und teils zu tumultartigen Szenen. Ein Vertreter der Angeschuldigten, ausgestattet mit einer rechtsgültigen Vollmacht, wurde aus dem Saal gewiesen. Ursula Herren, Geschäftsführerin des Schweizerischen Ziegenzuchtverbandes (SZZV), mahnte erfolglos zur Besonnenheit: «Leider hat die Mehrheit der Stimmberechtigten anlässlich der ausserordentlichen DV meinen Aufruf ignoriert.»
Die Vertreterin des SZZV wurde verbal attackiert. Ihr Appell, doch einen Schlussstrich zu ziehen und einen sauberen Neubeginn zu machen, wurde mit Buhrufen quittiert. Grosse Angst habe sie nicht gehabt, aber ein «wenig Herzklopfen» schon: «Der Auftritt einiger Züchter war ohne Anstand und Respekt, ganz besonders jener eines OZIV-Vorstandsmitglieds.»
Sperren von ein bis fünf Jahren
Der Versammlung lagen zwei Anträge vor, darunter auch ein Antrag der Genossenschaft Glis. Dieser forderte, dass die «Manipulationsvorfälle nach einer harten Strafe verlangen». Die Züchter werden zwischen einem und fünf Jahren von Leistungsschauen und Bockmärkten ausgeschlossen. Bei 63 stimmenden Delegierten fiel das Verdikt für zwei Züchter mit 49 und 40 Ja recht klar aus. Der dritte Züchter wurde aber lediglich mit 33 Ja-Stimmen (nur eine Stimme über dem absoluten Mehr) suspendiert. Zweimal gibt es Sperren für die Leistungsschau und den Bockmarkt, einmal nur eine Suspendierung für die Leistungsschau…
Für die Beschuldigten ist es ein «lächerliches Urteil». Sie haben mit dem Verband bereits abgeschlossen: «Für uns war nach den Ereignissen an der letzten Ausstellung, insbesondere nach den üblen Wortgefechten und Androhungen von Gewalt am Sonntag, als wir die Tiere abholen wollten, klar, dass wir keine Tiere mehr aufführen.» Ziel sei es gewesen, «uns als Züchter weg zu haben.» Dieses Ziel hätten der Verband, oder vielmehr einzelne Züchter, erreicht. Man rekurriert nicht gegen den Beschluss der ausserordentlichen DV, obwohl es auch da erhebliche rechtliche Mängel gegeben habe.
Aber den Vorwurf der Manipulation lässt man natürlich nicht auf sich sitzen. Die Beschuldigten wollen sich nun mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen, wegen Verleumdung, übler Nachrede und Rufschädigung. «Der Schaden für die an den Pranger gestellten Züchter ist gross. Alles basiert auf Vermutungen, aber es gibt keine Beweise. Wir haben nie Haare gefärbt, Haare ausgerissen oder eingesetzt. Unsere Ziegen wurden zudem in der Nacht nach der Ausstellung von unbefugten Personen ohne Anwesenheit der Eigentümer kontrolliert. Das war rechtswidrig, hier hätte die Stallwache einschreiten müssen.»
Harsche Kritik des nationalen Verbandes
Gemäss Ursula Herren sind die Auffuhr- und Beurteilungsbedingungen im Schaureglement des SZZV geregelt. «Manipulationen sind natürlich strikt verboten. Die Verantwortung für die Feststellung von Manipulationen liegt anlässlich der Auffuhr der Tiere bei den Schauverantwortlichen und anlässlich des Richtens bei den Experten. Allfällige Verstösse sind schriftlich an den SZZV zu melden. Dieser kann Sanktionen verhängen», stellt Herren klar.
An der besagten Leistungsschau in Visp seien weder bei der Auffuhr noch während des Richtens Manipulationen festgestellt worden. Die angebliche Beweisaufnahme für die Manipulationen erfolgte in der Nacht von Samstag auf Sonntag, nach Abschluss der Schau und in Abwesenheit der Tierbesitzer.
Herren bestätigt, dass die von der DV beschlossenen Sanktionen von den Züchtern zivilrechtlich angefochten werden können. «Gemäss unseren Abklärungen zur Rechtslage war der OZIV nicht befugt, einzelne Personen von zukünftigen Leistungsschauen und Bockmärkten auszuschliessen. Zudem wurden die angeblichen Beweise für die Manipulationen nicht rechtmässig erhoben. Es war vielmehr eine ‹Nacht-und-Nebel-Aktion›. Und man weiss bis heute nicht, was die Züchter konkret manipuliert haben sollen», begründet Herren die Haltung des Schweizer Verbandes.
Sie weist auch die Kritik an den ausserkantonalen Experten zurück. Alle vier, so Herren, seien «gut ausgebildete Experten mit langjähriger Erfahrung, auch für die Rasse der Walliser Schwarzhalsziege». Bei drei der vier Experten habe es sich um sogenannte Verbandsexperten des SZZV gehandelt. Diese würden auch für die Ausbildung von neuen Experten eingesetzt: «Der SZZV steht voll und ganz hinter den von den Experten am 9. November 2019 gefällten Entscheiden, sowohl was die Rangierung als auch die Misswahlen betrifft.» Man schicke immer die «versiertesten und besten Experten» ins Wallis, weil man um die Bedeutung der Schauen im Wallis wisse, merkt Herren an.
Der Imageschaden für die Nebenerwerbslandwirtschaft, aber auch für die gesamte Schweizer Ziegenzucht könne im Moment noch nicht abgeschätzt werden, sagt Herren: «Es gab bisher auf nationaler Ebene glücklicherweise keinen vergleichbaren Fall.» Seitens des OZIV war trotz mehrmaliger schriftlicher und telefonischer Anfrage keine Stellungnahme erhältlich.
Herold Bieler
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