Interview | World Nature Forum-Geschäftsführer Hans-Christian Leiggener

«2019 besuchten 14500 Personen das WNF»

«Natürlich wäre ein zentralerer Standort besser», Hans-Christian Leiggener.
1/1

«Natürlich wäre ein zentralerer Standort besser», Hans-Christian Leiggener.
Foto: MENGIS MEDIA/Alain Amherd

Quelle: RZ 0

Finanzielle Turbulenzen, ein umstrittener Sanierungsplan, ein Bundesgerichtsentscheid: Das World Nature Forum (WNF) in Naters blickt auf schwierige Zeiten zurück. Nun gehe es aufwärts, sagt Geschäftsleiter Hans-Christian Leiggener. Und er präsentiert aktuelle Zahlen.

Hans-Christian Leiggener, das World Nature Forum konnte einen Konkurs knapp abwenden. Eine Sanierung war notwendig. Wie weit ist dieser Prozess?

Die Sanierung ist vollzogen. Als Nachfolge-Trägerschaft fungiert die WNF-Stiftung mit der Gemeinde Naters als Stifterin. So ,wie das der Sanierungsplan vorsieht.

Wie geht es dem Wolrd Nature Forum heute?

Derzeit sehr gut. Wir stellen fest, dass die Zahl der Besucher sowie Umsätze und Erträge kontinuierlich ansteigen. Wir blicken daher zuversichtlich in die Zukunft.

Sie sprechen von mehr Besucherinnen und Besuchern. Wie sehen die konkreten Zahlen aus?

2019 besuchten 14 500 Personen unser Zentrum. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Plus von 25 Prozent. Auch der Buchungsstand für dieses Jahr sieht gut aus. Wir streben ein kontinuierliches Wachstum an – und wir unternehmen einiges, um unsere Ziele zu erreichen.

Was genau unternehmen Sie, um mehr Besucherinnen und Besucher ins WNF zu lotsen?

Wir akquirieren etwa Schulklassen und promoten unser Bildungsangebot, auch in Zusammenhang mit dem Lehrplan 21. Diesbezüglich sind wir insbesondere in der Deutschschweiz aktiv, aber auch in der Romandie und im Tessin. Zudem erarbeiten wir derzeit zusammen mit der Pädagogischen Hochschule Wallis ein Bildungskonzept, um einen direkten Zugang zu den Schulen erhalten zu können. Denn Bildung und Sensibilisierung ist ein Kernauftrag der Stiftung UNESCO-Welterbe Swiss Alps Jungfrau-Aletsch.

Neben den Schulklassen müssen Sie auch andere Zielgruppen ansprechen. Wie gehen Sie diesbezüglich vor?

Wir haben die Werbeaktivitäten verstärkt, insbesondere auf unseren Social-Media-Kanälen, da wir als Non-Profit-Organisation über keine grossen Werbebudgets verfügen. Unsere beschränkten finanziellen Möglichkeiten geben den Rahmen für unsere Werbeaktivitäten vor. Das heisst auch, dass wir von Hotel zu Hotel, von Gemeinde zu Gemeinde gehen, um unser Informationsmaterial dort zu platzieren, wo potenzielle Kundschaft anzutreffen ist.

Zurück zu den Zahlen: 14 500 Besucherinnen und Besucher im letzten Jahr. Reicht das?

Grundsätzlich budgetieren wir eher defensiv und verfolgen eine strikte Kostenkontrolle. Innerhalb der nächsten drei Jahre wollen wir die 20 000-Besucher-Marke knacken, was derzeit realistisch scheint, denn die Anstrengungen der letzten Monate und Wochen greifen endlich. Trotzdem wird der Weg kein einfacher sein. Wir sind nun mal kein gewöhnliches Museum.

Was für eine Art Museum ist das WNF?

Im Oberwallis herrscht immer noch die Meinung vor, dass das WNF ein «Natischer» Museum ist. Diese Wahrnehmung ist weit verbreitet und hier müssen wir gegensteuern. Daher suchen wir den Kontakt zu den Schulen. Wir erhoffen uns einen Multiplikatoreffekt. Wenn es den Kindern gefällt, werden uns vermehrt auch Familien besuchen.

Sie streben 20 000 Besucher an, bei der Eröffnung 2016 war von 50 000 Besuchern die Rede. Kann das WNF mit 20 000 Eintritten wirtschaftlich langfristig betrieben werden?

Ja. Die Rechnung, im Sinne der Attraktivität, geht aber erst dann auf, wenn wir die Ausstellung kontinuierlich erneuern können. Dafür müssen wir Einnahmen beschaffen und ein Wachstum anstreben – wobei immer klar war, dass das WNF eine ausgeglichene Rechnung präsentieren soll. Der Bildungs- und Sensibilisierungsaspekt steht im Vordergrund.

Und trotzdem sollte kein Finanzloch mehr resultieren.

Sie haben natürlich recht. Wirtschaftlichkeit und Bildungsauftrag müssen Hand in Hand gehen. Und trotzdem halte ich fest, dass etwa das Verkehrs haus in Luzern oder das Technorama in Winterthur ähnliche Entstehungsgeschichten hatten wie das WNF. Auch diese mittlerweile etablierten Institutionen erlebten schwierige Zeiten. Aber es ist nicht an mir, die Anfänge des WNF zu kritisieren. Ich bin froh, dass wir jetzt auf Kurs sind, das WNF auf einem gesunden finanziellen Fundament steht. Froh für das WNF und die gesamte Region.

Vermehrt werden im WNF auch Anlässe wie Konzerte oder Filmabende durchgeführt. Damit konkurrenzieren Sie das private lokale Gewerbe.

Es stimmt, dass wir mehr Anlässe haben. Jedoch nur solche, die einen thematische Bezug zum Welterbe haben. Wir werden hier nie ein Iron Maiden-Konzert organisieren. (lacht)

Wie finanziert sich das WNF heute?

Das WNF ist die wichtigste Kommunikations- und Sensibilisierungsmassnahme der Stiftung UNESCO-Welterbe Swiss Alps Jungfrau-Aletsch (SAJA). SAJA nimmt seit 2001 einen vertraglich geregelten Auftrag wahr, wobei 23 Gemeinden der Welterbe-Region, die Kantone Wallis und Bern sowie das Bundesamt für Umwelt sich daran beteiligen. Die entsprechende Leistungsabgeltung im Rahmen der Leistungsvereinbarung 2020–2024 sieht unter anderem den Betrieb des Besucherinformationszen trums WNF vor. Rund ein Drittel des Budgets von SAJA kommt von Partnern und Sponsoren. Diesen Anteil wollen wir bestmöglich verringern und entsprechend durch höhere Besuchereinnahmen kompensieren, was realistisch ist.

Wieso sind Sie so sicher?

Wir thematisieren im WNF insbesondere den Klimawandel und das Schmelzen der Gletscher. Themen, die weiter an Bedeutung gewinnen werden. Die Debatte über den Klimawandel wird in den kommenden Jahren den politischen und gesellschaftlichen Diskurs prägen. Wir werden davon profitieren.

Das Thema spricht dafür, weniger der Standort des WNF. Dieser ist nicht ideal, weil zu wenig zentral.

Natürlich wäre ein zentralerer Standort besser. Dafür haben wir die Nähe zum Welterbe. Wir haben wenig oder keine Laufkundschaft und müssen jeden einzelnen Besucher nach Naters bringen. Und darüber, dass wir beim Bahnhof Brig unser Zentrum endlich anschreiben konnten, sind wir sehr froh.

Ein weiteres Problem: Besucht man einmal die Ausstellung, hat man sie für zehn Jahre gesehen.

Das sehe ich anders. Der Schuldirektor von Naters sagte kürzlich: «Wer nicht mindestens fünf Stunden hier ist, muss dreimal im Jahr kommen, will er nichts verpassen.» Wir empfehlen, das WNF häppchenweise zu erleben. Die Ausstellung bleibt auch nicht statisch, sie wird jährlich um ein Exponat erneuert. Mehrmalige Besuche sind also sinnvoll und durchaus angebracht.

Sind die Walliserinnen und Walliser gegenüber den Kernthemen des WNF – ich spreche vom Klimawandel sowie Umwelt- und ökologischen Anliegen – genügend affin? Sind das nicht eher Aspekte, die ein urbanes und links-grünes Publikum ansprechen?

Der Walliser lebt in den Alpen und erlebt somit den Klimawandel unmittelbar. Wir sind mittendrin. Besuchen Städter unsere Ausstellung, können wir diese sensibilisieren, den Solidaritätsgedanken zwischen Stadt und Land fördern und aufzeigen, dass die Berggebiete besonders vom Klimawandel betroffen sind. Was stimmt, ist, dass die Walliser eher einen pragmatischen, lösungsorientierten Ansatz haben, wenn es um die Probleme der Erderwärmung geht, und einem pathetischen Diskurs skeptisch gegenüber stehen. Dies kann indes auch als ein Zeichen erhöhter Differenziertheit interpretiert werden.

Markant mehr Deutschschweizer als Walliser besuchen das WNF.

Das stimmt. Rund 70 Prozent unserer Gäste kommen von ausserhalb des Kantons. Daher wollen wir vermehrt mit den Walliser Schulen zusammenarbeiten – nicht nur mit den Perimeter- Gemeinden des Welterbes, sondern mit allen Schulregionen des Kantons.

Wo sehen Sie die grösste Herausforderung für das WNF in den kommenden Jahren?

Wir müssen die Qualität der Ausstellung halten, die Messlatte ist hoch angesetzt. Doch nur so werden wir auch langfristig Erfolg haben.

Und wo steht das WNF in fünf Jahren?

Ich wünsche mir, dass wir in der Bildungs- und Museumslandschaft einen fixen Platz einnehmen können, insbesondere in den Kantonen Wallis und Bern – aber nicht nur.

Armin Bregy

Artikel

Infos

Zur Person

Vorname Hans-Christian
Name Leiggener
Geburtsdatum 29. Dezember 1976
Familie Verheiratet, ein Kind
Beruf Geschäftsleiter Stiftung Swiss Alps Jungfrau-Aletsch und World Nature Forum
Hobbies Klettern, Bergsteigen, Skifahren, Langlaufen, Instagram

Nachgehakt

Das WNF steht in der falschen Gemeinde. Nein
Das Gebiet des Weltnaturerbes sollte erweitert werden. Ja
Der schönste Berg ist das Wiwannihorn. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31